Diesem Text ging eine Korrespondenz
voraus, in welcher der Herausgeber verschiedentliche Aspekte an uns
herangetragen hatte, unter welchen er das Thema Sponsoring gerne bearbeitet
haben wollte. Wir beschlossen, diese Erwartungen als eine sportliche
Aufgabe anzunehmen um einem Publikum, dem die bundesdeutschen kulturpolitischen
Struggles nicht bekannt sind, einen roten Faden in die Hand zu geben.
Nun ist daraus ein mehr oder weniger übersichtliches Patchwork von
Exkursionen und Episoden geworden, die hoffentlich einige grundsätzliche
Phänomene, Entstehungsgründe und Selbstverständnisse von neoliberaler
Kultur schildern können.
Wir möchten zu Beginn festhalten, daß Sponsoring in Deutschland weit
davon entfernt ist, ein ernstzunehmender betriebswirtschaftlicher
Faktor innerhalb der Haushalte des Kulturbereichs zu werden. Tatsächlich
sind Sponsorengelder mit Abstand das geringste Kontingent im deutschen
Kulturhaushalt, und Sponsoring hat den Sportbereich nie als Hauptdomäne
verlassen. 1997 wurde das Gesamtvolumen des Sponsoring auf 3,5 Milliarden
Mark geschätzt. ‘Für das Jahr 2002 werden bei einer kontinuierlichen
Steigerungsrate bereits 5,1 Milliarden DM insgesamt prognostiziert.
... 2,3 Milliarden DM flossen in das Sportsponsoring und nur 500 Millionen
DM in die Kultur.’ Dies jedoch vor dem Hintergrund, daß der Etat der
Deutschen Wirtschaft für Werbung insgesamt 56 Milliarden DM betrug.
‘Der Schwerpunkt des Kultursponsorings liegt derzeit im Musikbereich,
zunächst bei Rock- und Popmusik, dann bei Musicals und klassischer
Musik; es folgen Kunstausstellungen und Unterstützung von Museen...’
[1]
Worum geht es also eigentlich bei den zeitweise vehement geführten
öffentlichen Diskussionen zum Thema Sponsoring? Wir glauben, daß es
eher um Meinungsbildungsprozesse, ein Austesten und Lancieren von
Zugriffsmöglichkeiten und eine Einnahme von Sprecherpositionen geht.
Die ‘Reformen’, die seit Beginn der 90er Jahre eine Umstrukturierungswelle
in den Unternehmen begleiten finden ihre Parallele zweifelsohne im
Kulturbereich. An Rationalisierungsphrasen wie ‘lean management’,
‘Outsourcing’, ‘Bottom to Top Kommunikation’ sei ebenso erinnert wie
an die damit verbundenen neuen Tugenden, namens Flexibilität, Teamgeist,
Motiviertheit, Kreativität etc. Offensichtlich ist ‘Sponsoring’, wie
auch ‘Fundraising’, ‘Public Private Partnership’, ‘Below-The-Line-Kommunikation’,
‘Eventmarketing’ Teil des Begriffskonglomerats der in diesem Jahrzehnt
modisch gewordenen Disziplin (Kultur-) Management, deren Konjunktur
sich sowohl in der Neueinrichtung von Studiengängen als auch im Graubereich
der Fortbildungsseminare, Umschulungsmaßnahmen und dubiosen Tagungen
ausdrückt.
In all diesen Begriffskonjunkturen bildet sich dieselbe Ideologie
des Neoliberalismus ab, die ab dem Zusammenbruch der Ordnungen und
der Ideologien der Blockmächte eine kulturelle und weltanschauliche
Hegemonie behauptet. Sponsoring-Diskussionen sind deswegen oft Stellvertreter
für ideologische Fragenstellungen nach einer KULTUR der neoliberalen
Bedingungen. Zugleich sind diese Debatten, die neuen Begriffe und
ihre Methoden ein Prozess der Selbstvergewisserung der einzelnen Beteiligten
in ihrem Beziehungsfeld von Strategien, Opportunitäten, Comme il fauts,
für die wir den Begriff ‘Dispositiv’ verwenden möchten - ein umstrittener
Begriff, weil er das Machtgefälle der gesellschaftlichen Beziehungen,
die er bezeichnet, nicht aus der Diffusität entläßt: ‘Die Macht
gibt es nicht.... Bei der Macht handelt es sich in Wirklichkeit um...
ein mehr oder weniger organisiertes, mehr oder weniger pyramidales,
mehr oder weniger koordiniertes Bündel von Beziehungen.’[2] Allerdings gibt es eine Einübung von Einverstandensein der Aktricen
und Akteure, die auf der Bühne der Kultur wird immer wieder dieselbe
Soap aufführen: Das Ideologem der bürgerlichen Freiheit behauptet
vehement von seiner Ökonomie getrennt zu sein, um sich gegen Ende
dann doch immer wieder mit ihm zu versöhnen. Sponsoringdebatten könnten
zeigen, wie neoliberale kulturelle und politische Paradigmen nach
dem demokratischen Ritual der ‘kontroversen Diskussion’ als eingesehene
akzeptiert und nun freiwillig in die Selbstverständnisse der TeilnehmerInnen
und ihre dementsprechenden gesellschaftlichen Habiti eingeschrieben
werden.
‘Der Text, ....sollte den Lesern im Ausland einen kurzen Überblick
darüber gewähren, wie sich die Öffentlichkeit in Deutschland nach
dem Krieg konstituierte. Hier sind wahrscheinlich schon ein paar Übel
angelegt. Wie kamen zum ersten Mal Corporate Strategien auf den Markt...’[3]
Begriffe wie ‘Sponsoring’/‘Corporate Identity’ tauchen in den Wirtschafts-Lexika
der 50er und 60er Jahre nicht auf. Die Frage nimmt eigentlich schon
vorweg, daß ‘Öffentlichkeit’ nicht getrennt von den Privatunternehmen
gesehen werden kann, die `Öffentlichkeit` als Absatzmarkt `herstellen`.
Dies trifft in bezug auf das Verständnis der Öffentlichkeit der Nachkriegs-BRD
allerdings in einem ganz anderen ideologischen Verständnis der beiden
Pole ‘Subjektivität’ und ‘Öffentlichkeit’ zu, innerhalb dessen ‘Der
Unternehmer’ (und eben nicht DAS Unternehmen) zu einer Ethik
von persönlicher Freiheit und sozialer Verantwortung universalisiert
ist. Man kann ‘Öffentlichkeit’ in dieser Zeit als einen staatlich
garantierten Marktplatz beschreiben, auf dem sich die Unternehmersubjekte
in einer Art hölzernen, nicht dynamisierbaren Freiheit bewegen.
In seinen späten Vorlesungen beschäftigte sich Foucault mit dem Ordo-Liberalismus[4] in Nachkriegsdeutschland, der - aufgrund der damaligen
Totalitarismusprophylaxe - von einer Konzeption ausgeht, in der der
Staat die Entfaltungsmöglichkeit des Marktes und seiner unternehmerischen
Prinzipien garantieren muß.[5]
So ist einerseits die Trennung zwischen Politik, Öffentlichkeit und
Ökonomie unhaltbar, und die Politik zeigt sich als Unterstützerin
der sehr schnell entnazifizierten Unternehmer; diese gründen wiederum
patriotische Fonds, um die jeweiligen (ebenfalls äußerst schnell entnazifizierten)
Parteien zu subventionieren. Andererseits muß gerade in dem nachfaschistischen
Staat eine strikte Autonomie der gesellschaftlichen Bereiche behauptet
werden, um Gewaltenteilung und Machtentflechtung zu demonstrieren.
Damit ist das Feld für die kommenden Skandale angelegt, in denen der
praktizierte Lobbyismus die behauptete Autonomie der Bereiche permanent
desavouiert. Für die Politik läßt sich das an den spektakulären Parteispendenaffairen
bis zu dem jüngsten Skandal in der CDU nacherzählen.
Gegenüber der Kultur hingegen wird der Staat ganz betont auf die Rolle
des neutralen Geldgebers verwiesen, der die kulturelle Grundversorgung
ohne Mitspracherecht zu gewährleisten habe. Die staatlichen Förderungen
kanalisieren sich in föderalen Strukturen. Um auch nicht den geringsten
Anschein einer Indienstnahme für nationale Repräsentationsinteressen
aufkommen zu lassen, wird ein zentrales Staatsministerium für Kultur
abgelehnt. Ein solches Ministerium wird erst jetzt, mit einem sogenannt
‘normalisierten nationalen Selbstbewusstsein’ der aktuellen Regierung
(die unter anderem nun auch dem ersten bundesdeutschen Kriegseinsatz
zustimmt) gegründet.
Andererseits bedarf es kaum des Spionageromans der internationalen
Förderung und Verbreitung von Abstract Painting durch den CIA[6], um zu beobachten, welche ideologische Linientreue in der
BRD (siehe Documenta 1-4) auch kulturell ausgeübt wird: Selbstinitiierte
Reorganisationsmöglichkeiten wie der Demokratische Kulturbund, eine
zonenübergreifende und überparteiliche Organisation, wurden 1947 in
den britischen und amerikanischen Sektoren verboten.[7]
Die Diskussion der Gegensätze in der zeitgenössischen Kunst, z.B.
abstrakt/gegenständlich, autonom/angewandt waren zunächst nicht ideologisch
eindeutig zuzuordnen. Erst die Re-education Programme der Blockmächte
verfestigten diese Diskussion zu den ideologisch aufgeladenen Antagonismen:[8] Individualismus versus Kollektivismus, Humanismus versus Sozialismus,
Kunstmarkt versus Staatsauftrag. So gehört es zum Freiheitsbeweis
von Kunst, daß sie sich durch das Nadelöhr des Kunstmarktes veröffentlichen
muß, der jedoch gestützt wird von einem intensiven Netz aus bürgerlichen
Kunstvereinen, privaten Sammlern und staatlich geförderten Museen.
Es muß betont werden, daß gerade der bildenden Kunst - vielleicht
weil ihre Veröffentlichung so exemplarisch den ‘freien (aber subventionierten)
Markt’ abbilden konnte und weil ihre Subjekte die Unternehmerfigur
so exemplarisch vorführen[9]
- eine immense Beweislast in bezug auf die Demonstration liberaler
Öffentlichkeit angetragen wurde, die bis in die jüngsten rhetorischen
Verteidigungen des öffentlich rechtlichen Status von Kunst gegen ein
drohendes privatwirtschaftliches Take-over reicht.[10]
Es wäre in dieser Zeit geschmacklos oder schlicht kunstgewerblich
gewesen, keine strikte Unterscheidung zwischen Unternehmensführung
und Kunstförderung zu treffen oder Kunst anders in Anspruch zu nehmen
als durch den privaten Erwerb einer Arbeit oder durch das verschwiegene
Glück, als Gönner allerhöchstens im Nachwort eines Kataloges erwähnt
zu werden, wobei über die im Tausch gewährten Gefälligkeiten auf lokalpolitischer
Ebene Diskretion gewahrt wird. Ebenso wäre es für KünstlerInnen höchst
unseriös gewesen, die Autonomie ihres Werkes aufs Spiel zu setzen
und sich als Dienstleistende oder Partizipationsanimateure zu exponieren.
...Die 70er und ihr Protest gegen solche Gefahren...
Walter Grasskamp beschreibt die in den 70er Jahren beginnende bis
in die 90er Jahre andauernde bundesweite Dominanz des Sammlers Ludwig
in staatlichen Sammlungen und Museumsbauten als eine Folge des sogenannten
Machtvakuums, das der staatliche Verzicht auf kulturelle Repräsentanz
produziert habe.[11] Aber diese Schlussfolgerung ist in bezug auf den
Unternehmer Ludwig, dessen persönliche Eitelkeit keine Vernutzbarkeit
seiner Sammlertätigkeit als Werbestrategie seines Konzerns geduldet
hätte, ein Kategorienfehler. Sie trifft erst für die kulturpolitische
Offensive der Unternehmenslobbyisten und Marketingideologen zu Beginn
der 90er zu.
So bezog sich auch ein Protest gegen den Kunstbetrieb in den 70er
Jahren auf die Rolle innerhalb der Kategorien des Marktes, der Ware
und der Produktion. Die Kritik tritt genau dann auf, wenn bildende
Kunst überhaupt durch eine breitere Distribution am Rande der öffentlichen
Massenphänomene sichtbar wird, und kritisiert zugleich den Warencharakter
dann, wenn die fordistisch organisierte Massenproduktion allmählich
in die Krise kommt.
1967 wurde der Kölner Kunstmarkt als klassisches Demokratieversprechen
durch Konsum initiiert. ‘Schwellenängste des...Publikums vor der modernen
Kunst (wurden) rascher abgebaut als in irgendeiner museumspädagogisch
bemühten Kunstsammlung; der lokale Kunstmarkt rekrutierte seine Endabnehmer...
durch eine unerschrockene Merkantilisierung seines Ambientes, die
es erlaubte, Kunst in die gängige Münze der Wahrnehmung zu übersetzen,
in die des Konsumguts.’[12]
Aus der darauf folgenden Kritik an diesem ‘Warencharakter des Kunstwerkes’
kann man jedoch immer noch die vorhergehenden Ansprüche an Kunst herauslesen:
‘Hoffmann-Axthelm... geht davon aus, daß die Kunst in einer ...durchkapitalisierten
Gesellschaft nicht mehr die Aufgabe der Repräsentation erfüllen kann,
... Produkte vertreten im Kapitalismus prinzipiell private Interessen.
Dies ergibt ein Dilemma für Künstler, die, im Verlust der gesellschaftlichen
Repräsentanz, ...sich in einen Individualismus zurückziehen, der in
der Massengesellschaft als Scheinindividualismus selbst wieder warenhaft
wird.’[13] Dieses Dilemma
ist nur unter dem Gesichtspunkt bereits veränderter kultureller und
wirtschaftlicher Selbstverständnissen nachvollziehbar, in dem hinter
dem humanistischen Theater der Faschismusverdrängung und des Antikommunismus
allmählich eine abstrakte kapitalistische Macht wiedererkennbar wird
- mit einem immer effektiveren internationalen Ausbeutungsverhältnis.
Die KritikerInnen einer diesbezüglich indifferenten oder gar affirmativen
Kunst, die weiterhin den Schein des ‘charismatischen Unternehmers
seiner selbst’ abbildet, haben auf performative und konzeptuelle künstlerische
Methoden zurückgegriffen, um eine ‘nicht warenförmige’ kulturelle
Produktion neu zu beschreiben - ‘zu ihnen gehört die Einbeziehung
des Publikums bzw. des Passanten, die Gleichsetzung von alltäglichen
Handlungen bzw. Objekten mit der Kunstpraxis, sowie Interventionen
in den urbanen Umraum ...’[14] - allerdings, ohne den Anspruch auf
eine exemplarische Vertretung ‘der Gesellschaft’ selbst als hegemonial
zu begreifen. Hier werden vielleicht am ehesten Methoden freigesetzt,
die in den 90er Jahren schließlich zum Repertoire der Corporate Identity
von Firmen gehören und zu den selbstgefälligen Floskeln ihrer nun
unhinterfragbaren Legitimität: der erweiterte Kunstbegriff, die Prozeßhaftigkeit
des Managements, die Partizipation der Mitarbeiter, die Loslösung
von der Markenproduktfixierung, die ‘Übernahme globaler Verantwortung’
(d.i. der Anspruch auf unbeschränkte globale Machtausübung): ‘Die
Weltgesellschaft als Lerngesellschaft braucht Unternehmen, die zu
ungewöhnlichen Leistungen fähig sind... Im künstlerischen Akt entstehen
solche Leistungen, Kunstwerke. Unternehmen befähigen sich zu ähnlichen
Werken, indem sie Elemente des künstlerischen Schaffens in den Unternehmensprozess
integrieren.’[15]
Drei Exkursionen
An dieser Stelle erscheinen uns drei Abstecher angebracht. Sie beschreiben
eine Art Helix, in denen mit der fortschreitenden Entreglementierung
der Wirtschaft und dem Ende der ideologischen Blockmachtbindung kulturelle
und ökonomische Selbstverständnisse sich in Wasserstoffbrückenverbindungen
verschränken.
1. Vom Ordo-Liberalismus zur Chicagoer Schule
Gingen
die Ordo-Liberalen von der Vorstellung eines Marktes aus, ‘der beständig
von Regulierungen unterstützt und von sozialen Interventionen ..
eingerahmt werden muss’, wird diese - wie Foucault es ausdrückt
- ‘Differenz zwischen dem Ökonomischen und dem Sozialen’ nun nivelliert,
‘wobei die Regierung selbst zu einer Art Unternehmen wird, dessen
Aufgabe die... Erfindung marktförmiger Handlungssysteme für Individuen,
Gruppen und Systeme ist.’[16]
Darin zeigt sich eine ‘epistemologische Verschiebung’, in der das
Ökonomische nicht mehr ein gesellschaftlicher Bereich unter anderen
ist, sondern die Gesamtheit des gesellschaftlichen menschlichen
Handelns umfaßt. Dies ist besonders ablesbar in der Entwicklung
der Human Relations im Personalmanagement der 70er Jahre, in dessen
Zusammenhang wir nun endlich von der Entwicklung von Corporate Identity
Strategien sprechen können. Sie bilden ein erstes Kalkül der Ökonomisierbarkeit
der persönlichen und kulturellen Ressourcen von MitarbeiterInnen
- sogenannte Softfaktoren, die zu dem Zeitpunkt aktuell werden,
wenn natürliche Ressourcen sich als begrenzt (Ölkrise) und die Produktion
von Massenware als unrentabel (Marktsättigung/Automatisierungskonkurrenz)
erweisen.
Es ist
falsch, in diesem Zusammenhang von einer Renaissance des liberalen
Programms der 19. Jahrhunderts zu sprechen, das von einer radikalen
Trennung zwischen Ökonomie, Politik und Subjektivität ausging. Vielmehr
wird in der Abschaffung der Grenzen zwischen diesen Bereichen ‘eine
Integration des ökonomischen Zwangs’ in bezug auf die Regierung
wie auf eine Subjektivität geleistet, die nun als behaviouristisch-manipulierbare
Wesen ständig einer Art ‘ökonomistischen Tribunal’ unterworfen sind[17]. Dabei ist die neoliberale Sozialtechnologie so eng an
die Selbstregulierungsfähigkeit der einzelnen Individuen und Gruppen
gekoppelt, daß sie als Freiwilligkeit erscheint. ‘Selbstbestimmung
ist eine zentrale ökonomische Ressource und ein Produktionsfaktor...
In der neoliberalen Harmonie gibt es keine Schranken zwischen dem
Ökonomischen, dem Psychologischen und dem Sozialen.’[18] So ‘flexibilisiert’ sich auch der ehemalig politisch geregelte ‘Grenzverkehr’
zwischen den autonomen Bereichen der kulturellen Öffentlichkeit,
der Wirtschaft und der Subjektivität.
2. L´art pour l´art
In dieser ‘neoliberalen Harmonie’ hat sich für Unternehmen der Modus
der Legitimation geändert. Daß der traditionelle soziale Zweck des
Unternehmens - Erhalt von Arbeitsplätzen /Produktion von Gütern
zum Wohl der Volkswirtschaft - infolge von Automatisierung und unbegrenztem
internationalem Handel mit Arbeit und Waren kaum aufrecht zu halten
ist, zeigte sich gerade zu Beginn der 90ern deutlich an der ohnmächtigen
Beschwörung der Allianzen zwischen einer auf nationale Wählerquoten
fixierten Politik und einer Global-Player-Wirtschaft, die sich lediglich
unter dem Argument der Standortattraktivität zu den ‘runden Tischen’
bequemte.[19] In ihrer
unangezweifelten Machtausübung können sich die Unternehmen und ihre
Aktionäre den Legitimationsmodus des l’art pour l’art aneignen.
Es ist das Attribut einer ‘Ästhetik’, deren gesellschaftlicher Entwurf
sich dem Bedürfnis verdankt, eine scheinbar ideologielose und deswegen
unbeschränkte Allgemeingültigkeit innezuhaben, die nun unter dem
Etikett ‘postideologisch’ die Hegemonieansprüche der Unternehmen
als ‘natürlich’ darstellt.
1996 fand in Berlin die Tagung Unternehmen Kultur/Kultur Unternehmen
statt.[20] Das Ziel der Tagung war, ‘einen permanenten Dialog
zwischen Wirtschaft und Kultur zu initiieren ... welcher in der
Unternehmenskultur seinen Schnittpunkt findet... Diskutiert werden
soll, inwiefern Kulturbetriebe der Zukunft Dienstleister und Kooperationspartner
für die Wirtschaft sein können’. Das Pilotprojekt sollte ‘zugleich
Signale für ganz Deutschland setzen’[21]. Nachdem die einzelnen Vertreter der Konzerne ihre
Sponsorentätigkeit dargestellt hatten, wurden zwei Arbeitsgruppen
zu den Themen: ‘Kulturförderung als Systemevolution’ und ‘Ästhetik
im Management’ gebildet[22].
Beide ‘Seminare’ wurden in einer Rhetorik geführt, die aus den BesucherInnen
Fortzubildende werden ließ. In ‘Kulturförderung als Systemevolution’
wurde das Unternehmen mit einem Stamm verglichen; spezielle Initiationsriten
- eine Bergtour, ein Segeltörn oder eine gruppenbezogener Performanceworkshop
- seien als Optimierungsform von der Corporate Identity gerade von
Jungmanagern denkbar. In ‘Ästhetik im Management’ wurde erläutert,
daß die unternehmerischen Entscheidungsfindungsprozesse selbst bereits
eine Form von Konzeptkunst seien, indem das Unternehmen mit dem
‘erweiterten Kunstbegriff’ kurzgeschlossen wurde.[23]
Nicht die künstlerischen Arbeiten, von deren Provokativität man/frau
sich in früheren Diskussionen noch Motivationsschübe für die MitarbeiterInnen
versprach, sondern die Legitimationsmuster von Kultur selbst - ihre
Unhinterfragbarkeit, ihr gesellschaftliches Toleranzedikt, ihre
Autonomie - werden als sinnstiftendes Material der Firmenphilosophien
benutzt.[24] So wird der
Kulturbereich als Teil einer ökonomischen Omnipotenz deklariert,
die nun tatsächlich das von Grasskamp behauptete Machtvakuum des
staatlichen Verzichts auf kulturelle Repräsentanz ausfüllen möchte,
und zwar in der Politisierung des Unternehmens als nationaler Kulturträger.
Die Simplizität des Sylogismusses ist dabei unübetroffen: ‘Wenn
Sie in irgendeinem Land den Stern (gemeint ist Mercedes) präsentieren,
dann gilt das als ein Produkt höchster deutscher Qualität und zugleich
als ein Stück Wirtschaftskultur. Und damit Kultur aus Deutschland.’[25]
3. Partizipationskonzepte
In diesem Kontext wäre es eine falsche Polarisierung, Kritik künstlerischen
Einzelposition anzulasten, wo diese doch oft untrennbar mit kuratorischen,
finanziellen und feuilletonistischen Funktionsapparaten verbunden
sind.[26]
1997 baute Rikrit Tiravanija sein Apartment aus New York in den
Kölner Kunstverein nach und bestimmte, daß diese Räume 24 Stunden
geöffnet bleiben sollten. Diese Situation wurde vom Leiter des Kunstvereins
mit demselben konsumkritischen Gestus der linker Kunstkritik annonciert,
wie wir ihn oben beschrieben haben: ‘... in einer Zeit, in der Überproduktion
und Konsumzwang sich längst auch der Kunst bemächtigt hat,... bezieht
sich Tiravanija ... bewußt auf das, was über jede Sinnfrage erhaben
ist, weil es ganz einfach auf menschliche Grundbedürfnisse rekurriert
wie Essen, Trinken, Schlafen, Reden.’[27]
Diese Art von Bedürfnislosigkeit wird allerdings nach der großen
Renditephase der Massenproduktion von Konsumgütern aufgeführt; sie
verhält sich opportun zu dem Yuppi-Purismus der ‘neuen Bescheidenheit’
und der Tolerierung eines neuen Sozialgefälles. Gleichzeitig
tritt sie in einer Geste eines ZUR VERFÜGUNG STELLENs von Raum und
Aufenthaltsmöglichkeit auf und vertuscht die institutionellen Bedingungen,
unter denen dies geschieht Das wäre so etwas wie die Vorspiegelung
falscher Tatsachen unter künstlerischem Deckmantel.
Im Apartment im Kunstverein werden die BesucherInnen zwangsläufig
als Bestandteile des künstlerischen Konzeptes inkorporiert: ‘Was
machen die Menschen aus seinem Kunstwerk? Wie werden sie es im Sinne
von work in progress weiterentwickeln? ... ein unbekannter Kölner
Künstler ist regelmäßig fünf Stunden anwesend ... und in dem Kühlschrank
der Wohnung bewahrt er eine Steinstulle auf... Ein Obdachloser...
, warf diesen Stein in kontrollierter Wut auf die Straße, als ihm
die Bitte nach etwas zum Essen nicht erfüllt wurde’.[28] Die Ausstellung resultierte aus einem Finanzierungskonzept[29], in dem die Kölner Central-Versicherung den Aufenthalt
des Künstlers in der Stadt für ein halbes Jahr sponserte. Die Sponsoringgeber
betonten, daß es ihnen nicht mehr im Erwerb von Kunstprodukten ginge,
sondern um die Übertragbarkeit von Kunst selbst auf die Philosophie
des Unternehmens[30].
Diese Exkurse zeigen einige Aspekte der gegenseitigen Inanspruchnahme
kultureller und wirtschaftlicher Selbstverständnisse auf, die für
die 90er Jahre exemplarisch sind. Für beide Bereiche bilden die
sozialen Utopien und künstlerischen Konzepte der 60er und 70er Jahre
die historische Ressource ihrer Aneignungen. Es fällt leicht, nun
zu unterstellen, jede Progressivität würde die nächst fortgeschrittene
Phase des Kapitalismus mit vorbereiten, sich dabei zurückzulehnen
und die Hände melancholisch, aber immerklug über den Bauch zu falten.
Das hieße aber, die jeweiligen Zugriffsberechtigungen auf der falschen
Seite zu subjektivieren. Eine Seite, die sich immer wieder darin
verachtenswürdig erweist, daß sie sich ihren geistigen ‘Content’
stets nur rauben kann.
...
die 80er und 90er Jahre, vor allem die letzteren: Berliner Branding
Politik, der Wettbewerb der Kulturereignisse, BDI, Phillip Morris,
Siemens Kultur-Programm, Gegenbewegungen und letztendlicher Sieg,
dank Berlin, den Investoren und der Devotheitspolitik. Das ganze
wie aus dem Flugzeug betrachtet...’
Das Flugzeug, aus dem wir nun die weitere Entwicklung von ‘Sponsoring’/Corporate
Identity Strategien und neoliberaler Kultur betrachten werden, bewegt
sich - dem Föderalismus verpflichtet oder angelehnt an die TV-Simulation
der Wettervorhersage - über drei Städte hinweg, deren Kulturpolitik
symptomatisch die Entwicklungen der beiden letzten Dekaden abbildet.
Wir starten in Köln, dem Vorbild aller kulturambitionierten Stadtverwaltungen.[31]
..Köln...
Köln hatte bereits in den 60er Jahren mit dem Wechsel der internationalen
Orientierungspunkte und Kunstbörsen von Paris nach New York die
führende Position als Kunstmarktstandort von Düsseldorf übernommen
und bildete im achsialen USA-Bezug die politischen und kulturellen
Hegemonieverhältnissen exakt ab. Der eigentliche Boom begann erst
in den 80er Jahren mit dem Export neoexpressionistischer deutscher
Malerei in die USA und setzte sich fort mit KünstlerInnen aus den
Klassen der Kunstakademie Düsseldorf. Die Produktion von BRD-Kunst
in Düsseldorf und der Vertrieb in Köln waren als ‘rheinisches Modell’
das Vorbild aller KulturplanerInnen.
Es tauchte sogar noch als Bezugspunkt von BritPop im Sensation
Katalog auf und ist teilweise noch immer ein Vorbild für Postgraduierten
Programme. Von den älteren Kölner GaleristInnen wurde dies jedoch
damals mit Argwohn beobachtet, ‘...daß Firmen und Privatleute sich
Images aufbauen können, dadurch daß sie sich mit Kultur umgeben.
Selbst in der Politik hat man erkannt: Wenn ich mich auf dem Feld
der Kultur engagiere, dann kann ich was werden, und zwar mit ...dem
Bau eines neuen repräsentativen Museums und der damit verbundenen
Form, das Museum erfolgreich zu machen. ... Die Entwicklung der
60er und auch der 70er Jahre besonders in der Politik war ja eine
Befreiung von vielen Schranken und Tabus. ... Die Angst vor der
Avantgarde beginnt da, wo der politische Konservativismus anfängt.
In einer Zeit, in der man mehr darüber nachdenkt, wo man mit dem
Schlips abends ausgeht und gut ißt,..., wo vorgemacht wird, wie
sauber, wie gelackt die Fassade des Lebens ist, da entsteht natürlich
die Postmoderne. Man bewahrt jetzt alles. Schauen Sie die ganze
Abtreibungs-Debatte an: Ein Problem, das eigentlich schon in den
60er Jahren gelöst worden ist, wird jetzt wieder in solch einer
Art und Weise diskutiert, daß ganze Gesellschaftsschichten einfach
in Misskredit kommen. Aus diesem Konservativismus entsteht dann
auch leicht der Faschismus. Das ist dieses Bewahren und das ist,
was die 80er Jahre gewesen sind - eine total konservative Gesellschaft.
Das hat auch mit den neuen Gründerjahren zu tun.’[32] Das Zitat macht deutlich, daß es ökonomistisch wäre, würde
man diesen gesellschaftlichen Bedeutungswandel von bildender Kunst
ausschließlich innerhalb der zeitgleichen ökonomischen Verschiebungen
lesen- die Liberalisierung der Finanzmärkte, die Unrentabilität
der Massenproduktion und die Entstehung von ‘Markenimages’, der
erste Boom der Dienstleistungsunternehmen besonders in der Kommunikationsbranche,
die Spekulationseuphorie der Trump-Ära. (Der ‘Hunger nach Bildern’
war der Abbau der politisch und sozial engagierten Kunst der 70er.)
Jedenfalls ist selten eine solche Popularität in bezug auf bildende
Kunst erreicht worden, was aber auch mit einer gewissen Form von
inhaltlicher Verschiebung eines zuvor anders distinguierten Bereichs
einher ging. Vielleicht ist auch eine Form von Befriedigung damit
verbunden, einen kulturellen Wert nun als kapitalisierende Wertanlage
zu betrachten, wie es das junge städtische Bürgertum tat, wobei
die Rede von ‘Kunst als Wertanlage’ in vielen Fällen ökonomisch
genau so irrelevant war, wie es der jetzige Hype von Sponsoring
ist, und auch hier eher gesellschaftliche Zugriffsberechtigungen
klären und demonstrieren sollte. Diese Rhetorik weist gerade und
trotz der Museumsbauten, der Artconsulter und der phantastischen
Preiskurven auf einen Verlust an der Zubilligung von gesellschaftlicher
Bedeutung von Kunst hin, in dem Sinne, daß ihr keine autonome Position
gegenüber der Ökonomie mehr zugestanden wird.[33] Die vorerst letzte größere konzertierte Aktion von Kölner
Galerien fand 1990 statt und hieß ‘The Köln Show’ mit dem Untertitel
‘Nachschub’, ein Euphemismus, der die Stillung einer anscheinend
drängenden Nachfrage suggerieren sollte. Kurz zuvor hatte Paul Maenz,
einer der frühen Initiatoren der Kölner Kunstbooms, seine Galerie
geschlossen - einerseits mit der Rhetorik eines Überdrusses an der
Popularität, die er selbst mit hervorgerufen hatte. Andererseits
wusste er genau, daß SEINE Zeit abgelaufen war.,. Zwei Jahre nach
‘The Köln Show’ kursierte das Gerücht, daß die Stadtverwaltung in
Erwägung zöge, erhaltungswürdige, aber kurz vor der Pleite stehende
Galerien zu unterstützen, um die Kölner Galerienkultur vor dem Zusammenbruch
zu retten. So sehr war die Galerieszene zum integralen Bestandteil
der städtischen Öffentlichkeit geworden. So parallel floppte die
Rhetorik von Kunst als Kapitalanlage zur Baisse der ersten großen
Welle der Spekulationsgewinne nach dem 2.Weltkrieg.
Frankfurt.........?? - ‘Geht Kultur absichtlich?’[34]
So beispielhaft Frankfurt für den Museumsboom der 80er Jahre war,
so einschneidend waren die Einschränkungen der Etats zu Beginn der
90er Jahre. Zu fragen bleibt, wie und ob das Projekt: Aus-einer-Stadt-eine-Kulturmetropole-machen,
überhaupt realisierbar ist, ob in dieser Machbarkeitsphantasie eine
grundsätzliche Parallele zwischen Kultur- und Konzernmanagement
liegt und welche Haltung dabei die in den Häusern angestellten Kulturfunktionäre
einnehmen? Es stellte sich in manchen Fällen heraus, daß den Kulturfunktionären
die Herkunft und die damit verbunden Konditionen des Geldes gleichgültig
sind, solange sie in ihrer Funktion bestätigt bleiben.
Bereits in den 70er Jahren hatte die CDU Regierung die ersten Pläne
zu einer groß angelegten Kultivierung der Frankfurter Innenstadt
entworfen. Ein postmodernes Rekonstruktionsbedürfnis von ‘Stadt’,
um in dem Drill der Arbeitsschichten, der Kasernierung in Schlaf-
und Produktionsquartiere so etwas wie städtisches Leben zu simulieren.
In dieser Simulation wurde Kultur die wichtige Rolle als Animateur
übertragen, innerhalb dessen die oben beschriebene bundesrepublikanische
Ethik von ‘Kultur für Alle’[35] integriert werden konnte. Frankfurt war eines der ersten
Beispiele, in denen die Attraktionen von Stadt in einem solchen
Konglomerat von restaurativen Klischees verstanden wurde, die anstelle
der fordistischen Moderne traten: der neuaufgebaute Marktplatz mit
Fachwerkhäusern, die rekonstruierte Alte Oper, das Museumsufer u.a.
mit dem Post-, dem Kunstgewerbe-, dem Architekturmuseum; es folgten
die Kunsthalle Schirn und das Museum für moderne Kunst, das zu Beginn
der 90er eröffnet wurde. Daß diese Kultivierung vor allem von der
Stadtplanung aus gedacht war, wird deutlich, wenn zu Beginn der
90er zwar die Bauten weiter unterhalten, aber die Ankaufsetats und
die Stellen für alle Museen drastisch gekürzt werden.
Vielleicht muß diese Herstellung von Stadtimage parallel gelesen
werden zu der Entwicklung des Corporate Collecting der Deutschen
Bank, die die Etagen ihrer Tower nach den dort präsenten KünstlerInnen
benannte. Jedenfalls werden nun im Vergleich der Deutschen Bank,
die in den 80er Jahren in die wichtigste Sammlerposition innerhalb
des Bundesgebietes innehatte, zu von ihr in der Bedeutung abgelösten
Sammlungen Ludwig die Unterschiede deutlich. Sie liegen in der Korporativität.
Während Ludwig Bezüge zu seinem Süßwarenunternehmen höchstens als
Beweis seiner Liberalität präsentierte - z.B. die Schokoladenbüste
von Jeff Koons -, tritt nun keine Person, sondern ein Konzern als
Sammler auf. Um das Image der Bank als Kunstsammler zu etablieren,
braucht die Sammlung jedoch keiner Öffentlichkeit mehr zur Schau
gestellt zu werden. Vielmehr genügt die Ankauftätigkeit, wobei das
Image der Bank als Wertestabilisierung nach beiden Seiten wirkt
- einerseits ist für existenzpanische KünstlerInnen die Präsenz
in der Sammlung ein absolutes ‘Must’. Dies bestätigt andererseits
die traditionelle wertestabilisierende Rolle einer Bank. Diese Art
des Corporate Collecting wird in den 80er Jahren von vielen Konzernen
übernommen.
Ein wichtiges Initial für die bundesdeutsche Diskussion um Sponsoring
zu Beginn der 90er Jahre bildete die kuratorische Praxis von Jean
Christophe Ammann, der sowohl als Leiter des Museum für Moderne
Kunst in Frankfurt als auch als Kurator des deutschen Beitrags der
Biennale in Venedig 1995 übertriebenen Wert auf die Sichtbarkeit
der Sponsoren und privatwirtschaftlichen Joint Ventures zu legen
schien. Spektakulär war die Vermietung des MMK für eine Modenschau
an Lagerfeld oder die Anbringung einer Tafel für den Sponsor Hugo
Boss an die Fassade des Deutschen Pavillons in Venedig. Ammanns
Begründung für dieses demonstrative ‘Fundraising’ fiel ambivalent
aus. So sehr damit eine deutliche Anklage gegenüber der Stadt Frankfurt
verbunden war, so affirmativ bezog sich Ammann auf die Möglichkeit
zumindest zeitweise ‘Teil der Philosophie eines Unternehmens zu
werden’, eine Ansicht, die er in zahlreichen Interviews und Debatten
vertrat. ‘Wir sind nicht in Amerika, wo die Steuersätze beträchtlich
niedriger liegen als in Deutschland... und deshalb ist es mir ein
so großes Anliegen, daß die Mittel, die Unternehmen für uns ausgeben,
... als Betriebsausgaben ... abgeschrieben werden können. Dies bedeutet,
daß Unternehmen uns auch als ‘Werbeträger’ verstärkt entdecken...
Sie engagieren sich mit uns, als Teil ihrer Unternehmensphilosophie.
Sie treten ein für das Museum als kollektives Gedächtnis und für
dessen Werke als Teil der kollektiven Biographie.’[36] Sowohl in der Anklage der kommunalen/staatlichen als auch
in der Affirmation der privatwirtschaftlichen Finanziers offenbaren
sich in all Überzogenheit die Argumentationsfiguren, die viele Sponsoring-Diskussionen
der folgenden Jahre immer wieder in derselben Weise polarisieren
sollten: z.B. Staatsgeld versus privates Geld (wobei Sponsoring-Skeptikern
unterstellt wurde, sie würden Staatsgeld das Attribut ‘sauber’ und
privatem Geld das Attribut ‘schmutzig’ zuordnen)[37], amerikanische versus europäische Finanzierung (woran sich pauschale
Beurteilungen von Sozialausgaben bis zu Besteuerung anknüpften).
Insgesamt ist an diesen Debatten beobachtbar, wie einerseits das
bundesrepublikanische Ethos der kulturellen Grundversorgung betont
wird, jedoch andererseits unter dem im übrigen nie angezweifelten
Gebot der staatlichen Geldknappheit alle anderen gesellschaftlichen
Bereiche einer Art Betriebsprüfungs-Rhetorik unterzogen werden.
Diese Rhetorik wird gespeist von den neoliberalen Effizienzkriterien,
die zu Beginn der 90er Jahre auch den Staat und dessen Administration
beeinflußten, die hohe Staatsquote beklagen, Verschlankung und Dienstleistungsbereitschaft
fordern etc.: ‘Es gibt so viele karitative Vereine, die ihre Karten
nicht aufdecken müssen gegenüber dem Staat, und das wird auch der
nächste Punkt sein in der Bundesrepublik Deutschland. Da überschneiden
sich ungeheuer viele Aufgaben, verselbständigten sich Mechanismen.
Das kommt als nächstes auf den Tisch.’[38]
Vielleicht ist das Interessanteste an dem Symptom Ammann, daß sich
tatsächlich Staatsanklage, Besitzstandswahrung, Eifersucht auf andere
Staatsquotenempfänger seltsam mischen mit einem affirmativen Verständnis
zu dem Corporate Identity Strategien der neuen Unternehmen, das
aber gegenüber der Tragweite dieser neuen Selbstverständnisse kaum
Sensibilität zeigte. So stellte das MMK die ersten Bennetton-Plakate
aus: ‘Das ist nicht Zynismus, sondern Oliviero Toscani ist ein Moralist.’.
(ebd.) Vergleicht man/frau die großen Porträts von Thomas Ruff im
ersten Raum des MMK mit der US-Todeskandidaten-PR-Aktion Bennettons,
die aktuell im MMK präsentiert sind, kann diese Affinität verständlich
werden, weil sich Bennetton der entleerten, aber populären Gesten
der 80er Kunst bedient, um sie mit dem strategischen Sinn des Unternehmens
zu füllen. Zwischen Frankfurt und Berlin werden wir die Flugzeit
nutzen, um einem Exkurs in bezug auf diese neue Sinnproduktion des
postfordistischen Unternehmens anzustellen.
_____________Fortsetzung
Teil 2 >
Fussnoten:
[1] Ludger Hünnekens, Kultursponsoring - Bilanz einer Zweckgemeinschaft,
S. 22, in Musikforum 34. Jahrgang, Heft 88, Juni 1998, hg. Deutscher
Musikrat. Im Gegensatz zu den eher zögerlichen realen Investitionen
wird meistens das Meinungsbild zu Sponsoring positiv dargestellt.
So geben in einer diesjährigen Umfrage zwei Drittel der befragten
Unternehmen an, sie setzten Sponsoring als Werbemaßnahme ein, davon
für Sport 44,8% und für Kultur 24,9 % des Sponsoringbudgets, drei
Viertel glauben, daß die Bedeutung von ‘Below-the-line-Kommunikation’
zunehmen wird. (2 Evaluation der Fakultät für Wirtschafts- und Organisationswissenschaften,
Universität der Bundeswehr, 2000, München), Diese Meinungsbilder
- geschützt durch die angebliche Objektivität der Evaluationen -
gehören zu der Technik der Self-fullfilling prophecies betriebswirtschaftlicher
und kulturökonomischer Trends, in denen sich oft eher Ideologien
als Fakten ablesen lassen.
[2] Dispositive der Macht, Michel Foucault über Sexualität,
Wissen und Wahrheit, hg. Merve Verlag, Berlin 1978
[3] Die Überschriften sind zitiert aus einer Email Stephan
Dillemuth an Alice Creischer und Andreas Siekmann vom 6. Mai 2000
[4] Ordo-Liberalismus ist das ideologische Programm der CDU
gewesen und wurde stark von Kirchenkreisen mitunterstützt. Im Gegensatz
zur Frankfurter Schule vertrat er die Überzeugung, daß Faschismus
nicht die logische Folge des Kapitalismus ist, sondern eine Folge
des Fehlens von Marktwirtschaft. Die Frage des Entstehen von Faschismus
war die zentrale Kategorie jeder damaligen ökonomischen und politischen
Theorie.
[5] vgl: Thomas Lemke, Eine Kritik der politischen Vernunft,
Hamburg 1997, S. 244ff
[6] vgl.: Serge Guillbaut: Wie New York die Idee der modernen
Kunst gestohlen hat, Dresden/Basel 1997
[7] vgl.: Jutta Held: Kunst und Kunstpolitik in Deutschland
1946-49, Berlin 1991
[8] Sehr einflussreich ist die Polemik (Verlust der Mitte)
des Salzburger Kulturwissenschaftlers Hans Sedlmayr gewesen, die
1950 ein breites Forum in den ‘ersten Darmstädter Gesprächen’ fand.
Unter dem Motto: Das Menschenbild unserer Zeit wurde abstrakter
Expressionismus versus Realismus diskutiert. Die Diskussion fand
in einem aufgeladenen Feld von Ressentiments gegenüber den jeweiligen
Besatzungen, versteckten Revanchismus, Proamerikanismus oder Neutralitätsbestrebungen
statt.
[9] So stellt sich im Bereich der bildenden Kunst nicht nur
eine Öffentlichkeit (Markt) sondern auch ein Subjekt her, das exemplarisch
die Ethik des Unternehmers vertritt. Unternehmer ist - diese Basis
der bürgerlichen Ökonomie schließt sich mit Ästhetik der bürgerlichen
Existenz kurz - wer sich selbst als Geld/Vermögen innehat. ‘die
Kunsthistorikerin Svetlana Alpers zielt in ihrem Buch `Rembrandt
als Unternehmer` ...auf die Vorstellung des `Eigentümer` seiner
selbst, als der Rembrandt sich ... herstellt. Er habe sich zu einem
Unternehmer in Sachen selbst gemacht, eines selbst, das er in Ware
verwandelt.’ Dies geschieht durch die Loslösung vom Auftragwesen,
die Organisation des Sinns der Kunstwerkes durch das Künstlersubjekt
selbst, der strategische Umgang mit dem Marktwert durch gezielte
Schuldschein Zirkulation, vgl. Stefan Geene, MAiD, money aided ich-design,
Berlin 1998, S. 34
[10] ‘Wir müssen betonen, daß wir im öffentlichen Raum operieren,
auch wenn wir eine minoritäre Position vertreten. Die Grundversorgung
(mit Kultur) muß erfüllt sein.... Hinzu kommt, daß in der Bundesrepuplik
ein gesellschaftlich traumatisches Verhältnis zum Vorgängerstaat
besteht, in dem die moderne Kunst, als Staatsfeind Nummer 1, eine
symbolische Bedeutung eingenommen hatte.’ Kasper König, in Handkäs’
mit Musik, unautorisierte Aufzeichnung eines Interviews mit J.C.
Ammann, K. König, M. Winzen, M.L. Lienhardt, H. Schneebeli, Frankfurt
a.M. 1995, in ÖkonoMiese machen
[11] Walter Grasskamp: Die unästhetische Demokratie, München
1992
[12] ebd S, 41
[13] Dieter Hoffmann-Axthelm, Theorie der künstlerischen
Arbeit. Eine Untersuchung zur Lage der bildenden Kunst in den kapitalistischen
Ländern, Ffm. 1974/Hans Heinz Holz: Vom Kunstwerk zur Ware. Studien
zur Funktion des ästhetischen Gegenstandes im Spätkapitalismus,
Darmstadt/Neuwied 1972/Martin Damus, Funktionen der bildenden Kunst
im Spätkapitalismus, Ffm. 1973 vorgestellt und kritisiert von Justin
Hoffmann/Alice Creischer in: Identitätszelebrierung..., ÖkonoMiese
machen, der Reader zu Messe 2ok, hg. Alice Creischer, Dierk Schmidt,
Andreas Siekmann, Berlin/Amsterdam 1996
[14] Martin Damus, zitiert in: Creischer/Hoffmann, ebd.
[15] Geiselhardt, zitiert nach Ludger Hünnekens, a.a.O.,
S. 21 - z.B. junge Frauen zwischen 16 und 23 Jahren ohne Arbeitsrechte
für 1 Dollar die Stunde zur Mikroteilchen-Montage anzustellen, wie
Philips, Siemens, Nokia, Daimlerchrysler, Toshiba, ITT und viele
andere mehr ‘Als die USA 1964 das Bracero-Programm strich, setzte
sie damit mehr als 200 000 mexikanische Landarbeiter ... schlagartig
an die Grenze... Die plötzlich massive Anzahl Arbeitsloser führte
... (dazu, daß) die mexikanische Regierung bereit war, dem Plan
für eine zollfreie Zone... beizustimmen, in der ausländische Firmen
ihre Montagefabriken errichten konnten.’ Ursula Biemann, Free Zone
Plan, in been there and back to nowhere, Geschlecht in transnationalen
Orten, Berlin 2000
[16] Lemke, a.a.O., 247/248
[17] ebd.
[18] Donzelot, zitiert in Lemke, S. 256 a.a.O.
[19] Ein Beispiel sind die runden Tische für ein gemeinsames
Programm gegen Arbeitslosigkeit, die die Kohl-Regierung zu Beginn
der 90er mit Vertretern der Industrie veranstaltete. Diese Treffen
blieben ergebnislos, während die sogenannten ‘Fortschritte’ der
SPD-Regierung nur durch die Preisgabe ihres ‘sozialistischen’ Restprogramms
erzielt wurde
[20] Dezember 1996, Kulturbrauerei Berlin, organisiert von
Gabriele Muschter (Kulturbrauerei Berlin), Rupert Graf Strachwitz
(Mäcenata GmbH, München) und Dirk Wagener (Marketingdirektor der
Dresdner Musikfestspiele). U.a. mit Vertretern der Unternehmen Siemens,
Daimler Benz, Bertelsmann, der Philipp Holzmann AG und des Ostdeutschen
Sparkassenverbandes, Peter Raue, (Vorsitzender der Freunde der
Nationalgalerie Berlin), Volker Hassemer, Geschäftsführer der Partner-für-Berlin
PR GmbH, Dirk Baecker, Universität Witten Herdecke, Niklas Luhmann
[21] Pressetext, Unternehmen Kultur/Kultur Unternehmen, Kulturbrauerei
Berlin, Dezember 1996
[22] beide ‘Seminare’ offerierten einen Theoriemix aus Ästhetik,
Ethnologie, behaviouristischer Psychologie, der repräsentativ für
die Fülle der zeitgenössischen Managementliteratur der frühen 90er
Jahre stehen kann. Im Nachhinein scheint diese Literatur wie eine
Art Sublimierung zu sein für jene Atemlosigkeit der Firmenumstrukturierungen,
jene Existenzpanik, die die Rationalisierung fordistischer Personalhierarchien
hervorrief, jener verschärften Konkurrenzsituation des unter Kündigungsdrohung
stehenden Abteilungsleiterpersonals. So ist diese Literatur ein
exaktes Psychogramm von Existenzangst, Autoritätssuche und Ideologiefindung,
die sich unschwer mit der Literatur anderer Selbsthilfen und Ratgeber
vergleichen lässt. vgl. Katja Reichard, Soziosound, in Messe 2ok
a.a.O
[23] ein Begriff, der in den 70er Jahren von Joseph Beuys
eingesetzt wurde, um Kunst als Austragungsfeld politischer Aussagen
zu rehabilitieren und zugleich eine Demokratisierung des Zugangs
zum Kunststudium zu fordern, die die Kündigung seiner Professur
zu Folge hatte.
[24] ‘Die Kultivierung der Wirtschaft fordert von der Unternehmung
den Willen, kulturschöpferisch tätig zu sein. Der Unternehmer muß
den Willen haben, in Kooperation mit seinen Mitarbeitern aus dem
Unternehmen so etwas wie ein Gesamtkunstwerk zu machen’ 75, Peter
Koslowsky, der homo ökonomicus, in Wirtschaftsethische Perspektiven,
Hg. Hans G. Nutzinger, Berlin 1994.25
[25] O-Ton: Vortrag: Unternehmenskultur im Globalisierungsprozess,
Matthias Kleinert, DaimlerBenz, Stuttgart
[26] (weitere Fallbeschreibungen zu den Parallelen zwischen
postfordistischer Ökonomie-Ideologie und Ambient Art in: Alice Creischer/Andreas
Siekmann: Reformmodelle, Springer, Frühjahr 1997
[27] Udo Kittelmann, Pressemiteilung zur Ausstellung Tomorrow
is another day, Kölner Kunstverein, 1997
[28] Jürgen Kister, Kölner Stadtanzeiger, 3.1.97
[29] der ungefähre Tenor der öffentlichen Darstellung der
Versicherungsgesellschaft anlässlich der Preisverleihung:
Der Verkauf einer Police ist für unsere Mitarbeiter genauso abstrakt
wie die Kunst, deshalb ist die Situation, das Gespräch entscheidend
für den Verkauf von Versicherungspolicen etc.
[30] vor allem ein Kommentar zu Siemens Kulturprogramm lockt
uns gar nicht, da wir zu oft darüber debattiert haben, hierzu vgl.
Das Kapitel: Sonntag, in ÖkonoMiese machen, a.a.O./Dierk Schmidt:
Sponsorenstress, in ANYP, Nr. 9, 1999, Berlin/Soziales Plastik -
ein Gespräch mit Alice Creischer, Holger Kube Ventura, Andreas Siekmann,
Dierk Schmidt, Ingo Vetter, Annette Weisser:, ebd.)
[31] Rolf Ricke in: Alice Creischer: State of Confidence,
Interviews zu Kunst und Ökonomie, Düsseldorf 1994
[32] ‘Als ich 1968 in Luzern angefangen habe, war die Kunst
noch viel stärker am Rande der Gesellschaft. Heute befindet sie
sich mitten unter uns. Die Menschen, die in den Unternehmen tätig
sind, gucken sich heute in verstärktem Maß Ausstellungen an. Die
Menschen sind das höchstes Kapital eines Unternehmens. Deshalb glaube
ich, daß die Unternehmen wissen, daß sie etwas für ihre Mitarbeiter
tun müssen, im Sinne ihrer Motivation und ihrer Eigenkompetenz,
und daß die Kunst der einzige intakte Steinbruch ist, wo man sich
Ideen dazu holen kann.’ (ebd.)
[33] Stephan Geene in einer Diskussion in der Shedhalle mit
Sabine Grimm und Diedrich Diedrichsen, in Natur TM, Shedhalle Zürich
1995
[34] So der Titel der programmatischen Schrift des damaligen
Frankfurter Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann/Zugleich professionalisierte
Frankfurt seine städtische Kunsthochschule durch die gezielte Neubesetzung
von Professuren und initiierte gegen Ende der 80er Jahre den Frankfurter
Kunstmarkt.
[35] Jean-Christophe Ammann: Schöpferische Allianz, Frankfurter
Allgemeine Zeitung, Dienstag 24. 10.1995; der Artikel war eine sehr
polemische Entgegnung zu Hans Haackes vorhergehender Warnung gegenüber
den Abhängigkeiten des Sponsoring in Museen
[36] z.B. Daniel Cohn Bendit in: Kunst in der Demokratie
Mousonturm, Frankfurt -Diskussion u.a. mit Diederich Diedrichsen,
Alice Creischer, Andreas Siekmann, Ludger Hünnekens, Daniel Cohn
Bendit, Oktober 1998
[37] Jean Christophe Ammann in: Handkäs` mit Musik, ÖkonoMiese
machen, a.a.O.
[38] Mauricio Lazzarato, Benneton und Berlusconi, in: Die
Beute, 2/95 - Zugleich boten die Diskussionen der italienischen
Theoretiker Lazzarato, Negri u.a., die in der Tradition der Operaisten
standen, eine Alternative zu der konventionellen marxistischen Ökonomiekritik,
in der der Arbeitsbegriff immer noch die zentrale Kategorie der
Mehrwertproduktion war, eine These, die angesichts der Divergenz
zwischen Arbeitslosenzahlen und Renditekurven immer unhaltbharer
wird - vgl. hierzu die fortlaufende Diskussion zum ‘Ende der Arbeit’,
Jungle World, 1. Hälfte 2000
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