Exkurs: Politische Unternehmen
1995 publizierte die Zeitschrift ‘Die Beute’ einen Essay von Mauricio
Lazzarato zu Benneton und Berlusconi, der sich als sehr einflußreich
für die Diskussionen in sponsoring-skeptischen Kunstkreisen erwies,
weil in ihm die dominante Rolle kulturelle Techniken in den neuen
postfordistischen Unternehmensstrategien betont wurde, wo: . ‘...
sich ästhetisch begründete Entscheidungen über bestimmte Darstellungsformen
mit politischen und öffentlichkeits-strategischen Überlegungen’ verbinden[39] Lazzarato wies am Beispiel Bennetton und Berlusconi
nach, daß sich ein neuer Typ des politischen Unternehmers herausbildet,
der nach der Produktion von Mehrwert nun Sinn herstellt (das ist auch
ein Mehrwert) und öffentliche Bereiche für sich emotionalisieren,
politisieren kann. Die ‘raison d´etre der Produktion des postfordistischen
Unternehmens’ läge ‘nicht so sehr in der Steigerung des Absatzes als
vielmehr in der Produktion von Subjektivität’, die sich ‘dem politischen
Handeln immer mehr angleicht.’ Benetton hatte als eine der ersten
Firmen die zentralisierte Produktion von Kleidung aufgegeben um durch
Verteilung der Produktion auf kleine, selbstständige und vom Auftraggeber
vollkommen abhängige Betriebe flexibler auf aktuelle Konjunkturen
und Moden reagieren zu können. Benetton ist ein Unternehmen ‘...ohne
Arbeiter, ohne Fabriken, ohne Distributionsnetz. ... Der Mehrwert
resultiert aus der Leitung und Kontrolle von Strömen, vor allem von
finanziellen und kommunikativen Strömen.’ (ebd.) Denn die Kommunikations-
und Administrationsapparate, die diese dezentralisierte Produktion
managen, müssen optimal funktionieren, ebenso wie die im Franchising
System organisierten Ladenketten über ein signifikantes Image verfügen
müssen, das über die Verknüpfung der Marke mit politischen Schlüsselreizen
funktioniert. Die PR-Aktionen von Bennetton bildeten die populärste
Nahtstelle einer Unternehmens-Avantgarde zu neuen künstlerischen und
kunstinstitutionellen Selbstverständnissen. ‘Bennetton ist eine Maschine
des Branding und der Markenbildung in bezug auf die Produktion anderer,
und die Deckung dieses Labels ist eine spezifische Form von Öffentlichkeitsarbeit,
die mit Emotionalisierung durch soziale, ethnische und politische
Klischees arbeitet: das Subjekt, das Bennetton trägt, hat dasselbe
andächtige Verhältnis zu der multikulturellen Schicksalshaftigkeit
der Katastrophen dieser Welt, wie die potentiellen Sammler und ‘betroffenen’
Verehrer von Douglas Gordons Videoinstallationen von Psychiatrieinsassen.’[40]
Andererseits trafen die Gründe für diese Formen der Imageproduktion
auch sehr genau auf Sponsoring als neue Unternehmenstrategie zu. Dies
belegt ein Auszug aus einem juristischen Fachartikel zum Thema: ‘In
der heutigen, durch ein wachsendes Güterangebot, kürzere Lebenszyklen
der Güter, die Internationalisierung der Märkte, sowie ein ständiges
Ansteigen der Informationsfluss gekennzeichneten Überflussgesellschaft
kommt der Kommunikationspolitik als einem Teil des Marketings der
Unternehmen ein sehr hoher Stellenwert zu... Die Marktsituation gestaltet
sich jedoch zunehmend schwieriger, weil das immer größere Informationsangebot
zu einer Überlastung der Informationsempfänger führt... Phänomene
wie das Wegschalten von TV- und Hörfunkprogrammen bei Beginn der Werbung
(engl. Zapping) sowie die systematische Verweigerung von Wahrnehmung
von Werbebotschaften sind bekannt. Als Reaktion auf die erkannte...
Ineffizienz der Kommunikationspolitik ... entwickelte die Marketingpraxis
Sponsoring.. als ein neues Mittel der Kommunikationspolitik... Aus
der Sicht von Wirtschaftsunternehmen lassen sich die Vorteile des
Sponsoring wie folgt zusammenfassen: Es spricht Zielgruppen in nichtkommerziellen
Umgebungen an... Die Verweigerungshaltung mancher Zielgruppen ...
ist hierdurch weniger ausgeprägt... Das Image und der Aufmerksamkeitswert
von Sport, Kultur, sozialem Engagement und Umwelt lassen sich unmittelbar
für die eigenen Zielvorstellungen nutzen. Sie sind positive Imageträger...
Mit Sponsoring kann Kommunikation zielgruppenspezifischer realisiert
werden. ... Mit Sponsoring können bestehende Kommunikationsbarrieren,
insbesondere bestehende Werbeverbote und -beschränkungen umgangen
werden. Außerdem kann Imagewerbung unter Umgehung des Gebots der Trennung
von Werbung und redaktionellem Teil im redaktionellen Teil der Medien
plaziert werden’[41]
Lazzaratos Behauptung, daß eben nicht der ökonomische Vorteil - Absatzsteigerung
- die Raison d`etre des kommunikationsstrategischen Unternehmens sei,
sondern der Anspruch auf politische Hegemonie, bestätigte sich in
vielen Konzepten im Umfeld des Begriffes Sponsoring noch einmal mehr:
z.B. Corporate Community Investment. Dieses Konzept spult das neoliberale
Ein mal Eins und die Hegemonieansprüche der Betriebswirtschaft so
exemplarisch ab, daß wir es hier ebenfalls sehr ausführlich zitieren:
‘1. Die positive Fortentwicklung unseres gesellschaftlichen Systems
ist davon abhängig, daß die Bürger das Handeln des Staates und seiner
übergroßen, schwer zu kontrollierenden Organe zunehmend zurückdrängen
und so viele Angelegenheiten wie möglich mit Hilfe unternehmerisch
geführter Organisationen wahrnehmen.
2. Bürger... sind zwar in erster Linie die natürlichen Personen, jedoch
tragen angesichts der Auswirkungen ihrer Tätigkeit, des dort akkumulierten
Know-hows ...auch juristische Personen eine besondere Bürgerverantwortung.
Der amerikanische Fachbegriff hierfür lautet corporate citizenship.
3. Wirtschaftsunternehmen haben... ein massives Interesse daran, als
gute korporative Bürger (good corporate citizens) angesehen zu werden,
weil nur dadurch die Märkte langfristig gesichert werden können...
4. Die Wirtschaft muß für eine rasche Entstaatlichung und Deregulierung
sorgen, da nur dadurch die Steuerlast gemindert und die bürokratischen
Einflußnahmen zurückgedrängt werden können.’[42]
Wieder muß betont werden, daß hier keine Rezeptur für die reale Verschwörung
von Unternehmen gegen den Staat vorliegt, sondern daß diese sehr überzogenen
Konzepte in ihrem Pseudopragmatismus eher Ideologien und Habiti abbilden.
Nachtrag: Geht Kultur absichtlich - 2000
In Flugzeugen gibt es manchmal Standortbewerbungsbroschüren, die das
‘Geht Kultur absichtlich’-Problem in einer aktuellen Version beantworten.
Dieser Nachtrag schließt noch einmal aktualisierend an den Museumsboom
in Frankfurt an und bietet einen konkurrierenden Vorgeschmack auf
die Kulturplanung Berlins: ‘Also - seit fast zwei Jahren arbeiten
die lokalen Planungsbehörden an einem Entwicklungskonzept... Nach
den Vorstellungen des Magistrats sollte auf dem östlichen Teil des
Areals ein Urban Entertainment Center (UEC) mit Musicaltheater, Großkino
und Shopping Mall entstehen... Die Stadtverwaltungen und Kommunalpolitiker
wiederum erhoffen sich von solchen Unterhaltungskomplexen eine Belebung
der Kernstadt ...Gerade als die Grundstückseigentümer sich anschickten,
die Verträge über eine Erweiterung der Messe und das bereits genehmigte
Urban Entertainment Center abzuschließen, preschte im Sommer 1999
die Deutsche Bank mit einem gigantischen Projekt nach vorne. ... Auf
dem ehemaligen Gleisvorfeld gedachte die Bank für mehr als sechs Milliarden
Mark einen neuen Stadtteil aus dem Boden zu stampfen, der neben einer
Mehrzweckhalle und einem Fußballstadion auch ein ‘Stadthaus’ mit Museen,
Theater und Kabarett sowie eine riesige Shopping Mall und sechs neue
Hochhäuser aufweisen sollte... Begründet wurde das ‘Messestadt-Projekt’
auch damit, daß man Frankfurt für qualifizierte Dienstleister aus
dem Ausland attraktiver machen müsse. Als internationale Finanzmetropole
sei die Stadt zwar anerkannt, doch fehle es an markanten urbanen Höhepunkten,
um wirklich einen Spitzenplatz in der Metropolenkonkurrenz einnehmen
zu können. Der für das Projekt verantwortliche Architekt Helmut Jahn
bezeichnete sein Konzept auch als einen ‘Container für die Gesellschaft
des 21. Jahrhunderts’, der Kultur, Dienstleistung und Wohnen zu einer
visionären Stadtform vereine.’
....Berlin...
Wir landen in Berlin und werden hier die Herstellung des Labels
Young Berlin Art verfolgen. Dabei proklamierten selbst die Funktionäre
des Labels in diesem Frühjahr, daß Young Berlin Art mittlerweile
ein `vorletzter Schrei` ist. Wir werden sehen, wie das neoliberale
Verständnis von Öffentlichkeitsherstellung als Marketingpraxis nun
von der staatlichen und privaten Seite aus in eine Form von modernem
Nationalismus übertragen wird.
Dies könnte kaum präziser gefaßt werden als in Malcolm McLaren`s
Beschreibung des Vorbildes des deutschen Standortlabels, Brit-Pop:
‘Today our culture can be summed up by these two words - Authenticity
and Karaoke ... Karaoke is mouthing the words of other people`s
songs, singing someone else`s lyrics … Life by proxy, liberated
by hindsight … Karaoke is the good clean fun for the millennial
nuclear family ... Here in ‘Cool Britannia’ where I live, everyone
is a celebrity because the nation (whatever it is) is such a star
that everyone who lives in it by implication is a star as well.
… Tony Blair, our Prime-Minister, knows this fact very well - he
is in essence the first Karaoke Prime Minister.’[43] Young Berlin Art kann nicht unabhängig von den gleichzeitigen
Image-Kampagnen der Berliner Investorenarchitekturen betrachtet
werden, deren Widmung, in den ‘Wiederaufbau’ der Hauptstadt zu investieren
- äquivalent zu der Größe der Projekte und zur skandalösen Preisgünstigkeit
der Grundstücke - an Lautheit zunahm.[44]
Dabei sind ‘Umbau’ oder das ‘neue Berlin’ zu gesellschaftlichen
Metabegriffen geworden, die sowohl die vereinigungsnationale Umschreibung
der getrennten deutsch/deutschen Geschichte, als auch neoliberale
Umstrukturierung von Unternehmen und Staat bedeuten können. Es ist
nicht von der Hand zu weisen, daß sich diese Metabegriffe und ihr
Ansatz auf die Diskussionen der neuen Rechten zu Beginn der 90er
in den Feuilletons von Spiegel, FAZ und Zeit stützen können, die
schon lange vorher im Historikerstreit[45] 1986 begonnen hatten und sich nun vom Glück der unverhofften
Aneignung dynamisiert fortsetzten bis hin zur Walser-Rede 1998,
deren Pendant in der Kunst in den Äußerung von Paul Maenz geliefert
wird: Er sei nicht mehr stolz darauf, sich zu schämen, ein Deutscher
zu sein[46].
Mit den speziellen historischen Standort-Emotionen der Stadt (Wiedervereinigung,
Kalter Krieg, Nazi-Thrill, 20er Jahre, Preussen-Schinkel-Klassizismus
etc.) wird in allen Kultur-PR-Apparaten der Stadt gehandelt. Doch
gerade an der Ähnlichkeit des Kommunikationsmanagments der Großbaustellen
und der Großausstellungen wird ablesbar, wie sehr sich in der ‘Produktion
von Hauptstadtidentität’ politische und Investoreninteressen verzahnen.
Eine Verzahnung, von der es falsch wäre zu behaupten, daß das Privatkapital
eine neutrale Staatsseite für seine Zwecke beeinflußt. Viel eher
geht es um einen Gesellschaftervertrag zwischen der neuen Generation
von Unternehmens-Bourgoisie (den Gewinnlern der Privatisierung)
und einem politischem Apparat (den Gewinnlern der Nationalisierung),
der sich unternehmens- und vereinigungsideologisch reformiert hat.
Wenn - wie im Exkurs zu Bennetton beschrieben wurde - die ‘Produktion
von Öffentlichkeit’ als die epochale Ablösung der Mehrwertbildung
vom klassischen Produktionsparadigma diskutiert wurde, muß dies
erweitert werden auf die Produktion eines Bewußtseins von Nation,
äquivalent zu den mehrwertbildenden Techniken des postfordistischen
Unternehmens durch das Labeln aller vorhandenen kulturellen Ressourcen.
Ausstellungen wie ‘Deutschlandbilder’, ‘Das XX. Jahrhundert’, die
Berlin Biennale oder ‘Children of Berlin’[47] arbeiten mit ‘Partner für Berlin, Gesellschaft für Hauptstadtmarketing
GmbH’ zusammen. Diese Gesellschaft entstand als Maßnahme zur ‘Neukonzeption
des Standortmarketing für Berlin’[48] Ihre Gesellschafter setzen sich aus Funktionären
des Kultursenats der Stadt, Medienkonzernen und Privatfirmen zusammen,
die in Berlins Immobiliengeschäft investiert haben - u.a. Daimler
Benz (debis), ABB, Siemens, die Bredero/Fundus/Haschtmanngruppe,
Roland Ernst, die Holtzbrinck-Verlagsgruppe. Berlin hätte ‘das
Potential eine von 50 power regions,’ zu werden, ‘wie z.B. Shanghai,
Atlanta, Südkorea, Silicon Valley’. Das Ziel von ‘Partner für Berlin’
sei: ‘daß die Öffentlichkeit in Deutschland positiv zur Hauptstadt
steht, daß das Investitionsklima für Berlin positiv wird..., daß
Berlin seinen alten Rang unter den Metropolen Europas und der Welt
wieder einnimmt.’[49] Diese Restaurationsabsicht benutzt als historische
Matrize meistens die 20er Jahre, die oft eine groteske Überdimensionalität
erfährt.
Obwohl in Berlin die Differenz zwischen ‘konservativen’ Institutionen
und junger Kunstszene gerne gepflegt wird, ist die Gleichheit des
Kommunikationsmarketings und der ‘Partner’ von ‘Young Berlin Art’
nicht übersehbar. ‘Berlin ist eine Stadt... die durch ihre geografische
Lage und jüngste politische Vergangenheit in aller Welt den Beginn
einer neuen politischen Weltordnung assoziiert.’[50] Als in diesem Tonfall 1998 die Berlin Biennale eröffnete,
geschah das zeitgleich zur art forum Kunstmesse und zur Ausstellung
Sensation im Hamburger Bahnhof; letztere markierte das Vorbild:
Britpop. Einen Tag später wurde der debis-Komplex am Potsdamer Platz
eingeweiht. Tags darauf wurde am Brandenburger Tor der Tag der deutschen
Einheit gefeiert und die Galerien veranstalteten ihre ‘konzertierte
Aktion’. Diese Terminpolitik der kulturellen Events auf Nationalfeiertage
wird sogar noch bei der Ausstellung Children of Berlin in New York
fortgesetzt: ‘Mit einer Reihe von Veranstaltungen präsentiert sich
‘Das Neue Berlin’ anlässlich des zehnten Jahrestages des Mauerfalls
in New York. Im Mittelpunkt der Aktivitäten ... steht die junge
Kunstszene der Hauptstadt, sagte der Geschäftsführer der Marketinggesellschaft
‘Partner für Berlin’, Volker Hassemer, der hier für ‘Children of
Berlin’ zu sprechen berechtigt ist. ‘Kultursenator Peter Radunski
(CDU) wird ... die Ausstellung ... eröffnen... Einen Tag später
laden der Generalkonsul der Bundesrepublik und die Marketinggesellschaft
zu einem ‘Berlin-Dinner’ ... ein, bei dem junge Künstler und Medien-Unternehmer
aus der Bundeshauptstadt und aus New York zusammentreffen.’[51]
Eine Siteseeingtour durch den Stadtteil Mitte: Im Gegensatz zu den
historischen Matrizen von Bohème und Stadt - sie reichen von der
Situationistischen Internationalen bis zur Londoner Club-Szene -,
die zwischen den Polen gesellschaftlicher Kämpfe oder gesellschaftlichen
Elends entstanden, ist ‘Mitte’ von vornherein eine erlaubte Freiheit
gewesen, die Initiativen, selbstorganisierte Clubs, Projektmakler
und Juniorpartner gleichzeitig besetzten - ohne den geringen aber
prononcierenden Zeitverschub, der ansonsten Gentrification-Prozesse
charakterisiert. Eine Legalität besetzt die Szenebildungs-Memoiren
von Young Berlin Art in den Katalogen der Berlin Biennale und von
Children of Berlin[52] mit derselben Stunde-Null-Fröhlichkeit,
wie in den 50er Jahren BRD-Unternehmen ihre Ursprünge unter der
Verdrängung ihrer faschistischen Kontinuitäten beschrieben. Nur
ist sie dynamisierter - eine vitalistische Synergie von Initiative
beweisen, Zusammenkommen, in Progress sein, die die Abmachungen
und Beziehungsgeflechte zwischen Großkapital und neuem politischen
Apparat ignoriert, wie um die empirische Objektivität, die Autonomie
einer Laborsituation herzustellen, in der noch einmal das freie
Spiel der Kräfte vorgeführt wird, in dem sich Marktwirtschaft aus
sich selbst heraus entwirft. Der Stadtteil Mitte wird in den Memoiren
oft mit dem Attribut ‘leer’ bezeichnet, was eine neutrale Versuchsoberfläche
suggeriert, aber tatsächlich meint, nicht als Privateigentum definiert
zu sein. In diesem Definitionsprozess, der zugleich ein Auslöschungsprozess
von nicht privatwirtschaftlicher Geschichte der DDR-Gesellschaft
ist, assoziiert sich Mitte unwillkürlich zum Regierungslabel der
‘neuen Mitte’. Es werden keine Unterscheidungen mehr getroffen zwischen
Kulturmanagement, Clubs, Medienunternehmen, Sponsoren und künstlerischer
Produktion oder politischer Pateienwerbung.
Anhang: zwei Beispiele von konkreten Geschäftsbeziehungen
Nach dieser sehr erschöpfenden Beantwortung der Fragen des Herausgebers
möchten wir zwei konkrete Beispiele zu den Vorstellungen von Sponsoring
zum Abschluß anhängen.
1. Der Vertragsentwurf des Arbeitskreises Kultursponsoring
Der aktuelle Entwurf eines Sponsoringvertrages vom Arbeitskreis
für Kultursponsoring der Deutschen Industrie (AKS) zeigt äußerst
deutlich, welche Dienstleistungsbereitschaft von Seiten der Privatwirtschaft
der künstlerischen Praxis zugetraut wird . Wenn es in den Sponsoring-Diskussionen
um Zugriffsberechtigungen und Sprecherpositionen geht, so wurde
trotz ihrer scheinbaren öffentlichen Verhandelbarkeit bisher nicht
thematisiert, wie viel Mitsprache gegen welche finanzielle Beteiligung
sich Sponsoren tatsächlich vorstellen.
Der Arbeitskreis hatte sich 1993 gebildet, um einerseits eine Lobby
für Steuererleichterungen für Sponsoring zu bilden, andererseits
Symposien, Tagungen zu organisieren, die über die Jahre hindurch
die gesellschaftliche Akzeptanz der Bedingungen und Ansprüche austesten
sollten, die Unternehmen an Sponsoringpartner stellen können. Es
würde hier zu weit führen, die Forderungen und die Lobbyarbeit dieses
Arbeitskreises und seiner Schriften (das Weißbuch, Grünbuch. Blaubuch)
nachzuverfolgen. Sie kulminieren in gewisser Weise in dem aktuellen
Vertragsentwurf, den der Arbeitskreis nun herausgebracht hat[53]. Prägnant an diesem Entwurf ist, daß
er das ‘Geschäft auf Gegenseitigkeit’ sehr einseitig präzisiert,
und zwar in einem detailreichen und äußerst umfassenden Forderungskatalog
des Sponsoringebers.
Die Forderungen sind:
§ 1 Exklusivrechte der Sponsorenstellung: hier wird noch die Möglichkeit
eines Ko-.Sponsorings zumindest eingeräumt.
§ 2 Werberechte: ‘Hinweise auf Eintrittskarten, Einladungskarten,
Ausstellungsplakaten, Postern, Leaflets, Websites etc.’ Erwähnung
im Ausstellungskatalog. Es steht nicht zur Debatte, ob dieses ‘Pauschalpaket’
aufzusplitten ist.
- Sonderzutrittsrecht zur Ausstellung, Sonderführungen für ‘unternehmensrelevante
Personen’, in deren Rahmen noch einmal besonders auf die Rolle des
Sponsors hingewiesen werden soll. Dabei sind diese Führungen, in
denen es um unternehmensinterne Corporate Identity (C.I.) geht,
von der Institution zu leisten. Sie wird ein vollstreckender Teil
dieser C.I.
- Das Recht des Sponsors, ein Grußwort bei der Ausstellungseröffnung
zu tätigen. Hier wird direkt in den Bereich der Autonomie der künstlerischen
Repräsentanzsphäre eingegriffen
- Das Recht die Ausstellung zu filmen, zu fotografieren und ‘in
der firmeneigenen Kommunikation’ einzusetzen. Diese firmeneigene
Kommunikation ist für den Sponsoringnehmer vollkommen unkontrollierbar;
es müsste mehr präzisiert werden und aushandelbar sein, was, wie
wohin und in welchem Ton in diese Kommunikation eingespeist wird.
- Das Recht, den Titel: Förderer der Ausstellung..., für die Zeit
des Sponsoringverhältnisses zu führen und das offizielle Logo der
ausstellenden Institution zu nutzen - eine ungemein vulgäre und
anmaßende Haltung, die jedoch den Sponsor letztendlich nur selbst
blamiert.
- Angemessene Erwähnung des Sponsors bei Presseerklärungen, ‘das
Pressepodium wird ... so ausgestattet, daß in angemessener Weise
auf die Unterstützung des Sponsors hingewiesen wird... Repräsentanten
des Sponsors erhalten die Möglichkeit zu Statements bei den Presseveranstaltungen.
‘Der Sponsor erhält ferner das Recht, nach vorheriger Abstimmung...
Informationsmaterial über seine Produkte an Pressevertreter zu verteilen.’
Presseveranstaltungen dienen in erster Linie dazu, die Veranstaltung
und deren Inhalte zu erklären. Sie sind ein oft wichtiger und empfindlicher
Bestandteil der institutionellen und der künstlerischen Arbeit zugleich.
Grußworte von inkompetenten und fachfremden Abteilungsleitern, die
gar noch Werbebroschüren verteilen, sind dermaßen penetrant, daß
sie sogar imageschädigend auf das Unternehmen zurückwirken könnten.
Die Leistungen des Sponsors sind bei weitem nicht so präzise gefasst.
Auffällig ist, daß die Geldzahlung immer in Raten vorgenommen werden
soll, so daß dem Sponsor in den verschiedenen Phasen des Projektes
eine Kontrollmöglichkeit und die Institution durch die Vorkalkulation
in Abhängigkeit zum Sponsor bleibt.
§ 4 formuliert als einziger einen gewissen Schutz der künstlerischen
Autonomie. Er verbietet direkte werbliche Maßnahmen in Verbindung
mit den ausgestellten Kunstgegenständen. Dieser Autonomiebegriff
bezieht sich also ausschließlich auf die künstlerischen Gegenstände.
Hier liegt ein vollkommen überholtes Verständnis künstlerischer
Arbeitsweisen vor.
2. Die Vertragsverhandlungen der Messe 2ok
Nur wenige KünstlerInnen oder KuratorInnen schalten sich in die
Sponsoring-Debatten kritisch ein. Dies weist entweder auf einen
ungetrübten Glauben an die Fortsetzung der staatliche Subventionierung
hin oder auf die Angst, es sich mit den zukünftigen Finanziers zu
verscherzen. So gibt es leider nur wenige Beispiele, in denen von
der Seiten der KünstlerInnen und Kunstinstitutionen Vertragsentwürfe
aufgesetzt wurden. Dabei dienen diese Entwürfe, selbst wenn sie
nicht akzeptiert werden, auch dazu, ein eigenes - und obiger Auffassung
wohl diametral entgegengesetztes - Verständnis von Recht und Billigkeit
zu formulieren. Ein Beispiel sind die Vertragsverhandlungen mit
dem Siemens Kulturprogramm und der Messe 2ok.[54]
Das Siemens Kulturprogramm bot den VeranstalterInnen der selbstorganisierten
‘Messe 2 ok’ Sponsoringgelder in Höhe von 40.000 DM an; es wurde
ein Vertrag aufgesetzt, der als Voraussetzung für eine Zusammenarbeit
folgende Punkte aufwies:
- eine inhaltliche Veranstaltungsautonomie gegenüber dem Sponsor;
der Sponsor ist nicht berechtigt inhaltliche Einflüsse auf die einzelnen
Beiträge der Veranstaltung noch auf das Gesamtbild der Veranstaltung
zu haben
- eine vom Siemens Kulturprogramm unabhängige Öffentlichkeitsarbeit;
gerade im Kunstbereich transferiert sich Image meistens durch mediale
Vorankündigungen: Anzeigen, Einladungskarten, Plakate, Kunstpresse
etc. Dabei wird den KünstlerInnen, ganz gleich ob beim Sponsor oder
in Institutionen, die mediale Praxis als nicht hinterfragbares
Know-How vordiktiert. So kam es zur Forderung folgender Vertragspunkte:
1. ausschließlich eigene Pressearbeit und keine , die durch die
Kulturabteilung der Firma Siemens hergestellt und distribuiert wird.
2. die Produktion und Verschickung von Einladungskarten oder Plakaten
liegt im Ermessen der OrganisatorInnen
Als Gegenleistung wurde die Logoplatzierung, die Erwähnung des Sponsors
auf allen fraglichen Druckerzeugnissen und die Erlaubnis, die Veranstaltung
in der firmeneigenen Kommunikation zu erwähnen, angeboten. Diese
drei Leistungen sollten jedoch nach genauer Absprache erfolgen.
Weitere Punkte waren:
- die Einschränkung der Firma auf die rein finanzielle ‘Förderungsrolle’.
Dies richtete sich gegen die Forderung des Siemens Kulturprogramms,
die Förderungsrolle in eine eigen Initiative zu verwenden und dies
offiziell mit der Formulierung: ‘eine Initiative des...’ zu bezeichnen.
Denn schließlich wurde die Veranstaltung nicht von Siemens ‘initiiert’.
- das Recht, andere Sponsoren zu beteiligen
- vertragsrechtlicher Status der Verhandlungen für die gesamte Kooperation.
Diese Punkte wurden zunächst mündlich zugebilligten, in den konkreten
Vertragsverhandlungen jedoch abgelehnt. Folgende Forderungen des
Sponsors wurden offensichtlich:
- globales Mailing in Siemenskuverts, firmengesteuerte Pressearbeit,
- Verweigerung der Veranstaltungsautonomie, d.h. Einmischung in
die Organisation,
- Verpflichtung zur Weiterleitung aller Information bzgl. der Veranstaltung.
Nachdem in der vierten Vertragsverhandlung die Bedingungen nicht
akzeptiert wurden, lehnten die VeranstalterInnen eine Kooperation
ab.
Diese beiden Beispiele zeigen, wie sich die ideologischen Debatten
auf die tatsächlichen Verhältnisse zwischen Sponsoringgeber und
-nehmer auswirken können. Von den Institutionen und KunstvermittlerInnen
würden wir uns sehr wünschen, daß sie sich stärker in diese Sponsoringverhandlungen
engagierten. Dies bedeutet kein affirmatives Abnicken und auch keine
idealistische Verneinungsgeste, sondern ein selbstbewusstes Eintreten
für die Werte und das Rechtsbewusstsein einer autonomen
kulturellen Äußerung, und nicht zuletzt für die Rechte aller Beteiligten
jenseits der Sorge um die eigenen Posten und Etats. So müssten nun
dringend Solidaritätskonzepte und Lobbystrategien zwischen den Kunstinstitutionen
und Verbänden selbst hergestellt werden, ohne durch die gegenseitige
Konkurrenzangst in eine subalterne Position gegenüber den staatlichen
wie privaten Finanziers zu geraten. Diese Forderung mag in einem
Feld, in dem Soldarisierungen schon von jeher einen Distinktionsverlust
bedeuteten, naiv klingen. Sie möchte jedoch berücksichtigen, daß,
wenn sie dennoch geschehen, man jenen kurzen Vorsprung (Hype) ausnutzen
muß, in der - durch das Erstaunen des Betriebs ausgelöst - jene
typische Durchmischung zwischen ‘Alternativmodellen’ und ‘Corporate’
geschieht, bevor die Agenten und auch die neu hinzu Gewonnenen wieder
ihre konventionellen Plätze einnehmen.
____Fussnoten:
[39] Creischer/Siekmann: Reformmodelle, a.a.O.
[40] Neil George Weiland, Rechtliche Aspekte der Sponsoring,
in Neue Juristische Wochenzeitschrift, Heft 4, 1995
[41] Rupert Graf Strachwitz: Corporate Community Investment,
in: Leitfaden für Sponsoring und Eventmarketing, hg. Hans-Willy
Brockes, Düsseldorf 1995 Strachwitz ist Geschäftsfüher der Sponsoringagentur:
Mäcenata GmbH und Lobbyist in verschiedenen Initiativen
[42] Klaus Ronneberger, in Andreas Siekmann: Aus Gesellschaft
mit beschränkter Haftung, hg. Portikus, Frankfurt a.M. 2000
[43] Malcolm Mc Laren: Karaokeworld , in Nu, Nr. 1 Kopenhagen
1999.
[44] Auf die Hauptstadtphantasmatik in Folge der Neustrukturierung
Berlins kann hier leider nicht weiter eingegangen werden. Sie zeigt
sich z.B. innerhalb der Rehabilitierung wilhelminischer und nationalsozialistischer
Modelle in den Neu-Berliner Stadtplanungsdebatten.
Stellvertretend für die zahlreichen Beispiele der Imageproduktion
sei hier nur eines erwähnt. Debis (Dienstleistungstochter von Daimler
Benz) veranstaltete zu seinem Richtfest Arbeiterumzügen durch das
Brandenburger Tor, die stark an DDR-Agit Prop erinnerten (vgl. Christiane
Post: Proletarische Kultur, ANYP 8, Berlin 1997). Gegen ‘Hauptstadtarchitektur’
und Berliner Stadtplanung wurde in den 90er Jahren vehement von
vielen politischen und künstlerischen Gruppierungen agitiert, vgl.
Baustopp/Randstadt, hg. Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Berlin
1998
[45] Es ging um die Vergleichbarkeit nationalsozialistischer
mit sowjetischen Verbrechen, wobei der Historiker Nolte noch einen
Schritt weiterging und unterstellte, daß die KZs nur eine Reaktion
gegen die sowjetischen Gulags gewesen seien. Nolte hat jetzt gerade
einen Preis erhalten
[46] Dieses ‘Bonmot’ ist offensichtlich eine Referenz an
die Parole der neuen Deutschen Rechten: ‘Ich bin stolz darauf, Deutscher
zu sein’ - zitiert von Peter Herbstreuth, Keine Angst vor Blitzgewitter,
Tagesspiegel, 17.12.98 Paul Maenz, eine der zentralen Galeristenfiguren
in den 80er Jahren in Köln, ist nun durch seine Sammlertätigkeit
und seinen kunstbetrieblichen Background eine der Autoritäten
der Kunstszene Mitte.
[47] Deutschlandbilder, kuratiert von Eckhardt Gillen, Berlin
1997: ‘Deutschlandbilder’ verstand sich als erste umfassende Präsentation
der Kunstentwicklung in beiden deutschen Staaten seit 1933 und sollte
darüber hinaus eine Kontinuität von nationaler Identitätsuche beweisen,
indem sie ‘dem politischen korrekten Konsens’ eine Verdrängung des
Nationalen vorwarf.
Das XX. Jahrhundert, kuratiert von Joachim Schuster Berlin 1998
- beide Ausstellungen unternehmen eine Gesamtschau von BRD- und
DDR-Kunst, die die nationale Homogenisierung der Kulturentwicklungen
der BRD/DDR anstrengt
Berlin
Biennale, kuratiert von Klaus Biesenbach 1998 Children of Berlin,
dito, New York PS I 1999 - diese beiden Ausstellungen verstanden
sich als Start up des Labels Young Berlin Art
[48] Mathew D. Rose, Berlin, Hauptstadt von Filz und Korruption,
München 1997, S.142.
[49] ebd.
[50] Pressemitteilung, Berlin Biennale 1998
[51] Der Tagesspiegel, 22. 10.99
[52] Children of Berlin, hg. Miriam Wisel/Peter Herbstreuth,
Berlin 1999 Berlin/Berlin, Katalog zur Berlin Biennale, Stuttgart
1998
[53] Der Entwurf ist abrufbar unter http://www.bdi-online.de
unter Organisationen; Partnerorganisationen Kulturkreis der Deutschen
Wirtschaft
[54] Die Vertragsentwürfe und ein Bericht über die Verhandlungen
sind einsehbar in: ÖkonoMiese machen, a.a.O.
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