Sponsorship und neoliberale Kultur
 
TEIL II


 

 

 


Exkurs: Politische Unternehmen

1995 publizierte die Zeitschrift ‘Die Beute’ einen Essay von Mauricio Lazzarato zu Benneton und Berlusconi, der sich als sehr einflußreich für die Diskussionen in sponsoring-skeptischen Kunstkreisen erwies, weil in ihm die dominante Rolle kulturelle Techniken in den neuen postfordistischen Unternehmensstrategien betont wurde, wo:  . ‘... sich ästhetisch begründete Entscheidungen über bestimmte Darstellungsformen mit politischen und öffentlichkeits-strategischen Überlegungen’ verbinden[39] Lazzarato wies am Beispiel Bennetton und Berlusconi nach, daß sich ein neuer Typ des politischen Unternehmers herausbildet, der nach der Produktion von Mehrwert nun Sinn herstellt (das ist auch ein Mehrwert) und öffentliche Bereiche für sich emotionalisieren, politisieren kann.  Die ‘raison d´etre der Produktion des postfordistischen Unternehmens’ läge ‘nicht so sehr in der Steigerung des Absatzes als vielmehr in der Produktion von Subjektivität’, die sich ‘dem politischen Handeln immer mehr angleicht.’ Benetton hatte als eine der ersten Firmen die zentralisierte Produktion von Kleidung aufgegeben um durch Verteilung der Produktion auf kleine, selbstständige und vom Auftraggeber vollkommen abhängige Betriebe flexibler auf aktuelle Konjunkturen und Moden reagieren zu können. Benetton ist ein Unternehmen ‘...ohne Arbeiter, ohne Fabriken, ohne Distributionsnetz. ... Der Mehrwert resultiert aus der Leitung und Kontrolle von Strömen, vor allem von finanziellen und kommunikativen Strömen.’ (ebd.) Denn die Kommunikations- und Administrationsapparate, die diese dezentralisierte Produktion managen, müssen optimal funktionieren, ebenso wie die im Franchising System organisierten Ladenketten über ein signifikantes Image verfügen müssen, das über die Verknüpfung der Marke mit politischen Schlüsselreizen funktioniert. Die PR-Aktionen von Bennetton bildeten die populärste Nahtstelle einer Unternehmens-Avantgarde zu neuen künstlerischen und kunstinstitutionellen Selbstverständnissen. ‘Bennetton ist eine Maschine des Branding und der Markenbildung in bezug auf die Produktion anderer, und die Deckung dieses Labels ist eine spezifische Form von Öffentlichkeitsarbeit, die mit Emotionalisierung durch soziale, ethnische und politische Klischees arbeitet: das Subjekt, das Bennetton trägt, hat dasselbe andächtige Verhältnis zu der multikulturellen Schicksalshaftigkeit der Katastrophen dieser Welt, wie die potentiellen Sammler und ‘betroffenen’ Verehrer von Douglas Gordons Videoinstallationen von Psychiatrieinsassen.’[40]

Andererseits trafen die Gründe für diese Formen der Imageproduktion auch sehr genau auf Sponsoring als neue Unternehmenstrategie zu. Dies belegt ein Auszug aus einem juristischen Fachartikel zum Thema: ‘In der heutigen, durch ein wachsendes Güterangebot, kürzere Lebenszyklen der Güter, die Internationalisierung der Märkte, sowie ein ständiges Ansteigen der Informationsfluss gekennzeichneten Überflussgesellschaft kommt der Kommunikationspolitik als einem Teil des Marketings der Unternehmen ein sehr hoher Stellenwert zu... Die Marktsituation gestaltet sich jedoch zunehmend schwieriger, weil das immer größere Informationsangebot zu einer Überlastung der Informationsempfänger führt... Phänomene wie das Wegschalten von TV- und Hörfunkprogrammen bei Beginn der Werbung (engl. Zapping) sowie die systematische Verweigerung von Wahrnehmung von Werbebotschaften sind bekannt. Als Reaktion auf die erkannte... Ineffizienz der Kommunikationspolitik ... entwickelte die Marketingpraxis Sponsoring.. als ein neues Mittel der Kommunikationspolitik... Aus der Sicht von Wirtschaftsunternehmen lassen sich die Vorteile des Sponsoring wie folgt zusammenfassen: Es spricht Zielgruppen in nichtkommerziellen Umgebungen an... Die Verweigerungshaltung mancher Zielgruppen ... ist hierdurch weniger ausgeprägt... Das Image und der Aufmerksamkeitswert von Sport, Kultur, sozialem Engagement und Umwelt lassen sich unmittelbar für die eigenen Zielvorstellungen nutzen. Sie sind positive Imageträger... Mit Sponsoring kann Kommunikation zielgruppenspezifischer realisiert werden. ... Mit Sponsoring können bestehende Kommunikationsbarrieren, insbesondere bestehende Werbeverbote und -beschränkungen umgangen werden. Außerdem kann Imagewerbung unter Umgehung des Gebots der Trennung von Werbung und redaktionellem Teil im redaktionellen Teil der Medien plaziert werden’[41]

Lazzaratos Behauptung, daß eben nicht der ökonomische Vorteil - Absatzsteigerung - die Raison d`etre des kommunikationsstrategischen Unternehmens sei, sondern der Anspruch auf politische Hegemonie, bestätigte sich in vielen Konzepten im Umfeld des Begriffes Sponsoring noch einmal mehr: z.B. Corporate Community Investment. Dieses Konzept spult das neoliberale Ein mal Eins und die Hegemonieansprüche der Betriebswirtschaft so exemplarisch ab, daß wir es hier ebenfalls sehr ausführlich zitieren:

‘1. Die positive Fortentwicklung unseres gesellschaftlichen Systems ist davon abhängig, daß die Bürger das Handeln des Staates und seiner übergroßen, schwer zu kontrollierenden Organe zunehmend zurückdrängen und so viele Angelegenheiten wie möglich mit Hilfe unternehmerisch geführter Organisationen wahrnehmen.

2. Bürger... sind zwar in erster Linie die natürlichen Personen, jedoch tragen angesichts der Auswirkungen ihrer Tätigkeit, des dort akkumulierten Know-hows ...auch juristische Personen eine besondere Bürgerverantwortung. Der amerikanische Fachbegriff hierfür lautet corporate citizenship.

3. Wirtschaftsunternehmen haben... ein massives Interesse daran, als gute korporative Bürger (good corporate citizens) angesehen zu werden, weil nur dadurch die Märkte langfristig gesichert werden können...

4. Die Wirtschaft muß für eine rasche Entstaatlichung und Deregulierung sorgen, da nur dadurch die Steuerlast gemindert und die bürokratischen Einflußnahmen zurückgedrängt werden können.’[42]

Wieder muß betont werden, daß hier keine Rezeptur für die reale Verschwörung von Unternehmen gegen den Staat vorliegt, sondern daß diese sehr überzogenen Konzepte in ihrem Pseudopragmatismus eher Ideologien und Habiti abbilden.

Nachtrag: Geht Kultur absichtlich - 2000

In Flugzeugen gibt es manchmal Standortbewerbungsbroschüren, die das ‘Geht Kultur absichtlich’-Problem in einer aktuellen Version beantworten. Dieser Nachtrag schließt noch einmal aktualisierend an den Museumsboom in Frankfurt an und bietet einen konkurrierenden Vorgeschmack auf die Kulturplanung Berlins: ‘Also - seit fast zwei Jahren arbeiten die lokalen Planungsbehörden an einem Entwicklungskonzept... Nach den Vorstellungen des Magistrats sollte auf dem östlichen Teil des Areals ein Urban Entertainment Center (UEC) mit Musicaltheater, Großkino und Shopping Mall entstehen... Die Stadtverwaltungen und Kommunalpolitiker wiederum erhoffen sich von solchen Unterhaltungskomplexen eine Belebung der Kernstadt ...Gerade als die Grundstückseigentümer sich anschickten, die Verträge über eine Erweiterung der Messe und das bereits genehmigte Urban Entertainment Center abzuschließen, preschte im Sommer 1999 die Deutsche Bank mit einem gigantischen Projekt nach vorne. ... Auf dem ehemaligen Gleisvorfeld gedachte die Bank für mehr als sechs Milliarden Mark einen neuen Stadtteil aus dem Boden zu stampfen, der neben einer Mehrzweckhalle und einem Fußballstadion auch ein ‘Stadthaus’ mit Museen, Theater und Kabarett sowie eine riesige Shopping Mall und sechs neue Hochhäuser aufweisen sollte... Begründet wurde das ‘Messestadt-Projekt’ auch damit, daß man Frankfurt für qualifizierte Dienstleister aus dem Ausland attraktiver machen müsse. Als internationale Finanzmetropole sei die Stadt zwar anerkannt, doch fehle es an markanten urbanen Höhepunkten, um wirklich einen Spitzenplatz in der Metropolenkonkurrenz einnehmen zu können. Der für das Projekt verantwortliche Architekt Helmut Jahn bezeichnete sein Konzept auch als einen ‘Container für die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts’, der Kultur, Dienstleistung und Wohnen zu einer visionären Stadtform vereine.’

....Berlin...

Wir landen in Berlin und werden hier die Herstellung des Labels Young Berlin Art verfolgen. Dabei proklamierten selbst die Funktionäre des Labels in diesem Frühjahr, daß Young Berlin Art mittlerweile ein `vorletzter Schrei` ist. Wir werden sehen, wie das neoliberale Verständnis von Öffentlichkeitsherstellung als Marketingpraxis nun von der staatlichen und privaten Seite aus in eine Form von modernem Nationalismus übertragen wird.

Dies könnte kaum präziser gefaßt werden als in Malcolm McLaren`s Beschreibung des Vorbildes des deutschen Standortlabels,  Brit-Pop: ‘Today our culture can be summed up by these two words -  Authenticity and Karaoke ... Karaoke is mouthing the words of other people`s songs, singing someone else`s lyrics … Life by proxy, liberated by hindsight … Karaoke is the good clean fun for the millennial nuclear family ... Here in ‘Cool Britannia’ where I live, everyone is a celebrity because the nation (whatever it is) is such a star  that everyone who lives in it by implication is a star as well. … Tony Blair, our Prime-Minister,  knows this fact very well - he is in essence the first Karaoke Prime Minister.’[43] Young Berlin Art kann nicht unabhängig von den gleichzeitigen Image-Kampagnen der Berliner Investorenarchitekturen betrachtet werden, deren Widmung, in den ‘Wiederaufbau’ der Hauptstadt zu investieren - äquivalent zu der Größe der Projekte und zur skandalösen Preisgünstigkeit der Grundstücke - an Lautheit zunahm.[44]

Dabei sind ‘Umbau’ oder das ‘neue Berlin’ zu gesellschaftlichen Metabegriffen geworden, die sowohl die vereinigungsnationale Umschreibung der getrennten deutsch/deutschen Geschichte, als auch neoliberale Umstrukturierung von Unternehmen und Staat bedeuten können. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß sich diese Metabegriffe und ihr Ansatz auf die Diskussionen der neuen Rechten zu Beginn der 90er in den Feuilletons von Spiegel, FAZ und Zeit stützen können, die schon lange vorher im Historikerstreit[45] 1986 begonnen hatten und sich nun vom Glück der unverhofften Aneignung dynamisiert fortsetzten bis hin zur Walser-Rede 1998, deren Pendant in der Kunst in den Äußerung von Paul Maenz geliefert wird: Er sei nicht mehr stolz darauf, sich zu schämen, ein Deutscher zu sein[46].

Mit den speziellen historischen Standort-Emotionen der Stadt (Wiedervereinigung, Kalter Krieg, Nazi-Thrill, 20er Jahre, Preussen-Schinkel-Klassizismus etc.) wird in allen Kultur-PR-Apparaten der Stadt gehandelt. Doch gerade an der Ähnlichkeit des Kommunikationsmanagments der Großbaustellen und der Großausstellungen wird ablesbar, wie sehr sich in der ‘Produktion von Hauptstadtidentität’ politische und Investoreninteressen verzahnen. Eine Verzahnung, von der es falsch wäre zu behaupten, daß das Privatkapital eine neutrale Staatsseite für seine Zwecke beeinflußt. Viel eher geht es um einen Gesellschaftervertrag zwischen der neuen Generation von Unternehmens-Bourgoisie (den Gewinnlern der Privatisierung) und einem politischem Apparat (den Gewinnlern der Nationalisierung), der sich unternehmens- und vereinigungsideologisch reformiert hat.

Wenn - wie im Exkurs zu Bennetton beschrieben wurde - die ‘Produktion von Öffentlichkeit’ als die epochale Ablösung der Mehrwertbildung vom klassischen Produktionsparadigma diskutiert wurde, muß dies erweitert werden auf die Produktion eines Bewußtseins von Nation, äquivalent zu den mehrwertbildenden Techniken des postfordistischen Unternehmens durch das Labeln aller vorhandenen kulturellen Ressourcen. Ausstellungen wie ‘Deutschlandbilder’, ‘Das XX. Jahrhundert’, die Berlin Biennale oder ‘Children of Berlin’[47] arbeiten mit ‘Partner für Berlin, Gesellschaft für Hauptstadtmarketing GmbH’ zusammen. Diese Gesellschaft entstand als Maßnahme zur ‘Neukonzeption des Standortmarketing für Berlin’[48] Ihre Gesellschafter setzen sich aus Funktionären des Kultursenats der Stadt, Medienkonzernen und Privatfirmen zusammen, die in Berlins Immobiliengeschäft investiert haben - u.a. Daimler Benz (debis), ABB, Siemens, die Bredero/Fundus/Haschtmanngruppe, Roland Ernst, die Holtzbrinck-Verlagsgruppe.  Berlin hätte ‘das Potential eine von 50 power regions,’ zu werden, ‘wie z.B. Shanghai, Atlanta, Südkorea, Silicon Valley’. Das Ziel von ‘Partner für Berlin’ sei: ‘daß die Öffentlichkeit in Deutschland positiv zur Hauptstadt steht, daß das Investitionsklima für Berlin positiv wird..., daß Berlin seinen alten Rang unter den Metropolen Europas und der Welt wieder einnimmt.’[49] Diese Restaurationsabsicht benutzt als historische Matrize meistens die 20er Jahre, die oft eine groteske Überdimensionalität erfährt.

Obwohl in Berlin die Differenz zwischen ‘konservativen’ Institutionen und junger Kunstszene gerne gepflegt wird, ist die Gleichheit des Kommunikationsmarketings und der ‘Partner’ von ‘Young Berlin Art’ nicht übersehbar.  ‘Berlin ist eine Stadt... die durch ihre geografische Lage und jüngste politische Vergangenheit in aller Welt den Beginn einer neuen politischen Weltordnung assoziiert.’[50] Als in diesem Tonfall 1998 die Berlin Biennale eröffnete, geschah das zeitgleich zur art forum Kunstmesse und zur Ausstellung Sensation im Hamburger Bahnhof; letztere markierte das Vorbild: Britpop. Einen Tag später wurde der debis-Komplex am Potsdamer Platz eingeweiht. Tags darauf wurde am Brandenburger Tor der Tag der deutschen Einheit gefeiert und die Galerien veranstalteten ihre ‘konzertierte Aktion’.  Diese Terminpolitik der kulturellen Events auf Nationalfeiertage wird sogar noch bei der Ausstellung Children of Berlin in New York fortgesetzt: ‘Mit einer Reihe von Veranstaltungen präsentiert sich ‘Das Neue Berlin’ anlässlich des zehnten Jahrestages des Mauerfalls in New York. Im Mittelpunkt der Aktivitäten ... steht die junge Kunstszene der Hauptstadt, sagte der Geschäftsführer der Marketinggesellschaft ‘Partner für Berlin’, Volker Hassemer, der hier für ‘Children of Berlin’ zu sprechen berechtigt ist. ‘Kultursenator Peter Radunski (CDU) wird ... die Ausstellung ... eröffnen... Einen Tag später laden der Generalkonsul der Bundesrepublik und die Marketinggesellschaft zu einem ‘Berlin-Dinner’ ... ein, bei dem junge Künstler und Medien-Unternehmer aus der Bundeshauptstadt und aus New York zusammentreffen.’[51]

Eine Siteseeingtour durch den Stadtteil Mitte: Im Gegensatz zu den historischen Matrizen von Bohème und Stadt - sie reichen von der Situationistischen Internationalen bis zur Londoner Club-Szene -, die zwischen den Polen gesellschaftlicher Kämpfe oder gesellschaftlichen Elends entstanden, ist ‘Mitte’ von vornherein eine erlaubte Freiheit gewesen, die Initiativen, selbstorganisierte Clubs, Projektmakler und Juniorpartner gleichzeitig besetzten - ohne den geringen aber prononcierenden Zeitverschub, der ansonsten Gentrification-Prozesse charakterisiert. Eine Legalität besetzt die Szenebildungs-Memoiren von Young Berlin Art in den Katalogen der Berlin Biennale und von Children of Berlin[52] mit derselben Stunde-Null-Fröhlichkeit, wie in den 50er Jahren BRD-Unternehmen ihre Ursprünge unter der Verdrängung ihrer faschistischen Kontinuitäten beschrieben. Nur ist sie dynamisierter - eine vitalistische Synergie von Initiative beweisen, Zusammenkommen, in Progress sein, die die Abmachungen und Beziehungsgeflechte zwischen Großkapital und neuem politischen Apparat ignoriert, wie um die empirische Objektivität, die Autonomie einer Laborsituation herzustellen, in der noch einmal das freie Spiel der Kräfte vorgeführt wird, in dem sich Marktwirtschaft aus sich selbst heraus entwirft. Der Stadtteil Mitte wird in den Memoiren oft mit dem Attribut ‘leer’ bezeichnet, was eine neutrale Versuchsoberfläche suggeriert, aber tatsächlich meint, nicht als Privateigentum definiert zu sein. In diesem Definitionsprozess, der zugleich ein Auslöschungsprozess von nicht privatwirtschaftlicher Geschichte der DDR-Gesellschaft ist, assoziiert sich Mitte unwillkürlich zum Regierungslabel der ‘neuen Mitte’. Es werden keine Unterscheidungen mehr getroffen zwischen Kulturmanagement, Clubs, Medienunternehmen, Sponsoren und künstlerischer Produktion oder politischer Pateienwerbung.

Anhang: zwei Beispiele von konkreten Geschäftsbeziehungen

Nach dieser sehr erschöpfenden Beantwortung der Fragen des Herausgebers möchten wir zwei konkrete Beispiele zu den Vorstellungen von Sponsoring zum Abschluß anhängen.

1. Der Vertragsentwurf des Arbeitskreises Kultursponsoring

Der aktuelle Entwurf eines Sponsoringvertrages vom Arbeitskreis für Kultursponsoring der Deutschen Industrie (AKS) zeigt äußerst deutlich, welche Dienstleistungsbereitschaft von Seiten der Privatwirtschaft der künstlerischen Praxis zugetraut wird . Wenn es in den Sponsoring-Diskussionen um Zugriffsberechtigungen und Sprecherpositionen geht, so wurde trotz ihrer scheinbaren öffentlichen Verhandelbarkeit bisher nicht thematisiert, wie viel Mitsprache gegen welche finanzielle Beteiligung sich Sponsoren tatsächlich vorstellen.

Der Arbeitskreis hatte sich 1993 gebildet, um einerseits eine Lobby für Steuererleichterungen für Sponsoring zu bilden, andererseits Symposien, Tagungen zu organisieren, die über die Jahre hindurch die gesellschaftliche Akzeptanz der Bedingungen und Ansprüche austesten sollten, die Unternehmen an Sponsoringpartner stellen können. Es würde hier zu weit führen, die Forderungen und die Lobbyarbeit dieses Arbeitskreises und seiner Schriften (das Weißbuch, Grünbuch. Blaubuch) nachzuverfolgen.  Sie kulminieren in gewisser Weise in dem aktuellen Vertragsentwurf, den der Arbeitskreis nun herausgebracht hat[53]. Prägnant an diesem Entwurf ist, daß er das ‘Geschäft auf Gegenseitigkeit’ sehr einseitig präzisiert, und zwar in einem detailreichen und äußerst umfassenden Forderungskatalog des Sponsoringebers.

Die Forderungen sind:

§ 1 Exklusivrechte der Sponsorenstellung: hier wird noch die Möglichkeit eines Ko-.Sponsorings zumindest eingeräumt.

§ 2 Werberechte: ‘Hinweise auf Eintrittskarten, Einladungskarten, Ausstellungsplakaten, Postern, Leaflets, Websites etc.’ Erwähnung im Ausstellungskatalog. Es steht nicht zur Debatte, ob dieses ‘Pauschalpaket’ aufzusplitten ist.

- Sonderzutrittsrecht zur Ausstellung, Sonderführungen für ‘unternehmensrelevante Personen’, in deren Rahmen noch einmal besonders auf die Rolle des Sponsors hingewiesen werden soll. Dabei sind diese Führungen, in denen es um unternehmensinterne Corporate Identity (C.I.) geht, von der Institution zu leisten. Sie wird ein vollstreckender Teil dieser C.I.

- Das Recht des Sponsors, ein Grußwort bei der Ausstellungseröffnung zu tätigen. Hier wird direkt in den Bereich der Autonomie der künstlerischen Repräsentanzsphäre eingegriffen

- Das Recht die Ausstellung zu filmen, zu fotografieren und ‘in der firmeneigenen Kommunikation’ einzusetzen. Diese firmeneigene Kommunikation ist für den Sponsoringnehmer vollkommen unkontrollierbar; es müsste mehr präzisiert werden und aushandelbar sein, was, wie wohin und in welchem Ton in diese Kommunikation eingespeist wird.

- Das Recht, den Titel: Förderer der Ausstellung..., für die Zeit des Sponsoringverhältnisses zu führen und das offizielle Logo der ausstellenden Institution zu nutzen - eine ungemein vulgäre und anmaßende Haltung, die jedoch den Sponsor letztendlich nur selbst blamiert.

- Angemessene Erwähnung des Sponsors bei Presseerklärungen, ‘das Pressepodium wird ... so ausgestattet, daß in angemessener Weise auf die Unterstützung des Sponsors hingewiesen wird... Repräsentanten des Sponsors erhalten die Möglichkeit zu Statements bei den Presseveranstaltungen. ‘Der Sponsor erhält ferner das Recht, nach vorheriger Abstimmung... Informationsmaterial über seine Produkte an Pressevertreter zu verteilen.’ Presseveranstaltungen dienen in erster Linie dazu, die Veranstaltung und deren Inhalte zu erklären. Sie sind ein oft wichtiger und empfindlicher Bestandteil der institutionellen und der künstlerischen Arbeit zugleich. Grußworte von inkompetenten und fachfremden Abteilungsleitern, die gar noch Werbebroschüren verteilen, sind dermaßen penetrant, daß sie sogar imageschädigend auf das Unternehmen zurückwirken könnten.

Die Leistungen des Sponsors sind bei weitem nicht so präzise gefasst. Auffällig ist, daß die Geldzahlung immer in Raten vorgenommen werden soll, so daß dem Sponsor in den verschiedenen Phasen des Projektes eine Kontrollmöglichkeit und die Institution durch die Vorkalkulation in Abhängigkeit zum Sponsor bleibt.

§ 4 formuliert als einziger einen gewissen Schutz der künstlerischen Autonomie. Er verbietet direkte werbliche Maßnahmen in Verbindung mit den ausgestellten Kunstgegenständen. Dieser Autonomiebegriff bezieht sich also ausschließlich auf die künstlerischen Gegenstände. Hier liegt ein vollkommen überholtes Verständnis künstlerischer Arbeitsweisen vor.

 

2. Die Vertragsverhandlungen der Messe 2ok

Nur wenige KünstlerInnen oder KuratorInnen schalten sich in die Sponsoring-Debatten kritisch ein. Dies weist entweder auf einen ungetrübten Glauben an die Fortsetzung der staatliche Subventionierung hin oder auf die Angst, es sich mit den zukünftigen Finanziers zu verscherzen. So gibt es leider nur wenige Beispiele, in denen von der Seiten der KünstlerInnen und Kunstinstitutionen Vertragsentwürfe aufgesetzt wurden. Dabei dienen diese Entwürfe, selbst wenn sie nicht akzeptiert werden, auch dazu, ein eigenes - und obiger Auffassung wohl diametral entgegengesetztes - Verständnis von Recht und Billigkeit zu formulieren. Ein Beispiel sind die Vertragsverhandlungen mit dem Siemens Kulturprogramm und der Messe 2ok.[54]

Das Siemens Kulturprogramm bot den VeranstalterInnen der selbstorganisierten ‘Messe 2 ok’ Sponsoringgelder in Höhe von 40.000 DM an; es wurde ein Vertrag aufgesetzt, der als Voraussetzung für eine Zusammenarbeit folgende Punkte aufwies:

- eine inhaltliche Veranstaltungsautonomie gegenüber dem Sponsor; der Sponsor ist nicht berechtigt inhaltliche Einflüsse auf die einzelnen Beiträge der Veranstaltung noch auf das Gesamtbild der Veranstaltung zu haben

- eine vom Siemens Kulturprogramm unabhängige Öffentlichkeitsarbeit; gerade im Kunstbereich transferiert sich Image meistens durch mediale Vorankündigungen: Anzeigen, Einladungskarten, Plakate, Kunstpresse etc. Dabei wird den KünstlerInnen, ganz gleich ob beim Sponsor oder in Institutionen, die mediale Praxis als nicht hin­terfragbares Know-How vordiktiert. So kam es zur Forderung folgender Vertragspunkte:

1. ausschließlich eigene Pressearbeit und keine , die durch die Kulturabteilung der Firma Siemens hergestellt und distribuiert wird.

2. die Pro­duktion und Verschickung von Einladungskarten oder Plakaten liegt im Ermessen der OrganisatorInnen

Als Gegenleistung wurde die Logoplatzierung, die Erwähnung des Sponsors auf allen fraglichen Druckerzeugnissen und die Erlaubnis, die Veranstaltung in der firmeneigenen Kommunikation zu erwähnen, angeboten. Diese drei Leistungen sollten jedoch nach genauer Absprache erfolgen.

Weitere Punkte waren:

- die Einschränkung der Firma auf die rein finanzielle ‘Förderungsrolle’. Dies richtete sich gegen die Forderung des Siemens Kulturprogramms, die Förderungsrolle in eine eigen Initiative zu verwenden und dies offiziell mit der Formulierung: ‘eine Initiative des...’ zu bezeichnen. Denn schließlich wurde die Veranstaltung nicht von Siemens ‘initiiert’.

- das Recht, andere Sponsoren zu beteiligen

- vertragsrechtlicher Status der Verhandlungen für die gesamte Kooperation.

Diese Punkte wurden zunächst mündlich zugebilligten, in den konkreten Vertragsverhandlungen jedoch abgelehnt. Folgende For­derungen des Sponsors wurden offensichtlich:

- globales Mailing in Siemenskuverts, firmengesteuerte Pressearbeit,

- Verweigerung der Veranstaltungsautonomie, d.h. Ein­mischung in die Organisation,

- Verpflichtung zur Weiterleitung aller Information bzgl. der Veranstaltung.

Nachdem in der vierten Vertragsverhandlung die Bedingungen nicht akzeptiert wurden, lehnten die VeranstalterIn­nen eine Kooperation ab.

Diese beiden Beispiele zeigen, wie sich die ideologischen Debatten auf die tatsächlichen Verhältnisse zwischen Sponsoringgeber und -nehmer auswirken können. Von den Institutionen und KunstvermittlerInnen würden wir uns sehr wünschen, daß sie sich stärker in diese Sponsoringverhandlungen engagierten. Dies bedeutet kein affirmatives Abnicken und auch keine idealistische Verneinungsgeste, sondern ein selbstbewusstes Eintreten für die Werte und das Rechtsbewusstsein einer autonomen  kulturellen Äußerung, und nicht zuletzt für die Rechte aller Beteiligten jenseits der Sorge um die eigenen Posten und Etats. So müssten nun dringend Solidaritätskonzepte und Lobbystrategien zwischen den Kunstinstitutionen und Verbänden selbst hergestellt werden, ohne durch die gegenseitige Konkurrenzangst in eine subalterne Position gegenüber den staatlichen wie privaten Finanziers zu geraten. Diese Forderung mag in einem Feld, in dem Soldarisierungen schon von jeher einen Distinktionsverlust bedeuteten, naiv klingen. Sie möchte jedoch berücksichtigen, daß, wenn sie dennoch geschehen, man jenen kurzen Vorsprung (Hype) ausnutzen muß, in der - durch das Erstaunen des Betriebs ausgelöst - jene typische Durchmischung zwischen ‘Alternativmodellen’ und ‘Corporate’ geschieht, bevor die Agenten und auch die neu hinzu Gewonnenen wieder ihre konventionellen Plätze einnehmen.



____Fussnoten:

[39] Creischer/Siekmann: Reformmodelle, a.a.O.

[40] Neil George Weiland, Rechtliche Aspekte der Sponsoring, in Neue Juristische Wochenzeitschrift, Heft 4, 1995

[41] Rupert Graf Strachwitz: Corporate Community Investment, in: Leitfaden für Sponsoring und Eventmarketing, hg. Hans-Willy Brockes, Düsseldorf 1995 Strachwitz ist Geschäftsfüher der Sponsoringagentur: Mäcenata GmbH und Lobbyist in verschiedenen Initiativen

[42] Klaus Ronneberger, in Andreas Siekmann: Aus Gesellschaft mit beschränkter Haftung, hg. Portikus, Frankfurt a.M. 2000

[43] Malcolm Mc Laren: Karaokeworld , in Nu, Nr. 1 Kopenhagen 1999.

[44] Auf die Hauptstadtphantasmatik in Folge der Neustrukturierung Berlins kann hier leider nicht weiter eingegangen werden. Sie zeigt sich z.B. innerhalb der Rehabilitierung wilhelminischer und nationalsozialistischer Modelle in den Neu-Berliner Stadtplanungsdebatten.

Stellvertretend für die zahlreichen Beispiele der Imageproduktion sei hier nur eines erwähnt. Debis (Dienstleistungstochter von Daimler Benz) veranstaltete zu seinem Richtfest Arbeiterumzügen durch das Brandenburger Tor, die stark an DDR-Agit Prop erinnerten (vgl. Christiane Post: Proletarische Kultur, ANYP 8, Berlin 1997). Gegen ‘Hauptstadtarchitektur’ und Berliner Stadtplanung wurde in den 90er Jahren vehement von vielen politischen und künstlerischen Gruppierungen agitiert, vgl. Baustopp/Randstadt, hg. Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Berlin 1998

[45] Es ging um die Vergleichbarkeit nationalsozialistischer mit sowjetischen Verbrechen, wobei der Historiker Nolte noch einen Schritt weiterging und unterstellte, daß die KZs nur eine Reaktion gegen die sowjetischen Gulags gewesen seien. Nolte hat jetzt gerade einen Preis erhalten

[46] Dieses ‘Bonmot’ ist offensichtlich eine Referenz an die Parole der neuen Deutschen Rechten: ‘Ich bin stolz darauf, Deutscher zu sein’ - zitiert von Peter Herbstreuth,  Keine Angst vor Blitzgewitter, Tagesspiegel, 17.12.98 Paul Maenz, eine der zentralen Galeristenfiguren in den 80er Jahren in Köln, ist nun durch seine Sammlertätigkeit und seinen kunstbetrieblichen Background eine der Autoritäten der Kunstszene Mitte.

[47] Deutschlandbilder, kuratiert von Eckhardt Gillen, Berlin 1997: ‘Deutschlandbilder’ verstand sich als erste umfassende Präsentation der Kunstentwicklung in beiden deutschen Staaten seit 1933 und sollte darüber hinaus eine Kontinuität von nationaler Identitätsuche beweisen, indem sie ‘dem politischen korrekten Konsens’ eine Verdrängung des Nationalen vorwarf.

Das XX. Jahrhundert, kuratiert von Joachim Schuster Berlin 1998 - beide Ausstellungen unternehmen eine Gesamtschau von BRD- und DDR-Kunst, die die nationale Homogenisierung der Kulturentwicklungen der BRD/DDR anstrengt

Berlin Biennale, kuratiert von Klaus Biesenbach 1998 Children of Berlin, dito, New York PS I 1999 - diese beiden Ausstellungen verstanden sich als Start up des Labels Young Berlin Art

[48] Mathew D. Rose, Berlin, Hauptstadt von Filz und Korruption, München 1997, S.142.

[49] ebd.

[50] Pressemitteilung, Berlin Biennale 1998

[51] Der Tagesspiegel, 22. 10.99

[52] Children of Berlin, hg. Miriam Wisel/Peter Herbstreuth, Berlin 1999 Berlin/Berlin, Katalog zur Berlin Biennale, Stuttgart 1998

[53] Der Entwurf ist abrufbar unter http://www.bdi-online.de  unter Organisationen; Partnerorganisationen Kulturkreis der Deutschen Wirtschaft

[54] Die Vertragsentwürfe und ein Bericht über die Verhandlungen sind einsehbar in: ÖkonoMiese machen, a.a.O.

 


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