Die vorliegende und unlimitierte Majoritätsausgabe der 'Society of
Control' ist als solche vom Hof legitimiert, vom Permanent-Press-Verlag
autorisiert und zum Gebrauch aller Klassen bestimmt, hier vor allem jedoch
den vornehmlich jungen KünstlerInnen der Höfe und SUB Höfe zugeneigt.
Diese Ausgabe ist erneut kritisch durchgesehen und der Aufsatz 'Der stille
Garten, die Welt des Schönen' des August von Langenthal includiert, bzw.
beibehalten, welcher einer lediglich für Kuratoren bestimmten, limitierten
und unlizensierten Raubkopie des Textes übergestülpt war.
Mit dieser sogenannten KURATORENAUSGABE verhält es sich folgendermaßen:
Das Gespräch des Werner von Delmont mit seinem Sohn Hans-Dieter hat am
30.03.2033 nachweislich stattgefunden. Das Typoscrypt erweist sich im
Vergleich mit einer verfügbaren Analog-Kopie als korrekt und vollständig,
allerdings bleibt die digitale Originalaufnahme im Zentralarchiv des Bundes
Globaler Industrie unter Verschluß. Wie üblich mußte Werner von Delmont
bei seiner Ernennung zum Hofmaler sämtliche Urheberrechte seines Werkes
an die Verwertungsstellen der Höfe abtreten. Im Jahre 2034 und anläßlich
des ersten Todestages des Delmont erfolgte die Veröffentlichung des Gespräches
im Permanent Press Verlag als Freundes- und Liebhaberausgabe in der Auflage
von 50 Stück.
Diese Ausgabe war binnen kurzem ausverkauft und es befand sich alsbald
eine von August von Langenthal kommentierte Raubkopie, die
KURATORENAUSGABE
im Umlauf. Diese Auflage war gegen den Nutzen der Allgemeinheit limitiert
und als begehrliches Sammlerobjekt zu einem hohen Preise nur in der ehemalig
königlichen Buchhandlung erhältlich. Von Langenthal, ein gelernter Restaurator
alter Gemählde, hat sich über die verschiedenen SUB Höfe und Häuser, namentlich
'Kunstwerke™ Berlin' und 'Künstlerhaus Stuttgart Inc.' zum wertekonservativen
Hofmarschall der Standorte von Köln und NordRhein nach oben geschafft.
Er benutzte die geraubte und kopierte Vorzugsausgabe nunmehr zu eigenen
Hof-Intrigen, indem er die Person des Delmont diskreditierte und ihn als
Outcast, Dichter ohne Heimat etc. historisierte und die Authentizität
des Gespräches in Frage stellte. Unter Berufung auf ein angeblich echtes
Dokument aus den neunziger Jahren des alten Jahrhunderts bezichtigte er
den Delmont sogar des geistigen Diebstahls.
Langenthals eigene, 'kritische Anmerkungen' dienen demnach zur
Desavouierung Delmont'scher Ideen und zur Propagierung einer höfischen,
individualistischen und regionalistischen Kunstauffassung, die er als
Subunternehmer an den Höfen naturgemäß zur Legitimierung einer genuin
deutschen Kultur Nation benutzt. Damit will er bedeuten, daß ein neuer
Nationalismus als Warenzeichen für eine globalistische Vermarktung regionaler,
authentischer und kultureller Produktion notwendig wäre. Nach Überprüfung
seines Textes ergeben sich überdies erschreckende Analogien zu Julius
Langbehn's 'Rembrandt als Erzieher'. Selbst wörtliche Zitate der
Ausgabe von 1890 lassen sich nachweisen.
Trotz der höfischen Affirmation Corporater Kunstauffassung möchten wir
Langenthal's Strategie einer 'edukativen Toleranz' hier jedoch
genauestens weiterführen und seinen Essay nicht etwa streichen, sondern
ihn in dieser Ausgabe zur heiteren Unterhaltung wie zu Studienzwecken
belassen. Möge jeder vernünftig denkende Mensch sich nach Studium von
Text, Kunst und Gesellschaft gewissentlich selbst entscheiden welchem
Herren er dienen will!
Respektive der repressiven Toleranz unseres Corporaten Meta-Staates und
seiner Kontrollorgane in den Standorten und eingedenk der täglich sichtbaren
Armut aller Klassen aller Orte, sollte - egal wo man steht - eigentlich
klar sein, auf welcher SEITE man steht. Dem ist nichts weiter zuzufügen!
'The Abuse of Power Comes as no Surprise!'
Das heißt: der bleiche Adel der MÜNZE muß immer wieder von Neuem entthront
werden! Nur ein devoter Höfling wie Langenthal kann die Dominanz eines
individualistischen und selbstsüchtigen Geschmacks einiger Weniger wollen,
die von der Welt in familiäre Stämme flüchten. Die Behauptung eines künstlerischen
Individualismus ist hierbei nicht maßgeblich, doch wichtig wofür und wogegen
man ihn benutzt, welche öffentliche Verantwortung man selbst und mit seinen
künstlerischen Äußerungen einnimmt.
Achtung gebührt deshalb vielen unserer Genossen, denn nur ihr unbeugsamer
Charakter, ihre Aufrichtigkeit und ihre künstlerisch fortschrittliche
Kritik der Mächtigen ist der eigentliche Adel unserer Gesellschaften.
Gez.: 'The Society of Control'.
- An independent organisation whose profits are entirely devoted to research
into truth and meaning -
London, May 2035.
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Postscryptum zum Materialientheil:
Das von Langenthal erwähnte Dokument aus dem Jahre 1997/98 erwies sich
nach eingehender Prüfung als authentisch. Es stellt allerdings kein 'verlorenes
Manuscrypt' dar, es ist vielmehr die Aufzeichnung eines im Jahre 1997
geführten Gespräches, das im Reader 'Dagegen, Dabei' in einem Hamburger
Keller Verlag in gekürzter Länge veröffentlicht wurde. Dieses
Stück wird der dokumentarischen Sorgfalt zuliebe erstmalig in Voller Länge
im Materialientheil dieser Ausgabe beigefügt.
Anzumerken ist auch, daß es sich hierbei nicht um ein 'Stehlen von
Ideen' handelte, wie dies die Vermittlerpraxis der Corporaten Handlanger
in den 1990ern vielleicht noch nahelegte, vielmehr gestaltete sich die
Beziehung von Stephan Dillemuth und Werner von Delmont recht inniglich.
Es ist daher durchaus anzunehmen, daß sie beide die Idee eines Corporaten
Rokoko gemeinsam erarbeiteten.
Nach der Jahrtausendwende ist es mit dem zweiten Kulturalisierungsschub
zur Durchsetzung derer von Langenthal gekommen und damit auch zu weiteren
Exil Bewegungen und Gründungen von Geheimgesellschaften, um die Flamme
des Widerstandes gegen die Kulturalisierung des Lebens wenigstens im Verborgenen
noch leuchten zu lassen. Die Münze sollte sich später die kritischen Geister
zurückholen, nachdem die Günstlinge des Hofes zu aufdringlich geworden.
Nach dem wirtschaftlichen Ruin seines Londoner Kellertheaters 'Die
Brecht & Cruikshank Shnitzel Shanke, Jazz- und Ratingerhof -Keller, Original
Imbiss- und Spaghetti-Haus', verliert sich Dillemuth's Spur in den
Wirren von 2017/18, angeblich als Schatzmeister eines 'neo-ökonomistischen
und post-kommunitaristischen' Projektes im früheren Namibia, oder, anderen
Gerüchten zufolge, als Drahtzieher einer nicht zu verifizierenden 'Unsichtbaren
Loge'. Von Delmont dagegen wurde kurz nach dem Verschwinden seines Freundes
und Waffenbruders zum 'Auctor, Paintor & Purveyor of the Court'
ernannt und festigte seither als Koordinator und Abgesandter die kulturelle
(und politische) Einflußnahme der verschiedenen fraktalen Gesellschaften
am Hof.
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Materialientheil:
Irrtümlich sind bei Drucklegung des Originaltextes im Jahr 1998
die englischen Fußnoten verwendet worden. Da wir dem Original strikt
verpflichtet sind, behalten wir diesen geringfügigen Fehler bei.
Bei den Abbildungen handelt es sich um Holzschnitte von Objekten, die
im Winter 1997 auf einer illegalen Mülldeponie entdeckt worden waren.
Von der Polizei beschlagnahmt, wurden siese später als Diskodekorationen
identifiziert, die Delmont im Jahre 1987 für die Smartbar in Chicago
hatte.
Neben einem Ankündigungsblatt "Flyer' einer geplanten Publikation
aus dem Jahre 1998 zeigen wir zudem einige Kinderzeichnungen des Hans-Dieter,
wie sie sich an den Wänden des Arbeitszimmers des Delmont befanden.
Erstaunlich zeigt sichhier schon früh das Talent des Sohnes, das
im Laufe der Jahre jedoch an einem Interesse an der Betriebswirtschaftslehre
überlagert wurde.
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