Akademien haben viele Freunde:
und Gegner:
Oder:
Die Vorzeichen haben sich freilich gewandelt. Der Romantizismus des
Künstlern einen Freiraum "außerhalb" der Gesellschaft
Akademiestudenten können grundsätzlich tun und lassen was sie wollen, sie werden mit einer a priori behaupteten, künstlerischen Freiheit konfrontiert und erfahren das Nicht-ausfüllen-können derselben als persönliches Versagen. Die an sie gebundenen Bohème-Phantasien werden als Aktivismus eingefordert, gleichzeitig wird von einer Nicht-Lehrbarkeit von Kunst ausgegangen, was theoretische und diskursive Auseinandersetzungen weitgehend verhindert. Die Studenten werden in Produktionsmechanismen und Anerkennungskämpfe verwickelt, während die soziale und historische Verortung der Akademie weitgehend unreflektiert bleibt. Der soziale Typus des tragischen Helden und Einzelkämpfers treibt die Studenten in einen Konkurrenzkampf, in dem der am stärksten ist, der das "feel for game" hat, also die richtige Mischung aus Freiheit und Unterwerfung am besten beherrscht. Oft verkörpern gerade diejenigen, die die Akademie im Namen der realen Freiheit des Marktes am heftigsten bekämpfen, diesen Typus.
Der Freiraum ist gleichzeitig ein rechtsfreier Raum, in dem sich archaische und patriarchale Strukturen herausbilden. Von den Studenten wird erwartet, daß sie in eine Art Liebesverhältnis zu ihrem Professor treten (vor allem Studentinnen müssen auch immer dem Mann im Professor gerecht werden) und dessen Machtkämpfe loyal mittragen. Verweigert einer die Gefolgschaft, kann er problemlos aus der Klasse entfernt werden, bzw. muß mit Liebesentzug und ausbleibender Förderung rechnen. Im Freiraum Akademie muß nichts begründet werden und vieles läuft so subtil ab, daß es sich ohnehin nicht nachweisen läßt. Man kann aber nicht allein den Professoren einen Vorwurf machen - viele Studenten, die ihre Schäfchen ins Trockene bringen wollen, tragen das System bereitwillig mit.
Die Mischung aus autoritären und libertären Strukturen läßt die Protestformen meistens stumm bleiben, weil einerseits konkrete Angriffsflächen fehlen, andereseits "lautes" Verhalten, eben als domestizierte Protestform akzeptiert und absorbiert wird. Daß es ein Protestpotential gibt, zeigt sich z.B. daran, daß Veranstaltungen, wie die Gastvorträge von Künstlern und Theoretikern an der Münchener Akademie (die ja von den Studenten organisiert sind und von den Professoren konsequent gemieden, zum Teil sogar offen angegriffen werden) sehr gut besucht sind, ebenso wie an den vielen Abwanderungen an andere Akademien. Solch stummer Protest bleibt aber wirkungslos, weil er von denen, die ihre Interessen im bestehenden System ungestört durchsetzen können, nicht einmal wahrgenommen werden muß.
Vermutlich wird das Unbehagen vieler Studenten auch von einigen Professoren
geteilt, aber auch wenn sie das Spiel nicht mitspielen, stören sie
es nicht. In direkter Konfrontation mit den Autoritäten würde
sich jeder Protest schnell erschöpfen und der Komplexität der
Problematik nicht gerecht werden. Auch die Berufung einer Alibifrau geht
nicht weit genug, eher müßte geklärt werden, warum so
wenige Frauen bereit sind oder die Möglichkeit sehen, so ein System
zu repräsentieren. Das Konstruiertsein von Künstlerbildern und
das historische und soziale Selbstverständnis von Akademien müssen
hinterfragt werden. Das kann am ehesten auf dem Terrain, auf dem die Studenten
ohnehin schon Eigenverantwortung für ihre Ausbildung übernommen
haben, stattfinden. Auf diese Weise können und sollten die Studenten
sich dem bestehenden System entziehen und dessen Hinfälligkeit um
so deutlicher werden lassen. |
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