When Attitudes Become Form
Philip Morris Becomes Sponsor
[1]
Kunstsponsoring in Europa
vor dem Hintergrund amerikanischer Entwicklungen


 

 

 

 

 

„Some company recently was interested in buying my 'aura'. They didn’t want my product. They kept saying, ‘We want your aura.’ I never figured out what they wanted. But they were willing to pay a lot for it. So then I thought that if somebody was willing to pay that much for my it, I should try to figure out what it is.“[2]


Andy Warhol, von dem diese Anekdote stammt, hatte eine besondere Arbeitsphilosophie, die mit dem genannten Firmeninteresse durchaus kompatibel zu sein scheint: „Good business is the best art.“[3] Dieses Motto war keineswegs ironisch gemeint; es kann als zwar provokative, aber durchaus zutreffende Aussage über Warhols perfekte Beherrschung von Imagebildung, Public Relations und Marketing verstanden werden. Er war zweifelsohne der erfolgreichste Künstler-Unternehmer des 20. Jahrhunderts und mit seinen bereits in den 60er Jahren gegründeten Andy Warhol Enterprises, Inc. der wohl größte Master of the Business of Art. John Lennon bezeichnete ihn sogar als „the biggest publicity man in the world“[4]. Warhol erteilte dem idealistischen Glauben an eine von jeder wirtschaftlichen Realität abgehobene Autonomie und Reinheit der Künste eine deutliche Absage. Die Überlagerung künstlerischer und kommerzieller Wertigkeiten war für ihn, den ehemaligen Werbegrafiker, etwas ganz Selbstverständliches. Seine Orientierung an wirtschaftlichen Maßstäben kann geradezu als strategische Ökonomisierung der künstlerischen Arbeit verstanden werden. Heute, 13 Jahre nach Warhols Tod, situieren sich Kunst und Kultur in einem System von Verflechtungen und Abhängigkeiten, das umfassender denn je ökonomisch geprägt ist. Die oft antithetisch behandelten Pole Kunst und Wirtschaft sind besonders im Laufe der letzten anderthalb Jahrzehnte eine enge Verbindung eingegangen, die von manchen begeistert als Fortschritt und Notwendigkeit begrüßt wird und von anderen wiederum aufs schärfste als unheilvolle Verbindung kritisiert wird.

I. Das Phänomen der privaten Kulturförderung

Während die öffentliche Hand immer öfter sparsam verschlossen bleibt, werden seit den 80er Jahren Kunst und Kultur in den reicheren Ländern Europas verstärkt von seiten der Wirtschaft finanziert. Der Staat zieht sich zunehmend aus der Finanzierung kultureller Einrichtungen zurück, wohingegen nicht wenige Konzerne, Banken, Versicherungen, Produktions- und Dienstleistungsunternehmen Kunst in den Mittelpunkt ihrer Unternehmenskultur und ihres öffentlichen Erscheinungsbildes stellen. Kunstsponsoring hat sich international zu einem wichtigen Bestandteil der Marketing- und Kommunikationspolitik entwickelt. Als Kontakt- und Vermittlungsstelle zwischen Wirtschaft und Kunst dienen seit einigen Jahren in manchen Ländern private Agenturen, während es zum Beispiel in Österreich und in der Schweiz eine solche Dienstleistung bereits auf staatlicher Ebene gibt. Die Existenz von Zeitschriften wie Der Kultursponsor oder Sponsor News und einer internationalen, jährlichen Fachmesse für Sponsoren belegen das Interesse an der Thematik. Dabei versteht man unter der wirtschaftlichen Praxis des Sponsoring eine „Unterstützung von Künstlern oder Kultur-Instituten durch Geld-, Sach- oder Dienstleistungen mit dem Ziel, einen Gegenwert „ meist in Form einer kommunikativen Leistung „ zu erhalten“[5]. Wird beispielsweise eine Museumsausstellung gesponsert, so können folgende Leistungen mit dem Museum vereinbahrt werden: Nennung des Sponsors auf Plakaten, Programmen, Eintrittskarten und in Katalogen, Teilnahme an der Pressekonferenz, Exklusivinterviews, Ansprache durch einen Sponsorvertreter bei der Eröffnung, spezielle Veranstaltungen und Freikarten für Betriebsangehörige oder Kunden, Erwähnung des Sponsoring in Werbeanzeigen und Geschäftsberichten usw.
Diese Gegenleistung erfolgt normalerweise in Übereinstimmung mit den unternehmerischen Zielen, denn ein Sponsor ist ein nach ökonomischen Kriterien handelnder Manager und kein feinsinniger, selbstloser Mäzen. Das moderne Mäzenatentum in Form des umfangreichen Spendenwesens spielt durchaus eine bedeutende Rolle bei der Kulturfinanzierung, doch bei der Suche nach den Motiven dieser Praxis bewegt man sich in einer Grauzone. Die Verteilung von privatwirtschaftlichen Spenden läuft im Gegensatz zum Sponsoring meist im stillen ab, doch impliziert dies nicht zwangsläufig eine wirkliche Uneigennützigkeit, da Spenden nicht selten mit lobbyistischen Zielen verbunden werden. Auf der anderen Seite können Spenden jedoch nur in sehr begrenztem Rahmen steuerlich geltend gemacht werden, während echte Sponsoringbeträge zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland als vollgültige Betriebsausgaben steuerlich abzugsfähig sind. In keinem anderen Land Europas wird soviel Geld von privatwirtschaftlicher, aber auch von staatlicher Seite für Kunst und Kultur ausgegeben. 1994 wurden in Deutschland über 2,3 Milliarden DM für Sponsoring ausgegeben, davon das meiste im Sportbereich, während die Kultur mit 380 Millionen DM unterstützt wurde. 1995 beliefen sich die Sponsoringausgaben für die Kultur auf 425 Millionen DM, wobei durch Mäzenatentum nochmals die gleiche Summe aufgebracht werde konnte. Die deutschen Sponsoringmillionen sind lediglich knapp 3 % von dem, was der Staat, die Bundesländer und Kommunen in jenem Jahr für die Kultur aufwendeten (14,5 Milliarden DM)[6], und es ist ebenfalls wenig im Verhältnis zu der Summe, die die deutsche Wirtschaft für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit ausgab: 50 Milliarden DM. Trotzdem sind viele große und kleine Projekte von Künstlern und Museen ohne Sponsoring heute nicht mehr zu realisieren, denn gerade in den genannten 3 % sind die Mittel enthalten, die die operationale Handlungsfähigkeit beispielsweise bei der Ausstellungsplanung der Museen noch einigermaßen gewährleisten.
Sponsoring ist generell immer ein Geschäft auf Gegenseitigkeit zwischen zwei Partnern, die jedoch unterschiedliche Ziele verfolgen. Der Sponsor will dabei als Geschäftspartner gesehen werden und seine eigenen Interessen gewahrt wissen. Die zentrale Frage muß nun lauten: Wie geht man mit diesen Interessen um, und welche Auswirkungen kann die private Kulturförderung auf die kulturelle Arbeit haben? Nicht Sponsoring an sich stellt ein Problem dar, sondern relevant erscheint in erster Linie die Frage nach dem Umgang mit dieser Finanzierungsform und nach den langfristigen Folgen. Vorweg sollen jedoch die spezifischen Interessen der Wirtschaft an der Kunst in einem kurzen Exkurs aufgezeigt werden.

II. Die ökonomischen Interessen der Wirtschaft

Der Kulturwissenschaftler und Kommunikationshistoriker Klaus Siebenhaar bemerkte in bezug auf die 80er Jahre: „Gestützt von der empirischen Sozialwissenschaft und kultursoziologischen Forschungen, die ein verändertes Wertverhalten, eine Wertedynamik hin zu individueller Freiheit und Selbstverwirklichung diagnostizierten, begann ganz allmählich ein Neues Denken in die Führungsetagen Einzug zu halten.“[7] Zukunftsweisende Managementtheorien versuchten in vielen Ländern Europas, spezifisch künstlerische Qualitäten als konstitutive Faktoren in unternehmerische Strategien einzubauen. Dabei verkörpert für die Wirtschaft die Figur des Künstlers Kreativität, Fantasie und Innovation, Individualismus, Selbstverantwortlichkeit und Flexibilität. Fazit: Die Kunst wird als geistig stimulierendes Produktivkapital für die angestrebte Kreativkultur des Business gesehen. Der Wirtschaftstheoretiker Kenneth Galbraith brachte dies auf den kurzen Nenner: „Bewußt oder unbewußt ist der Künstler oder die Künstlerin lebensnotwendig für den industriellen Fortschritt.“[8]

Thomas Bechtler, Schweizer Unternehmer und Präsident des Züricher Kunsthauses, formulierte das Interesse an künstlerischer Praxis folgendermaßen: „In der Regel wird der rationale und analytische Aspekt im Management betont und überbetont, und gleichzeitig wird die Bedeutung der Intuition für Managemententscheidungen unterschätzt oder ganz übersehen. Aber in vielen Fällen spielt die Intuition eine Schlüsselrolle.“ Dabei kann die Kunst als intuitionsfördernde Kommunikationsform „ein Mittel sein, mit dem wir lernen, eine komplexe Situation durch ein vereinfachtes Bild wahrzunehmen“[9]. Ganz verkürzt gesagt, entspricht diese Vorstellung einem gängigen postmodernen Denken: „Man kann die Welt nicht mehr auf den Begriff bringen, man kann sie nur noch wahrnehmen und mit Hilfe von Bildern beschreiben.“[10] Trotz aller notwendigen Zweckrationalität in der ökonomischen Praxis soll nach unternehmerischer Ansicht somit das Kunstengagement zu einer fortschrittsorientierten Produktivität und Innovationsfähigkeit beitragen. Die so gerne verwendeten Begriffe Kreativität, Flexibilität und Innovation stammen jedoch von „Fürsprechern“ der Kultur, „die ihr eine Bedeutung zuschreiben, für die sie nicht gemacht wird“[11], an der sie aber immer häufiger gemessen wird. Kein Künstler produziert ein Werk, um als Statthalter oder Ausdruck wirtschaftlicher Effizienz zu dienen. Falls eine künstlerische Arbeit zum Beispiel in einer Corporate Collection tatsächlich die berufliche Kreativität und Motivation der Mitarbeiter fördert und somit ihre Konkurrenzfähigkeit steigert, dann hat dies sicherlich nichts mit den Gedanken und Intentionen des Künstlers zu tun, was die grundsätzliche Differenz der Interessen deutlich macht.

Neben dem Aspekt der Produktivität spielt bei der Verbindung von Kunst und Wirtschaft auch die Konstruktion von Identität eine große Rolle. Darunter wird hier nicht eine natürlich vorgegebene Konstante verstanden, sondern die allgemeinste Form der individuellen und kollektiven Selbstdefinition. Die interessegeleitete Betonung von Identitäten und damit auch von Differenzen, Fremdheit und Abweichung führt auf politischer Ebene leicht zu einer negativen Politik des Ein- und Ausgrenzens. Aus wirtschaftlicher Sicht erscheint Identitätsstiftung jedoch als ein notwendiges Element der auf Konkurrenz angelegten Marktwirtschaft. Das Image sowohl des Produkts wie auch des Herstellers ist für die gesellschaftliche Akzeptanz äußerst wichtig, manchmal sogar ausschlaggebender als die objektivierbare Qualität des Angebotenen. Mancher Werbespot zeigt nicht einmal mehr das reale Produkt, sondern nur dessen symbolische Ausstrahlung. Richard Bachinger von der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit und Werbung des italienischen Olivetti-Konzerns äußerte diesbezüglich: „In Zukunft werden sich Unternehmen nur mit klar erkennbarer Identität auf den immer härter umkämpften Märkten behaupten. Da die Produkte in Preis, Leistung und oft sogar im Aussehen nur noch schwer zu unterscheiden sind, kann die Identität und damit das Image eines Unternehmens den Kauf entscheidend beeinflussen.“[12] Zur Profilierung und damit Differenzierung von anderen Unternehmen soll nun gerade die bildende Kunst dienen, da sie anschaulich und greifbar zur spezifischen Corporate Identity beiträgt, also zur strategisch geplanten und operativ eingesetzten Unternehmensidentität. Sponsoringaktivitäten oder Corporate Collecting, der Aufbau einer internen Firmensammlung, können dabei nicht nur nach außen, sondern auch unternehmensintern wirken, indem sie die Mitarbeiterbindung an das Unternehmen verstärken. Kunst verkörpert in den Augen der Wirtschaft auf diese Weise einen sozialen Integrationsfaktor, der letztendlich einen erfolgsrelevanten Wettbewerbsvorteil bieten soll.

III. Die offenen Worte einiger Sponsoren

Schaut man sich die Hochglanzbroschüren von manchen europäischen Unternehmen, Banken und Versicherungen an, so wird dort immer noch oft der Anschein erzeugt, als würde es diesen Institutionen bei der Kulturfinanzierung tatsächlich in erster Linie um altruistische Motive gehen. Höchst ehrbare Ziele werden da immer wieder genannt: Bekenntnis zur Kunst, gesellschaftliche Verantwortung, Förderung von jungen Künstlern und von Toleranz gegenüber der Kunst, Bereicherung der Lebensqualität usw. Sicherlich mag es hier und da Unternehmen geben, die tatsächlich so sozial und philanthropisch denken, doch die große Mehrzahl hat in erster Linie ökonomische Interessen, was in der Natur der Sache liegt. Daß mit Sponsoring eine Verantwortungsethik gepflegt wird, bei der sozial übergreifende Wertvorstellungen, wie sie eben Kunst und Kultur für die Sponsoren anscheinend verkörpern, zur Rechtfertigung des eigenen ökonomischen Handelns eingesetzt werden, wird in der Öffentlichkeit immer noch selten oder nur verschämt zugegeben. „ Obwohl in einer 1994 durchgeführten Umfrage des deutschen ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung 92,4 % der kulturfördernden Unternehmen die eigene Imagepflege als vorrangiges Fördermotiv benannten.[13]
In den USA und vereinzelt auch in Europa geht man mit der Frage nach den Interessen bei der Kulturförderung wesentlich offener um. George Weisman, der Vorstandsvorsitzende des amerikanischen Zigarettenkonzerns Philip Morris äußerte in einer Werbebroschüre: „Das fundamentale Interesse der Wirtschaft an der Kunst ist das Eigeninteresse. [...] Unsere grundsätzliche Entscheidung, die Kunst zu fördern, war nicht bestimmt durch die Bedürftigkeit oder die Situation der Kunstszene. Unser Bestreben war es, besser als die Konkurrenz zu sein.“[14] Wie konsequent dieses Ziel verfolgt wird, zeigte sich Mitte der 90er Jahre, als der New Yorker Stadtrat darüber nachdachte, den Tabakkonsum in öffentlichen Räumen zu verbieten. Philip Morris drohte daraufhin, seine finanzielle Unterstützung der New Yorker Museen zu beenden. Selbst in der Schweiz ist man nicht zimperlich, wenn es um die Frage nach den Kriterien der privaten Kulturförderung geht. Der Sponsor Hans Bär vom renommierten Züricher Bankhaus Julius Bär hat diesbezüglich deutliche Worte gesprochen: „Kultur ist ein Geschäft geworden, und da läuft es dann eben wie anderswo auch: Was sich nicht verkauft, hat wenig Überlebenschancen.“[15]

Alain-Dominique Perrin, Präsident von Cartier International, begründete die Sponsoringaktivitäten seines Konzerns auf lapidare Weise: „Man kann damit die öffentliche Meinung verführen.“[16] Aggressiver formulierte es ein Public Relations-Angestellter des amerikanischen Konzerns Mobil Oil: „Diese Programme bringen uns soviel Akzeptanz, daß wir bei wichtigen Fragen grob werden können.“[17] Daß der Konzern auch gegenüber Künstlern und Museen grob werden kann, zeigte sich 1984 deutlich: Er drohte der gesponserten Tate Gallery in London mit einer gerichtlichen Klage, da dieses Museum eine Ausstellung des New Yorker Künstlers Hans Haacke gezeigt hatte, die einige Arbeiten enthielt, welche die Unternehmenspolitik von Mobil Oil kritisch unter die Lupe nehmen.
Mitte der 60er Jahre faßte David Rockefeller,Vorsitzender des Aufsichtsrats der amerikanischen Chase Manhattan Bank, das grundsätzliche Interesse der Wirtschaft an der Kunst beispielhaft zusammen: „Eine Verbindung zu den Künsten kann [...] der Firma Bekanntheit sowie einen strahlenderen Ruf in der Öffentlichkeit verleihen und für ein verbessertes Firmenimage sorgen. Sie kann bessere Beziehungen zu den Kunden herstellen, größere Aufnahmebereitschaft für die Produkte der Firma und eine höhere Einschätzung ihrer Qualität mit sich bringen.“[18] Generell ist das vorrangige Ziel demnach ein Imagetransfer, also die Übertragung der positiven Imagedimensionen des gesponserten Kulturereignisses auf das Unternehmensimage.
Es stellt sich nun die Frage, welche positiven und negativen Seiten die spezifische Form der Kulturfinanzierung in den USA aufweist, welche Rolle dabei die Wirtschaft spielt und ob oder inwieweit man aus europäischer Sicht von einem Vorbild sprechen kann. Vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen im Bereich der US-Kunstmuseen soll eine differenzierte Bewertung vorgenommen werden.

IV. Das System der Kulturförderung in den USA

Seit Beginn des 19. Jahrhunderts lautet ein Grundkonsens der bürgerlichen Gesellschaft Europas, daß die Förderung des kulturellen Lebens eine elementare öffentliche Aufgabe sei. Hingegen kennzeichnet den traditionellen amerikanischen Liberalismus die grundlegende Vorstellung, daß es die Eigeninitiative sei, die es den Menschen erlaube, ein unabhängiges, produktives und kulturell gestalterisches Leben zu führen. Diese individualistisch auf Eigenverantwortung ausgerichtete Haltung und das gleichzeitige Mißtrauen gegen staatliche Eingriffe hat Vor- und Nachteile. Auf der einen Seite erschwert es zum Beispiel den Aufbau eines umfassenden Systems der sozialen Sicherung und der Gesundheitsfürsorge, auf der anderen Seite fördert es das Engagement des Einzelnen „ und dies auch im Sinne des Gemeinwohls.
Nicht nur der Wohlfahrtsbereich, sondern auch die Kulturförderung beruht in den USA weitgehend auf privater Finanzierung, denn die amerikanische Verfassung kennt keine Bestimmung, die konkrete staatliche Aufgaben im kulturpolitischen Bereich beinhaltet. So sind Museen, Orchester, Opernhäuser, Theater, Universitäten und Bibliotheken ohne das private Engagement gar nicht denkbar. Deshalb sind selbst der einzige staatliche US-Fernsehsender, der Kulturkanal PBS, oder ein so hochsubventioniertes Museum wie die National Gallery of Art in Washington abhängig von Mäzenen, Sponsoren und Stiftungen. Für Kunst und Kultur wurden in den USA beispielsweise 1990 auf Bundes-, Staats- und Kommunalebene circa 1,2 Milliarden Dollar ausgegeben[19] „ umgerechnet fast 2 Milliarden DM „, während die öffentlichen Haushalte zum Beispiel der Bundesrepublik Deutschland im selben Jahr über 11 Milliarden DM aufwendeten[20]. Amerikanische Unternehmen gaben 1994 in der Kulturförderung 875 Millionen Dollar aus[21] „ umgerechnet über 1,4 Milliarden DM „, deutsche Unternehmen hingegen nur circa 380 Millionen DM[22]. Schon diese wenigen Zahlen veranschaulichen deutlich die unterschiedliche Gewichtung der Anteile in der Kulturfinanzierung der beiden Länder. Sie lassen gleichzeitig aber auch erkennen, daß die äußerst dichte, reiche und damit auch viel teurere Kulturlandschaft Deutschlands niemals nach amerikanischem Vorbild finanzierbar wäre. Der aus amerikanischer Perspektive flächenmäßig winzige Staat im Herzen Europas verfügt über fast 150 Sinfonieorchester, während in den USA lediglich 55 vergleichbar Ensembles zu finden sind; ganz zu schweigen von den über 100 deutschen Opernhäusern mit fest angestellten Musikern und den entsprechenden Musiktheatern in Amerika, von denen es nur zwei Dutzend gibt. Ohne hier auf die sehr bemerkenswerte Geschichte der amerikanischen Kunstsammlungen eingehen zu können, soll zumindest hervorgehoben werden, daß fast alle US-Kunstmuseen historisch auf privaten, gemeinnützigen Stiftungen beruhen „ wobei sich noch heute über drei Viertel dieser Museen in privater Trägerschaft befindet. Sie werden meist von Boards of Trustees, also Kuratorien von Treuhändern, nach eigenem Gutdünken geleitet. Die Trustees sind fast ausschließlich prominente Figuren aus der Finanz- und Geschäftswelt. Die Museumspolitik wird indirekt von diesen Treuhändern bestimmt, da die Museumsdirektoren und -kuratoren ganz von deren Wohlwollen abhängig sind, also nicht wirklich unabhängig agieren können. Neben der gesellschaftlichen Repräsentation gehört vor allem die Finanzmittelbeschaffung zu den Hauptaufgaben der Trustees. Denn die Museen erhalten im Durchschnitt nur 20-30 % ihrer notwendigen Finanzmittel durch die Zuwendungen der Bundes-, Staats- und Kommunal-Administrationen. Es gibt jedoch auch viele Museen, die so gut wie gar kein Geld bekommen, wie zum Beispiel das Museum of Modern Art in New York. Die fehlenden Finanzmittel müssen durch Eintrittskarten, Museumsshops, Restaurantbetriebe und durch die Erhebung von Leihgebühren erwirtschaftet werden. Eine besonders große Rolle spielen außerdem Spenden von Privatpersonen, Mitgliederbeiträge und Zinserträge aus Stiftungskapital. Für die kulturellen Institutionen wie auch für das Sozialwesen, den Bildungsbereich und die Kirchen stellt deshalb die Praxis des Fundraising neben der inhaltlichen Arbeit die zentrale Organisationsaufgabe dar. Unter Fundraising wird vor allem die planmäßige Form des Spendensammelns verstanden, und niemand in Amerika würde auf die Idee kommen, diese Praxis als Betteln zu diffamieren. Im Gegenteil „ mittlerweile hat sich ein ganzer Wirtschaftszweig mit Fundraising-Consultants entwickelt, die sich professionell um die Beschaffung gemeinnützig einzusetzender Gelder bemühen.

Bemerkenswert viele Amerikaner sehen es als soziale Verpflichtung, ihren freiwilligen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten, ob in Form von Spenden oder ehrenamtlicher Arbeit. Diese philanthropische Tradition genießt in den USA ein sehr hohes Ansehen. Zu den privaten Finanzierungszuwendungen für die Museen durch Mitglieder, Bürgerkomitees und Individualstifter gesellten sich ab den 70er Jahren verstärkt Gelder von Wirtschaftsunternehmen. Auch wenn immer noch das meiste Geld für die Kultur durch private Spenden einzelner Bürger und nicht durch die Wirtschaft aufgebracht wird, ist letzteres mittlerweile doch zu einem bedeutenden Faktor in der Kulturfinanzierung geworden. David Rockefeller initiierte bereits 1967 das Business Committee for the Arts, das die Zusammenarbeit von Wirtschaftsunternehmen und kulturellen Institutionen fördert. Diese Unternehmensvereinigung wirbt intensiv in Fachzeitschriften für die Mitgliedschaft und weist ausdrücklich auf die Möglichkeiten hin, durch Spenden, Stiftungen, Sponsoring und Corporate Collecting erfolgsfördernd das Unternehmensimage zu verbessern. Für die symbiotische Verflechtung von Kunst und Kommerz besteht in den USA allgemein eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz. Die
Abhängigkeit der Museen von den sie fördernden Wirtschaftsunternehmen hat in den letzten fünfzehn Jahren jedoch sehr bedenkliche Formen angenommen, seitdem sich nämlich die Museen distanzlos auf die Imagebildung großer Unternehmen eingelassen haben. Thomas Krens, Leiter der New Yorker Solomon R. Guggenheim Foundation und des gleichnamigen Museums, gab offen zu: „Corporations tell museums which exhibitions they want to see realized, depending on the tastes of their audience. [...] museums have become part of the advertising program of corporations.“[23]
In Deutschland hat diese Haltung ihr Echo und ihren bisherigen Höhepunkt in der Aussage Jean-Christophe Ammanns gefunden, der das Frankfurter Museum für Moderne Kunst leitet: „Wir möchten Teil der Philosophie eines Unternehmens werden [...].“[24] Die Außenfassade seines Museums vermietete er an eine Firma, die an der Gebäudefront einen riesigen, metallenen Sahnebecher anbrachte. Bei einer solchen Werbung, die höchst aggressiv in das öffentliche Erscheinungsbild des Museums eingreift, stellt sich die Frage, ob sich die Frankfurter Bürger noch weiterhin mit diesem Haus indentifizieren können oder wollen. Rudi Fuchs vom Stedelijk Museum in Amsterdam ging noch weiter als Ammann und wollte Ende 1999 sechhundert Quadratmeter seiner Institution an die Autofirma Audi für die Präsentation neuer Automodelle vermieten. Erst der Stadtrat von Amsterdam konnte diesen grotesken Pakt verhindern.

V. Kulturfinanzierung in den USA: Vorbild oder Schreckgespenst?

Im folgenden sollen nun drei aktuelle Probleme, die sich für die Nutznießer des Systems der amerikanischen Kulturförderung ergeben, erörtert werden. Deren Erwähnung im folgenden „ das sei an dieser Stelle betont „ ist jedoch nicht Ausdruck typisch eurozentrischer Vorurteile, sondern stützt sich weitgehend auf explizit amerikanische Kritik.

1. Die zunehmende Selbstzensur in den amerikanischen Kulturinstitutionen
Da vor allem für Sponsoren bei einer Veranstaltung die erwirkte Medienresonanz und die Besucherzahlen als einzig verifizierbare Maßstäbe des Erfolgs gelten, stehen publikumsträchtige und somit medienwirksame Projekte fast immer am höchsten in der Gunst der Unternehmen. Die Programmpläne der Museen oder auch der Orchester müssen dem breiten Publikum und besonders den Sponsoren gefallen. Das Angebot unterliegt also dem Prinzip der Akzeptanz, was sowohl die Möglichkeit kultureller Vielfalt einschränkt wie auch Tendenzen zum Opportunismus fördert. Immer häufiger wird deshalb über Kulturprogramme in den USA in Hinblick darauf entschieden, ob sie sich für die Bedürfnisse potentieller Sponsoren, Spender und Stifter eignen. Unter diesen Umständen verliert das bürgerliche Verständnis von Kunst als einer im idealistischen Sinne autonomen Größe und auch kritischen Instanz immer mehr an Boden. Denn „Veranstaltungen, die wahrscheinlich die Geldgeber der Konzerne befremden würden, gehen auf das Risiko von Museumsangestellten sowohl für ihre eigene Karriere als auch für die Lebensfähigkeit ihrer Institute“.[25] Dies führt zu einem vorauseilenden Gehorsam, der durch Selbstzensur risikoreiche Ausstellungsexperimente in den Museen von vornherein unterbindet.
Dieses Phänomen hat in den meisten amerikanischen Kulturinstituten, vor allem in den großen Museen, in den letzten Jahren spürbar zugenommen. Philippe de Montebello, Direktor des Metropolitan Museum of Art, äußerte öffentlich, daß er in seinem Museum keine möglicherweise provozierenden Bilder ausstellen würde, um die Mäzene und Sponsoren nicht zu verschrecken.[26] Aus den gleichen Gründen hat der große Smithsonian-Museumsverband in Washington vor kurzem das National Museum of American History angewiesen, in der Ausstellung Wissenschaft im amerikanischen Alltag nicht über gesundheitsschädliche Folgen der chemischen Industrie zu berichten. Ein besonderer Skandal war 1989 die kurzfristige Absage der großen Robert-Mapplethorpe-Retrospektive in der Corcoran Gallery, dem ältesten Kunstmuseum Washingtons. Da Jesse Helms, einer der konservativsten Repulikaner im amerikanischen Kongress, die staatlichen Zuschüsse für diese Ausstellung äußerst heftig kritisiert hatte, ließ die Direktorin des Museums die Ausstellung kurz vor der Eröffnung platzen. 1999 schloß der Direktor des Detroit Institute of Arts eine Kunstausstellung in vorauseilendem Gehorsam, da das noch von seinem Vorgänger geplante Projekt angeblich blasphemische Werke enthielt. Die Aufzählung von Beispielen dieser Art von Selbstzensur ließe sich noch beliebig fortführen.
Daß mittlerweile auch in einem europäischen Land wie Deutschland die kulturelle Selbstzensur um sich gegriffen hat, ist an einer ƒußerung von Brigitte Conzen abzulesen, der ehemaligen Geschäftsführerin des Kulturkreises im BDI: „Ein Sponsor hat es nicht nötig, Einfluß auszuüben, da die Projekte, die ihm angeboten werden, bereits ‘passend’ gemacht worden sind. Die Selbstzensur der Anbieter funktioniert bestens und setzt frühzeitig ein.“[27] Dieser Umstand mag im Interesse der Wirtschaft sein, aber nicht im Interesse der Kultur, die sich nicht auf das Kulinarische und leicht Konsumierbare beschränken lassen kann. Das verständliche Kriterium der Wirtschaft, die gesellschaftliche Akzeptanz, darf keine grundlegende Kategorie für eine verantwortungsvolle Kulturpolitik werden. Unterstützung braucht auch oder gerade das Unbequeme und Provozierende, das Experimentelle und Minoritäre. Denn dasjenige, was bereits einen Konsens aufweist, bedarf nicht einer zusätzlichen ideelen Förderung. (Besonders absurd erscheint in diesem Zusammenhang das sogenannte „Sponsoring“ von Konzerten von Michael Jackson oder den Rolling Stones, die eine solche Unterstützung nicht im geringsten nötig haben.)

2. Die Kapitalisierung der Museen und ihrer Sammlungen
Die europäischen Museen und Ausstellunginstitutionen stehen unter dem zunehmenden Druck, profitorientiert zu arbeiten, die Kunst mitunter aggressiv zu vermarkten und sich von einem unternehmerischen Kalkül leiten zu lassen. Das Risiko, bisweilen auch die konkrete Folge ist eine Disneylandisierung im Sinne einer schamlos populistischen Kommerzialisierung. So äußerte der Hauptsponsor der umstrittenen Berlin-Biennale von 1998: „Eine Ausstellung muß wie ein Unternehmen geführt werden, ausgerichtet an der Frage nach dem Produkt, der Marktanalyse, der Zielvorgabe.“[28] Der kulturelle Wert einer Kunstausstellung wurde hier offensichtlich rein marktorientiert bemessen. Doch was nutzten diesem Sponsor seine absurden Vorstellungen, wenn die Fachwelt das Projekt letztendlich mit vernichtenden Kritiken bedachte.

Auch in den USA gilt die Institution des Kunstmuseums bisweilen nicht mehr vorrangig als Ort der Sammlung, Bewahrung, Erforschung und Vermittlung von Kunst als einer elementaren Verkörperung kultureller Praxis. Die Museen und die in ihrer Obhut befindlichen Objekte werden heute oftmals einfach als „Vermögenswerte“ bezeichnet. So spricht zum Beispiel Thomas Krens, Direktor des Guggenheim Museum in New York, statt vom Museum gerne von „Museumsindustrie“, von Ausstellungen als „Produkten“ und von der Praxis des „Vermögensmanagements“.[29] „ Das geschätzte Kunstvermögen der Guggenheim Foundation beläuft sich auf mindestens drei Milliarden Dollar. „ Infolge der drastischen Kürzungen vor allem der kommunalen Zuwendungen setzte in den USA zur Erschließung alternativer Finanzmittel eine Konjunktur des Museumsmarketings ein, was von Wirtschaftsunternehmen massiv unterstützt wird. Man beschäftigte sich im Zuge der Kapitalisierung jedoch nicht nur mit Wettbewerbsanalysen, Marktforschung und Produktpolitik, sondern unternahm einen Großangriff auf die eigenen Sammlungsbestände. Zwar verkauft so gut wie jedes amerikanische Kunstmuseum Werke aus seinem Bestand[30], doch mittlerweile hat die unternehmerische Einstellung der Museumsdirektoren und ihrer Trustees Ausmaße angenommen, die selbst in den USA auf heftige Kritik stoßen.

Das Guggenheim Museum verkaufte 1990 bei Sotheby's für 21 Millionen Dollar ein Bild Kandinskys, das nach kunsthistorischer Wertschätzung als höchst bedeutendes, einzigartiges Werk anzusehen ist und das zudem ein Kernstück der Sammlung war. Das Metropolitan Museum of Art stand dem nicht nach und veräußerte fast zur selben Zeit 149 Kunstwerke aus seinem Bestand. Auch das New Yorker Museum of Modern Art, das Art Institute of Chicago, das Modern Art Museum of Fort Worth und das Minneapolis Art Institute beteiligten sich am Ausverkauf ihrer Werke. Die Zeitschrift Art in America kommentierte treffend: „The frank acknowledgment that art works represent ‘stock’ or ‘assets’ violates a traditional idea of the museum as a guardian of cultural patrimony resistant to shifting fashions.“[31] Obwohl die American Association of Museums seit den 70er Jahren immer wieder darauf hingewiesen hat, wie wichtig der Zusammenhalt einer Sammlung sei, und daß ein verkauftes Werk meist nicht wieder zu ersetzen sei[32], hat das Shelburne Museum in Vermont vor wenigen Jahren 22 hochkarätige impressionistische Werke bei Sotheby’s versteigert, um seine maroden Finanzen zu sanieren. Die Arbeiten stammen alle aus der Havemeyer Collection, einer der legendärsten Privatsammlungen Amerikas. Allein die ersten fünf Werke, die im November 1996 in New York versteigert wurden, haben über 30 Millionen Dollar eingespielt, werden aber für den Sammlungsbestand unwiederbringlich verloren sein. Daß ein solcher musealer Ausverkauf nicht zwangsläufig auf die USA beschränkt bleibt, zeigt das negative Beispiel der Staatlichen Graphischen Sammlung und der Neuen Pinakothek in München, die „ wenn auch mit wesentlich bescheideneren Gewinnen „ in der zweiten Hälfte der 90er Jahre einige Kunstwerke aus ihren Sammlungen zu Geld machten, um die leeren Museumskassen aufzufüllen.

3. Der Rückzug sowohl der öffentlichen wie auch der privatwirtschaftlichen Förderer
Das Mitte der 60er Jahre gegründete NEA (National Endowment for the Arts) ist die einzige US-Bundesbehörde, die ausdrücklich für die Förderung der Künste bestimmt ist. Diese staatliche Stiftung gab 1996 bescheidene 162 Millionen Dollar aus. Durch Beschluß der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus wurden der NEA ein Jahr darauf noch nicht einmal mehr 100 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt. Diese Entwicklung kann nicht anders als katastrophal bezeichnet werden, denn der Stellenwert des NEA erschöpft sich nicht allein in der Höhe der staatlichen Gelder. Die Stiftung hebt die Unterstützungswürdigkeit des Nutznießers hervor und fordert unter anderem somit die notwendige Zusammenarbeit mit privaten Geldgebern heraus. Wenn dieser Anreiz nun wegfällt, dann forciert dies auch den Rückzug der privatwirtschaftlichen Förderer, der sich bereits aus anderen Gründen vollzieht.
Vor allem durch konjunkturbedingte Finanzprobleme verteilen viele, vor allem große amerikanische Unternehmen ihre Sponsoring- und Spendengelder wesentlich weniger großzügig als noch vor einigen Jahren. Selbst ein Publikumsmagnet wie 1996 die große Sommerausstellung des New Yorker Museum of Modern Art, Picasso und die Porträtmalerei, bekam dies deutlich zu spüren. Daß sich die US-Wirtschaft nur mit
10 % an den Finanzierungskosten dieser Ausstellung beteiligt hat, kann als deutliches Alarmsignal gewertet werden. Manche Unternehmen ziehen ihre Gelder jedoch nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern auch unter den Bedingungen der Political Correctness aus der Kulturförderung ab und verlagern ihre Ausgaben in den sozialen Bereich, aus dem sich der Staat immer mehr zurückzieht. Sie unterstützen Schulen für sozial Benachteiligte, Armenküchen, Obdachlosenheime, die unzureichende Gesundheitsversorgung oder engagieren sich im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit der Stadtjugend. So hat aus diesem Grund beispielsweise die äußerst vermögende Lannan Foundation, die in Los Angeles ein eigenes Kunstmuseum unterhielt, in den letzten Jahren ihre Ankäufe zeitgenössischer Kunst eingestellt und die wichtigsten Werke aus ihrer Sammlung verkauft.
Das Soziale wie ebenso das Ökologische haben sich als prestigefördernde Bereiche herausgestellt, und auch in Europa nehmen mittlerweile das Sozio- und Öko- beziehungsweise Umweltsponsoring zu. Obwohl wir in einer sogenannten Freizeitgesellschaft leben, haben in nicht wenigen Museen und besonders in den Galerien die Besucherzahlen deutlich abgenommen. Falls die sich verändernde Einschätzung der Prioritäten die Aufmerksamkeit auch der Sponsoren auf anderes richten sollte, werden diese wohl kaum Hemmungen haben, ihre Unterstützung der Kunst wieder zu entziehen und ihre Gunst anderen Bereichen zu gewähren, die der Imagepflege dienlicher erscheinen. Auch wenn Prognosen optimistisch davon ausgehen, daß die Ausgaben in der privaten Kulturförderung die nächsten Jahre steigen werden, ändert dies nichts daran, daß sich die Wirtschaft ihre Flexiblität auch im negativen Sinne erhalten muß. Und wenn die Kulturförderung ihre Attraktivität verliert, wird der Staat die dann aufklaffenden Finanzlücken nicht ausfüllen wollen oder können.

VI. Chancen und Perspektiven

Da die Frage nach „Vorbild oder Schreckgespenst“ weder nach der einen noch nach der anderen Seite auf ausschließliche Weise beantwortet werden kann, sollen abschließend auch spezifisch positive Seiten am amerikanischen Modell der Kulturfianzierung hervorgehoben werden. Was den enormen Anteil vor allem privater Spenden, Schenkungen und anderweitiger mäzenatischer Zuwendungen betrifft, kann man das soziale Engagement und kulturell gestalterische Verständnis der Amerikaner eigentlich nur bewundern. In dieser Hinsicht von einem generellen Vorbild für Europa zu sprechen ist aber sicherlich unangebracht, da die Unterschiede zwischen den Gesellschaften und den Systemen der Kulturförderung insgesamt doch zu groß sind. Vor allem fehlt hier das ausgeprägt liberalistische Prinzip der Eigeninitiative und das gleichzeitig individuelle Verantwortungsgefühl für gesellschaftliche Belange.
Trotzdem kann davon ausgegangen werden, daß die Erschließung nichtstaatlicher Finanzquellen durchaus ausweitbar und zum Teil nach amerikanischem Muster professionalisierbar ist, wenn man zum Beispiel an die erwähnte Praxis des Fundraising im Museumsbereich denkt. Daß die Bereitschaft zur privaten Kulturförderung auch durch die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen aktiviert werden kann, wird immer wieder betont. Ein privater Mäzen kann zum Beispiel in Deutschland nur 10 % vom Gesamtbetrag seiner Einkünfte für kulturelle Zwecke spenden und steuerlich geltend machen. In den USA gibt es bemerkenswerterweise überhaupt keine prozentuale Grenze für steuerlich absetzbare Spenden im gemeinnützigen Bereich, was natürlich die Spendenbereitschaft auf außergewöhnliche Weise fördert. So mag es nicht verwundern, daß nach einer Studie der Johns Hopkins University in Amerika der Durchschnitt aller Spenden im gemeinnützigen Bereich pro Jahr bei umgerechnet über 1200,- DM pro Kopf liegt, in Deutschland lediglich bei 170,- DM.[33] Auch die Schenkung von Kunstwerken an die Museen genießt in den USA ganz im Gegensatz zum deutschen Staat besondere Vergünstigungen „ und dies bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts: „Der Schenkende kann zu Steuerzwecken den vollen aktuellen Wert des Werkes absetzen, der wesentlich höher sein kann als zum Zeitpunkt des Kaufes. Zweifellos sind diese Steuervergünstigungen ein Hauptgrund für private Schenkungen“[34], wie Richard Oldenburg, der ehemalige Direktor des New Yorker Museum of Modern Art, kürzlich auf einem internationalen Kolloquium betonte.
Demnach sind in Europa auf der einen Seite kultur- und finanzpolitische Signale notwendig, die nach amerikanischem Beispiel dazu beitragen, eine gesellschaftlich positivere Bewertung von Privatinitiativen zu fördern, wie sie besonders durch Mäzene und private Stiftungen auf den Weg gebracht werden. Auf der anderen Seite aber muß es trotz aller Widrigkeiten unbedingt ein Ziel bleiben, eine langfristige Sicherung der notwendigen öffentlichen Finanzmittel zu erreichen, um den beschriebenen negativen Phänomenen des Rückzugs der privatwirtschaftlichen Förderer, der musealen Kapitalisierung und der institutionellen Selbstzensur zu entgehen, wie sie in den USA bereits sehr deutlich zu beobachten sind. Auch sollte von Europa aufmerksam zur Kenntnis genommen werden, daß unter dem System der weitgehend privaten Kulturfinanzierung viele amerikanische Museumsdirektoren am Ende der 90er Jahre eine große Unzufriedenheit zum Ausdruck gebracht haben.[35] Scharenweise kündigten die Leiter verschiedener Museen ihre Stellen, so zum Beispiel in Dallas, Chicago, New York, Washington und Philadelphia. Der Spagat zwischen Management und Kunstwissenschaft, Fundraising und Forschung wird immer mehr zur frustrierenden Akrobatik. Die Interessen differieren zu sehr und führen immer wieder zu Konflikten, auf die mittlerweile die amerikanischen Museumsdirektoren mit zunehmender Kritik oder gar Kündigung reagieren.

© Hubertus Butin


___Fussnoten:


1] Clemens Krümmel: superdocumenta, in: team compendium: selfmade matches, hrsg. v. Rita Baukrowitz und Karin Günther, Hamburg 1996, S. 160.

2] Andy Warhol: The Philosophy of Andy Warhol. (From A to B and Back Again), New York 1975, S. 77.

3] Warhol (wie Anm. 2), S. 92.

4] John Lennon, zit. n. Victor Bockris: Andy Warhol, Düsseldorf 1989, S. 381.

5] Peter Roth: Theorie, in: Corporate Collecting und Corporate Sponsoring. Dokumentation des Symposiums zur Art Frankfurt 1994, hrsg. v. Christoph Graf Douglas, Regensburg 1994, S. 35.

6] Brigitte Kössner: Kunstsponsoring II. Neue Trends & Entwicklungen, Wien 1998, S. 47.

7] Klaus Siebenhaar: Kultur & Management. Positionen ñ Tendenzen ñ Perspektiven, Berlin 1992, S. 9.

8] Kenneth Galbraith, zit. n. Richard Kriesche: Kunst im Glück. In: Kunstforum International, Band 87, Januar/Februar 1987, S. 234.

9] Thomas Bechtler, zit. n. Marjory Jacobson: Kunst im Unternehmen, Frankfurt/Main 1994, S. 170.

10] Uta Kösser: Wenn die Welt-Anschauung in die Brüche geht, ist es besser, sich die Welt anzuschauen, in: Weimarer Beiträge, Heft 2, 1993, S. 202.

11] Walther Grasskamp: Kunst und Geld. Szenen einer Mischehe, München 1998, S. 71.

12] Richard Bachinger, zit. n. Karla Fohrbeck: Renaissance der Mäzene? Interessenvielfalt in der privaten Kulturfinanzierung, Köln 1989, S. 296.

13] Marlies Hummel: Kulturfinanzierung durch Unternehmen in Zeiten verschärfter ökonomischer Sachzwänge, in: Die Krise überwinden. Kulturförderung in gemeinsamer Verantwortung (II). Grünbuch des Aktionskreises Kultur, hrsg. v. Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI, Bonn 1996, S. 74.

14] George Weisman: Philip Morris und die Kunst, München 1982, o. S. (deutsche Werbebroschüre der Philip Morris GmbH).

15] Hans Bär, zit. n. Paolo Bianchi: Kunst als Ausdruck der Unternehmenskultur, in: Kunstforum International, Band 102, Juli/August 1989, S. 224.

16] Alain-Dominique Perrin, zit. n. Sandra d'Aboville: Le MÈcÈnat francais: la Fin d'un prÈjugÈ, in: Galeries Magazine, Nr. 15, Oktober/November 1986, S. 74.

17] Ohne Namen, zit. n. Hans Haacke: Der Kampf ums Geld. Sponsoren, Kunst, moderne Zeiten, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.10.95.

18] David Rockefeller, zit. n. Hans Haacke: Arbeitsbedingungen, in: Kunstforum International, Band 42, Juni 1980, S. 215 f.

19] Aufwendungen des Staates: 697 Mill. Dollar (ohne Public Broadcasting), der Bundesstaaten: 292 Mill. Dollar, der 51 grö_ten Städte: 184 Mill. Dollar, in: Kulturfinanzierung im Föderalismus, hrsg. v. Franz Otto Hofecker, Michael Söndermann, Andreas Johannes Wiesand, (kultur & wissenschaft. 7.) Bonn 1994, S. 120, 220-234.

20] Nach Berechnungen des Bonner Zentrums für Kulturforschung, in: Wiesand (wie Anm. 19), S. 192-194.

21] Richard Oldenburg: Abschied vom Kunsttempel. Wie können Museen im nächsten Jahrhundert überleben? in: Lettre International, Nr. 34, 1996, S. 44 (Vortrag vom 22. Mai 1996 anlä_lich des Kolloquiums Museo/ Museum: organizaciÛn, gestiÛn y communicaziÛn in Barcelona).

22] Ekkehard Bechler: Rahmenbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten der privaten Kulturförderung und -finanzierung in der Bundesrepublik Deutschland, in: Fohrbeck (wie Anm. 12), S. 48.

23] Thomas Krens: Museum Finances, in: The Economics of Art Museums, hrsg. v. Martin Feldstein, Chicago 1991, S. 64.

24] Jean-Christophe Ammann: Schöpferische Allianz. Mit Sponsoren in die Zukunft, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.10.95.

25] Hans Haacke: Arbeitsbedingungen, in: Kunstforum International, Band 42, Juni 1980, S. 218.

26] Philippe de Montebello, zit. n. Amei Wallach: High Stakes in Gambling Town, in: New York Newsday, 10. April 1990, S. 15.

27] Brigitte Conzen: Der Mäzen, in: Corporate Collecting. Manager: Die neuen Medici, hrsg. v. Werner Lippert, Düsseldorf 1990, S. 31.

28] Eberhard von Mayntz, zit. n. Friedrich Meschede: Ein Gespenst geht um, in: Das Guggenheim-Prinzip, hrsg. v. Hilmar Hoffman, Köln 1999, S. 80.

29] Thomas Krens, zit. n. Rosalind Krauss: Die kulturelle Logik desspätkapitalistischen Museums, in: Texte zur Kunst, Nr. 2, 2. Jg., Juni 1992, S. 142.

30] Peter Temin: An Economic History of American Art Museums, in: Feldstein (wie Anm. 23), S. 179-193.

31] Philip Weiss: Selling the Collection, in: Art in America, Nr. 78, Juli 1990, S. 125.

32] Steven L. Katz: Museum Trusteeship: The Fiduciary Ethic Applied, in: The Journal of Arts Management and Law, Nr. 4, Volume 16, Winter 1987, S. 72 f.

33] Roman Herzog: Operative Stiftungsarbeit, in: Hummel (wie Anm. 13), S. 39.

34] Richard Oldenburg: Abschied vom Kunsttempel. Wie können Museen im nächsten Jahrhundert überleben? in: Lettre International (wie Anm. 21), S. 43.

35] Eduard Beaucamp: Fluchtwelle, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.8.98.

 


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