Some
company recently was interested in buying my 'aura'. They didnt
want my product. They kept saying, We want your aura.
I never figured out what they wanted. But they were willing to pay
a lot for it. So then I thought that if somebody was willing to
pay that much for my it, I should try to figure out what it is.
Andy Warhol, von dem diese Anekdote stammt, hatte eine besondere
Arbeitsphilosophie, die mit dem genannten Firmeninteresse durchaus
kompatibel zu sein scheint: Good business is the best art.
Dieses Motto war keineswegs ironisch gemeint; es kann als zwar provokative,
aber durchaus zutreffende Aussage über Warhols perfekte Beherrschung
von Imagebildung, Public Relations und Marketing verstanden werden.
Er war zweifelsohne der erfolgreichste Künstler-Unternehmer
des 20. Jahrhunderts und mit seinen bereits in den 60er Jahren gegründeten
Andy Warhol Enterprises, Inc. der wohl größte
Master of the Business of Art. John Lennon bezeichnete ihn sogar
als the biggest publicity man in the world.
Warhol erteilte dem idealistischen Glauben an eine von jeder wirtschaftlichen
Realität abgehobene Autonomie und Reinheit der Künste
eine deutliche Absage. Die Überlagerung künstlerischer
und kommerzieller Wertigkeiten war für ihn, den ehemaligen
Werbegrafiker, etwas ganz Selbstverständliches. Seine Orientierung
an wirtschaftlichen Maßstäben kann geradezu als strategische
Ökonomisierung der künstlerischen Arbeit verstanden werden.
Heute, 13 Jahre nach Warhols Tod, situieren sich Kunst und Kultur
in einem System von Verflechtungen und Abhängigkeiten, das
umfassender denn je ökonomisch geprägt ist. Die oft antithetisch
behandelten Pole Kunst und Wirtschaft sind besonders im Laufe der
letzten anderthalb Jahrzehnte eine enge Verbindung eingegangen,
die von manchen begeistert als Fortschritt und Notwendigkeit begrüßt
wird und von anderen wiederum aufs schärfste als unheilvolle
Verbindung kritisiert wird.
I. Das Phänomen
der privaten Kulturförderung
Während die öffentliche
Hand immer öfter sparsam verschlossen bleibt, werden seit den
80er Jahren Kunst und Kultur in den reicheren Ländern Europas
verstärkt von seiten der Wirtschaft finanziert. Der Staat zieht
sich zunehmend aus der Finanzierung kultureller Einrichtungen zurück,
wohingegen nicht wenige Konzerne, Banken, Versicherungen, Produktions-
und Dienstleistungsunternehmen Kunst in den Mittelpunkt ihrer Unternehmenskultur
und ihres öffentlichen Erscheinungsbildes stellen. Kunstsponsoring
hat sich international zu einem wichtigen Bestandteil der Marketing-
und Kommunikationspolitik entwickelt. Als Kontakt- und Vermittlungsstelle
zwischen Wirtschaft und Kunst dienen seit einigen Jahren in manchen
Ländern private Agenturen, während es zum Beispiel in
Österreich und in der Schweiz eine solche Dienstleistung bereits
auf staatlicher Ebene gibt. Die Existenz von Zeitschriften wie Der
Kultursponsor oder Sponsor News und einer internationalen,
jährlichen Fachmesse für Sponsoren belegen das Interesse
an der Thematik. Dabei versteht man unter der wirtschaftlichen Praxis
des Sponsoring eine Unterstützung von Künstlern
oder Kultur-Instituten durch Geld-, Sach- oder Dienstleistungen
mit dem Ziel, einen Gegenwert meist in Form einer kommunikativen
Leistung zu erhalten.
Wird beispielsweise eine Museumsausstellung gesponsert, so können
folgende Leistungen mit dem Museum vereinbahrt werden: Nennung des
Sponsors auf Plakaten, Programmen, Eintrittskarten und in Katalogen,
Teilnahme an der Pressekonferenz, Exklusivinterviews, Ansprache
durch einen Sponsorvertreter bei der Eröffnung, spezielle Veranstaltungen
und Freikarten für Betriebsangehörige oder Kunden, Erwähnung
des Sponsoring in Werbeanzeigen und Geschäftsberichten usw.
Diese Gegenleistung erfolgt normalerweise in Übereinstimmung
mit den unternehmerischen Zielen, denn ein Sponsor ist ein nach
ökonomischen Kriterien handelnder Manager und kein feinsinniger,
selbstloser Mäzen. Das moderne Mäzenatentum in Form des
umfangreichen Spendenwesens spielt durchaus eine bedeutende Rolle
bei der Kulturfinanzierung, doch bei der Suche nach den Motiven
dieser Praxis bewegt man sich in einer Grauzone. Die Verteilung
von privatwirtschaftlichen Spenden läuft im Gegensatz zum Sponsoring
meist im stillen ab, doch impliziert dies nicht zwangsläufig
eine wirkliche Uneigennützigkeit, da Spenden nicht selten mit
lobbyistischen Zielen verbunden werden. Auf der anderen Seite können
Spenden jedoch nur in sehr begrenztem Rahmen steuerlich geltend
gemacht werden, während echte Sponsoringbeträge zum Beispiel
in der Bundesrepublik Deutschland als vollgültige Betriebsausgaben
steuerlich abzugsfähig sind. In keinem anderen Land Europas
wird soviel Geld von privatwirtschaftlicher, aber auch von staatlicher
Seite für Kunst und Kultur ausgegeben. 1994 wurden in Deutschland
über 2,3 Milliarden DM für Sponsoring ausgegeben, davon
das meiste im Sportbereich, während die Kultur mit 380 Millionen
DM unterstützt wurde. 1995 beliefen sich die Sponsoringausgaben
für die Kultur auf 425 Millionen DM, wobei durch Mäzenatentum
nochmals die gleiche Summe aufgebracht werde konnte. Die deutschen
Sponsoringmillionen sind lediglich knapp 3 % von dem, was der Staat,
die Bundesländer und Kommunen in jenem Jahr für die Kultur
aufwendeten (14,5 Milliarden DM),
und es ist ebenfalls wenig im Verhältnis zu der Summe, die
die deutsche Wirtschaft für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit
ausgab: 50 Milliarden DM. Trotzdem sind viele große und kleine
Projekte von Künstlern und Museen ohne Sponsoring heute nicht
mehr zu realisieren, denn gerade in den genannten 3 % sind die Mittel
enthalten, die die operationale Handlungsfähigkeit beispielsweise
bei der Ausstellungsplanung der Museen noch einigermaßen gewährleisten.
Sponsoring ist generell immer ein Geschäft auf Gegenseitigkeit
zwischen zwei Partnern, die jedoch unterschiedliche Ziele verfolgen.
Der Sponsor will dabei als Geschäftspartner gesehen werden
und seine eigenen Interessen gewahrt wissen. Die zentrale Frage
muß nun lauten: Wie geht man mit diesen Interessen um, und
welche Auswirkungen kann die private Kulturförderung auf die
kulturelle Arbeit haben? Nicht Sponsoring an sich stellt ein Problem
dar, sondern relevant erscheint in erster Linie die Frage nach dem
Umgang mit dieser Finanzierungsform und nach den langfristigen Folgen.
Vorweg sollen jedoch die spezifischen Interessen der Wirtschaft
an der Kunst in einem kurzen Exkurs aufgezeigt werden.
II. Die ökonomischen
Interessen der Wirtschaft
Der Kulturwissenschaftler
und Kommunikationshistoriker Klaus Siebenhaar bemerkte in bezug
auf die 80er Jahre: Gestützt von der empirischen Sozialwissenschaft
und kultursoziologischen Forschungen, die ein verändertes Wertverhalten,
eine Wertedynamik hin zu individueller Freiheit und Selbstverwirklichung
diagnostizierten, begann ganz allmählich ein Neues Denken in
die Führungsetagen Einzug zu halten.
Zukunftsweisende Managementtheorien versuchten in vielen Ländern
Europas, spezifisch künstlerische Qualitäten als konstitutive
Faktoren in unternehmerische Strategien einzubauen. Dabei verkörpert
für die Wirtschaft die Figur des Künstlers Kreativität,
Fantasie und Innovation, Individualismus, Selbstverantwortlichkeit
und Flexibilität. Fazit: Die Kunst wird als geistig stimulierendes
Produktivkapital für die angestrebte Kreativkultur des Business
gesehen. Der Wirtschaftstheoretiker Kenneth Galbraith brachte dies
auf den kurzen Nenner: Bewußt oder unbewußt ist
der Künstler oder die Künstlerin lebensnotwendig für
den industriellen Fortschritt.
Thomas Bechtler, Schweizer Unternehmer und Präsident des Züricher
Kunsthauses, formulierte das Interesse an künstlerischer Praxis
folgendermaßen: In der Regel wird der rationale und
analytische Aspekt im Management betont und überbetont, und
gleichzeitig wird die Bedeutung der Intuition für Managemententscheidungen
unterschätzt oder ganz übersehen. Aber in vielen Fällen
spielt die Intuition eine Schlüsselrolle. Dabei kann
die Kunst als intuitionsfördernde Kommunikationsform ein
Mittel sein, mit dem wir lernen, eine komplexe Situation durch ein
vereinfachtes Bild wahrzunehmen.
Ganz verkürzt gesagt, entspricht diese Vorstellung einem gängigen
postmodernen Denken: Man kann die Welt nicht mehr auf den
Begriff bringen, man kann sie nur noch wahrnehmen und mit Hilfe
von Bildern beschreiben.
Trotz aller notwendigen Zweckrationalität in der ökonomischen
Praxis soll nach unternehmerischer Ansicht somit das Kunstengagement
zu einer fortschrittsorientierten Produktivität und Innovationsfähigkeit
beitragen. Die so gerne verwendeten Begriffe Kreativität, Flexibilität
und Innovation stammen jedoch von Fürsprechern
der Kultur, die ihr eine Bedeutung zuschreiben, für die
sie nicht gemacht wird,
an der sie aber immer häufiger gemessen wird. Kein Künstler
produziert ein Werk, um als Statthalter oder Ausdruck wirtschaftlicher
Effizienz zu dienen. Falls eine künstlerische Arbeit zum Beispiel
in einer Corporate Collection tatsächlich die berufliche Kreativität
und Motivation der Mitarbeiter fördert und somit ihre Konkurrenzfähigkeit
steigert, dann hat dies sicherlich nichts mit den Gedanken und Intentionen
des Künstlers zu tun, was die grundsätzliche Differenz
der Interessen deutlich macht.
Neben dem Aspekt der Produktivität spielt bei der Verbindung
von Kunst und Wirtschaft auch die Konstruktion von Identität
eine große Rolle. Darunter wird hier nicht eine natürlich
vorgegebene Konstante verstanden, sondern die allgemeinste Form
der individuellen und kollektiven Selbstdefinition. Die interessegeleitete
Betonung von Identitäten und damit auch von Differenzen, Fremdheit
und Abweichung führt auf politischer Ebene leicht zu einer
negativen Politik des Ein- und Ausgrenzens. Aus wirtschaftlicher
Sicht erscheint Identitätsstiftung jedoch als ein notwendiges
Element der auf Konkurrenz angelegten Marktwirtschaft. Das Image
sowohl des Produkts wie auch des Herstellers ist für die gesellschaftliche
Akzeptanz äußerst wichtig, manchmal sogar ausschlaggebender
als die objektivierbare Qualität des Angebotenen. Mancher Werbespot
zeigt nicht einmal mehr das reale Produkt, sondern nur dessen symbolische
Ausstrahlung. Richard Bachinger von der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit
und Werbung des italienischen Olivetti-Konzerns äußerte
diesbezüglich: In Zukunft werden sich Unternehmen nur
mit klar erkennbarer Identität auf den immer härter umkämpften
Märkten behaupten. Da die Produkte in Preis, Leistung und oft
sogar im Aussehen nur noch schwer zu unterscheiden sind, kann die
Identität und damit das Image eines Unternehmens den Kauf entscheidend
beeinflussen.
Zur Profilierung und damit Differenzierung von anderen Unternehmen
soll nun gerade die bildende Kunst dienen, da sie anschaulich und
greifbar zur spezifischen Corporate Identity beiträgt, also
zur strategisch geplanten und operativ eingesetzten Unternehmensidentität.
Sponsoringaktivitäten oder Corporate Collecting, der Aufbau
einer internen Firmensammlung, können dabei nicht nur nach
außen, sondern auch unternehmensintern wirken, indem sie die
Mitarbeiterbindung an das Unternehmen verstärken. Kunst verkörpert
in den Augen der Wirtschaft auf diese Weise einen sozialen Integrationsfaktor,
der letztendlich einen erfolgsrelevanten Wettbewerbsvorteil bieten
soll.
III. Die offenen Worte
einiger Sponsoren
Schaut man sich die Hochglanzbroschüren
von manchen europäischen Unternehmen, Banken und Versicherungen
an, so wird dort immer noch oft der Anschein erzeugt, als würde
es diesen Institutionen bei der Kulturfinanzierung tatsächlich
in erster Linie um altruistische Motive gehen. Höchst ehrbare
Ziele werden da immer wieder genannt: Bekenntnis zur Kunst, gesellschaftliche
Verantwortung, Förderung von jungen Künstlern und von
Toleranz gegenüber der Kunst, Bereicherung der Lebensqualität
usw. Sicherlich mag es hier und da Unternehmen geben, die tatsächlich
so sozial und philanthropisch denken, doch die große Mehrzahl
hat in erster Linie ökonomische Interessen, was in der Natur
der Sache liegt. Daß mit Sponsoring eine Verantwortungsethik
gepflegt wird, bei der sozial übergreifende Wertvorstellungen,
wie sie eben Kunst und Kultur für die Sponsoren anscheinend
verkörpern, zur Rechtfertigung des eigenen ökonomischen
Handelns eingesetzt werden, wird in der Öffentlichkeit immer
noch selten oder nur verschämt zugegeben. Obwohl in
einer 1994 durchgeführten Umfrage des deutschen ifo-Instituts
für Wirtschaftsforschung 92,4 % der kulturfördernden Unternehmen
die eigene Imagepflege als vorrangiges Fördermotiv benannten.
In den USA und vereinzelt auch in Europa geht man mit der Frage
nach den Interessen bei der Kulturförderung wesentlich offener
um. George Weisman, der Vorstandsvorsitzende des amerikanischen
Zigarettenkonzerns Philip Morris äußerte in einer Werbebroschüre:
Das fundamentale Interesse der Wirtschaft an der Kunst ist
das Eigeninteresse. [...] Unsere grundsätzliche Entscheidung,
die Kunst zu fördern, war nicht bestimmt durch die Bedürftigkeit
oder die Situation der Kunstszene. Unser Bestreben war es, besser
als die Konkurrenz zu sein.
Wie konsequent dieses Ziel verfolgt wird, zeigte sich Mitte der
90er Jahre, als der New Yorker Stadtrat darüber nachdachte,
den Tabakkonsum in öffentlichen Räumen zu verbieten. Philip
Morris drohte daraufhin, seine finanzielle Unterstützung der
New Yorker Museen zu beenden. Selbst in der Schweiz ist man nicht
zimperlich, wenn es um die Frage nach den Kriterien der privaten
Kulturförderung geht. Der Sponsor Hans Bär vom renommierten
Züricher Bankhaus Julius Bär hat diesbezüglich deutliche
Worte gesprochen: Kultur ist ein Geschäft geworden, und
da läuft es dann eben wie anderswo auch: Was sich nicht verkauft,
hat wenig Überlebenschancen.
Alain-Dominique Perrin, Präsident von Cartier International,
begründete die Sponsoringaktivitäten seines Konzerns auf
lapidare Weise: Man kann damit die öffentliche Meinung
verführen.
Aggressiver formulierte es ein Public Relations-Angestellter des
amerikanischen Konzerns Mobil Oil: Diese Programme bringen
uns soviel Akzeptanz, daß wir bei wichtigen Fragen grob werden
können.
Daß der Konzern auch gegenüber Künstlern und Museen
grob werden kann, zeigte sich 1984 deutlich: Er drohte der gesponserten
Tate Gallery in London mit einer gerichtlichen Klage, da dieses
Museum eine Ausstellung des New Yorker Künstlers Hans Haacke
gezeigt hatte, die einige Arbeiten enthielt, welche die Unternehmenspolitik
von Mobil Oil kritisch unter die Lupe nehmen.
Mitte der 60er Jahre faßte David Rockefeller,Vorsitzender
des Aufsichtsrats der amerikanischen Chase Manhattan Bank, das grundsätzliche
Interesse der Wirtschaft an der Kunst beispielhaft zusammen: Eine
Verbindung zu den Künsten kann [...] der Firma Bekanntheit
sowie einen strahlenderen Ruf in der Öffentlichkeit verleihen
und für ein verbessertes Firmenimage sorgen. Sie kann bessere
Beziehungen zu den Kunden herstellen, größere Aufnahmebereitschaft
für die Produkte der Firma und eine höhere Einschätzung
ihrer Qualität mit sich bringen.
Generell ist das vorrangige Ziel demnach ein Imagetransfer, also
die Übertragung der positiven Imagedimensionen des gesponserten
Kulturereignisses auf das Unternehmensimage.
Es stellt sich nun die Frage, welche positiven und negativen Seiten
die spezifische Form der Kulturfinanzierung in den USA aufweist,
welche Rolle dabei die Wirtschaft spielt und ob oder inwieweit man
aus europäischer Sicht von einem Vorbild sprechen kann. Vor
dem Hintergrund aktueller Entwicklungen im Bereich der US-Kunstmuseen
soll eine differenzierte Bewertung vorgenommen werden.
IV. Das System der Kulturförderung
in den USA
Seit Beginn des 19. Jahrhunderts
lautet ein Grundkonsens der bürgerlichen Gesellschaft Europas,
daß die Förderung des kulturellen Lebens eine elementare
öffentliche Aufgabe sei. Hingegen kennzeichnet den traditionellen
amerikanischen Liberalismus die grundlegende Vorstellung, daß
es die Eigeninitiative sei, die es den Menschen erlaube, ein unabhängiges,
produktives und kulturell gestalterisches Leben zu führen.
Diese individualistisch auf Eigenverantwortung ausgerichtete Haltung
und das gleichzeitige Mißtrauen gegen staatliche Eingriffe
hat Vor- und Nachteile. Auf der einen Seite erschwert es zum Beispiel
den Aufbau eines umfassenden Systems der sozialen Sicherung und
der Gesundheitsfürsorge, auf der anderen Seite fördert
es das Engagement des Einzelnen und dies auch im Sinne des
Gemeinwohls.
Nicht nur der Wohlfahrtsbereich, sondern auch die Kulturförderung
beruht in den USA weitgehend auf privater Finanzierung, denn die
amerikanische Verfassung kennt keine Bestimmung, die konkrete staatliche
Aufgaben im kulturpolitischen Bereich beinhaltet. So sind Museen,
Orchester, Opernhäuser, Theater, Universitäten und Bibliotheken
ohne das private Engagement gar nicht denkbar. Deshalb sind selbst
der einzige staatliche US-Fernsehsender, der Kulturkanal PBS, oder
ein so hochsubventioniertes Museum wie die National Gallery of Art
in Washington abhängig von Mäzenen, Sponsoren und Stiftungen.
Für Kunst und Kultur wurden in den USA beispielsweise 1990
auf Bundes-, Staats- und Kommunalebene circa 1,2 Milliarden Dollar
ausgegeben
umgerechnet fast 2 Milliarden DM , während die
öffentlichen Haushalte zum Beispiel der Bundesrepublik Deutschland
im selben Jahr über 11 Milliarden DM aufwendeten.
Amerikanische Unternehmen gaben 1994 in der Kulturförderung
875 Millionen Dollar aus
umgerechnet über 1,4 Milliarden DM , deutsche
Unternehmen hingegen nur circa 380 Millionen DM.
Schon diese wenigen Zahlen veranschaulichen deutlich die unterschiedliche
Gewichtung der Anteile in der Kulturfinanzierung der beiden Länder.
Sie lassen gleichzeitig aber auch erkennen, daß die äußerst
dichte, reiche und damit auch viel teurere Kulturlandschaft Deutschlands
niemals nach amerikanischem Vorbild finanzierbar wäre. Der
aus amerikanischer Perspektive flächenmäßig winzige
Staat im Herzen Europas verfügt über fast 150 Sinfonieorchester,
während in den USA lediglich 55 vergleichbar Ensembles zu finden
sind; ganz zu schweigen von den über 100 deutschen Opernhäusern
mit fest angestellten Musikern und den entsprechenden Musiktheatern
in Amerika, von denen es nur zwei Dutzend gibt. Ohne hier auf die
sehr bemerkenswerte Geschichte der amerikanischen Kunstsammlungen
eingehen zu können, soll zumindest hervorgehoben werden, daß
fast alle US-Kunstmuseen historisch auf privaten, gemeinnützigen
Stiftungen beruhen wobei sich noch heute über drei Viertel
dieser Museen in privater Trägerschaft befindet. Sie werden
meist von Boards of Trustees, also Kuratorien von Treuhändern,
nach eigenem Gutdünken geleitet. Die Trustees sind fast ausschließlich
prominente Figuren aus der Finanz- und Geschäftswelt. Die Museumspolitik
wird indirekt von diesen Treuhändern bestimmt, da die Museumsdirektoren
und -kuratoren ganz von deren Wohlwollen abhängig sind, also
nicht wirklich unabhängig agieren können. Neben der gesellschaftlichen
Repräsentation gehört vor allem die Finanzmittelbeschaffung
zu den Hauptaufgaben der Trustees. Denn die Museen erhalten im Durchschnitt
nur 20-30 % ihrer notwendigen Finanzmittel durch die Zuwendungen
der Bundes-, Staats- und Kommunal-Administrationen. Es gibt jedoch
auch viele Museen, die so gut wie gar kein Geld bekommen, wie zum
Beispiel das Museum of Modern Art in New York. Die fehlenden Finanzmittel
müssen durch Eintrittskarten, Museumsshops, Restaurantbetriebe
und durch die Erhebung von Leihgebühren erwirtschaftet werden.
Eine besonders große Rolle spielen außerdem Spenden
von Privatpersonen, Mitgliederbeiträge und Zinserträge
aus Stiftungskapital. Für die kulturellen Institutionen wie
auch für das Sozialwesen, den Bildungsbereich und die Kirchen
stellt deshalb die Praxis des Fundraising neben der inhaltlichen
Arbeit die zentrale Organisationsaufgabe dar. Unter Fundraising
wird vor allem die planmäßige Form des Spendensammelns
verstanden, und niemand in Amerika würde auf die Idee kommen,
diese Praxis als Betteln zu diffamieren. Im Gegenteil mittlerweile
hat sich ein ganzer Wirtschaftszweig mit Fundraising-Consultants
entwickelt, die sich professionell um die Beschaffung gemeinnützig
einzusetzender Gelder bemühen.
Bemerkenswert viele Amerikaner sehen es als soziale Verpflichtung,
ihren freiwilligen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten, ob in Form
von Spenden oder ehrenamtlicher Arbeit. Diese philanthropische Tradition
genießt in den USA ein sehr hohes Ansehen. Zu den privaten
Finanzierungszuwendungen für die Museen durch Mitglieder, Bürgerkomitees
und Individualstifter gesellten sich ab den 70er Jahren verstärkt
Gelder von Wirtschaftsunternehmen. Auch wenn immer noch das meiste
Geld für die Kultur durch private Spenden einzelner Bürger
und nicht durch die Wirtschaft aufgebracht wird, ist letzteres mittlerweile
doch zu einem bedeutenden Faktor in der Kulturfinanzierung geworden.
David Rockefeller initiierte bereits 1967 das Business Committee
for the Arts, das die Zusammenarbeit von Wirtschaftsunternehmen
und kulturellen Institutionen fördert. Diese Unternehmensvereinigung
wirbt intensiv in Fachzeitschriften für die Mitgliedschaft
und weist ausdrücklich auf die Möglichkeiten hin, durch
Spenden, Stiftungen, Sponsoring und Corporate Collecting erfolgsfördernd
das Unternehmensimage zu verbessern. Für die symbiotische Verflechtung
von Kunst und Kommerz besteht in den USA allgemein eine hohe gesellschaftliche
Akzeptanz. Die
Abhängigkeit der Museen von den sie fördernden Wirtschaftsunternehmen
hat in den letzten fünfzehn Jahren jedoch sehr bedenkliche
Formen angenommen, seitdem sich nämlich die Museen distanzlos
auf die Imagebildung großer Unternehmen eingelassen haben.
Thomas Krens, Leiter der New Yorker Solomon R. Guggenheim Foundation
und des gleichnamigen Museums, gab offen zu: Corporations
tell museums which exhibitions they want to see realized, depending
on the tastes of their audience. [...] museums have become part
of the advertising program of corporations.
In Deutschland hat diese Haltung ihr Echo und ihren bisherigen Höhepunkt
in der Aussage Jean-Christophe Ammanns gefunden, der das Frankfurter
Museum für Moderne Kunst leitet: Wir möchten Teil
der Philosophie eines Unternehmens werden [...].
Die Außenfassade seines Museums vermietete er an eine Firma,
die an der Gebäudefront einen riesigen, metallenen Sahnebecher
anbrachte. Bei einer solchen Werbung, die höchst aggressiv
in das öffentliche Erscheinungsbild des Museums eingreift,
stellt sich die Frage, ob sich die Frankfurter Bürger noch
weiterhin mit diesem Haus indentifizieren können oder wollen.
Rudi Fuchs vom Stedelijk Museum in Amsterdam ging noch weiter als
Ammann und wollte Ende 1999 sechhundert Quadratmeter seiner Institution
an die Autofirma Audi für die Präsentation neuer Automodelle
vermieten. Erst der Stadtrat von Amsterdam konnte diesen grotesken
Pakt verhindern.
V. Kulturfinanzierung
in den USA: Vorbild oder Schreckgespenst?
Im folgenden sollen nun
drei aktuelle Probleme, die sich für die Nutznießer des
Systems der amerikanischen Kulturförderung ergeben, erörtert
werden. Deren Erwähnung im folgenden das sei an dieser
Stelle betont ist jedoch nicht Ausdruck typisch eurozentrischer
Vorurteile, sondern stützt sich weitgehend auf explizit amerikanische
Kritik.
1. Die zunehmende
Selbstzensur in den amerikanischen Kulturinstitutionen
Da vor allem für Sponsoren bei einer Veranstaltung die
erwirkte Medienresonanz und die Besucherzahlen als einzig verifizierbare
Maßstäbe des Erfolgs gelten, stehen publikumsträchtige
und somit medienwirksame Projekte fast immer am höchsten in
der Gunst der Unternehmen. Die Programmpläne der Museen oder
auch der Orchester müssen dem breiten Publikum und besonders
den Sponsoren gefallen. Das Angebot unterliegt also dem Prinzip
der Akzeptanz, was sowohl die Möglichkeit kultureller Vielfalt
einschränkt wie auch Tendenzen zum Opportunismus fördert.
Immer häufiger wird deshalb über Kulturprogramme in den
USA in Hinblick darauf entschieden, ob sie sich für die Bedürfnisse
potentieller Sponsoren, Spender und Stifter eignen. Unter diesen
Umständen verliert das bürgerliche Verständnis von
Kunst als einer im idealistischen Sinne autonomen Größe
und auch kritischen Instanz immer mehr an Boden. Denn Veranstaltungen,
die wahrscheinlich die Geldgeber der Konzerne befremden würden,
gehen auf das Risiko von Museumsangestellten sowohl für ihre
eigene Karriere als auch für die Lebensfähigkeit ihrer
Institute.
Dies führt zu einem vorauseilenden Gehorsam, der durch Selbstzensur
risikoreiche Ausstellungsexperimente in den Museen von vornherein
unterbindet.
Dieses Phänomen hat in den meisten amerikanischen Kulturinstituten,
vor allem in den großen Museen, in den letzten Jahren spürbar
zugenommen. Philippe de Montebello, Direktor des Metropolitan Museum
of Art, äußerte öffentlich, daß er in seinem
Museum keine möglicherweise provozierenden Bilder ausstellen
würde, um die Mäzene und Sponsoren nicht zu verschrecken.
Aus den gleichen Gründen hat der große Smithsonian-Museumsverband
in Washington vor kurzem das National Museum of American History
angewiesen, in der Ausstellung Wissenschaft im amerikanischen
Alltag nicht über gesundheitsschädliche Folgen der
chemischen Industrie zu berichten. Ein besonderer Skandal war 1989
die kurzfristige Absage der großen Robert-Mapplethorpe-Retrospektive
in der Corcoran Gallery, dem ältesten Kunstmuseum Washingtons.
Da Jesse Helms, einer der konservativsten Repulikaner im amerikanischen
Kongress, die staatlichen Zuschüsse für diese Ausstellung
äußerst heftig kritisiert hatte, ließ die Direktorin
des Museums die Ausstellung kurz vor der Eröffnung platzen.
1999 schloß der Direktor des Detroit Institute of Arts eine
Kunstausstellung in vorauseilendem Gehorsam, da das noch von seinem
Vorgänger geplante Projekt angeblich blasphemische Werke enthielt.
Die Aufzählung von Beispielen dieser Art von Selbstzensur ließe
sich noch beliebig fortführen.
Daß mittlerweile auch in einem europäischen Land wie
Deutschland die kulturelle Selbstzensur um sich gegriffen hat, ist
an einer ußerung von Brigitte Conzen abzulesen, der
ehemaligen Geschäftsführerin des Kulturkreises im BDI:
Ein Sponsor hat es nicht nötig, Einfluß auszuüben,
da die Projekte, die ihm angeboten werden, bereits passend
gemacht worden sind. Die Selbstzensur der Anbieter funktioniert
bestens und setzt frühzeitig ein.
Dieser Umstand mag im Interesse der Wirtschaft sein, aber nicht
im Interesse der Kultur, die sich nicht auf das Kulinarische und
leicht Konsumierbare beschränken lassen kann. Das verständliche
Kriterium der Wirtschaft, die gesellschaftliche Akzeptanz, darf
keine grundlegende Kategorie für eine verantwortungsvolle Kulturpolitik
werden. Unterstützung braucht auch oder gerade das Unbequeme
und Provozierende, das Experimentelle und Minoritäre. Denn
dasjenige, was bereits einen Konsens aufweist, bedarf nicht einer
zusätzlichen ideelen Förderung. (Besonders absurd erscheint
in diesem Zusammenhang das sogenannte Sponsoring von
Konzerten von Michael Jackson oder den Rolling Stones, die eine
solche Unterstützung nicht im geringsten nötig haben.)
2. Die Kapitalisierung
der Museen und ihrer Sammlungen
Die europäischen Museen und Ausstellunginstitutionen stehen
unter dem zunehmenden Druck, profitorientiert zu arbeiten, die Kunst
mitunter aggressiv zu vermarkten und sich von einem unternehmerischen
Kalkül leiten zu lassen. Das Risiko, bisweilen auch die konkrete
Folge ist eine Disneylandisierung im Sinne einer schamlos populistischen
Kommerzialisierung. So äußerte der Hauptsponsor der umstrittenen
Berlin-Biennale von 1998: Eine Ausstellung muß wie ein
Unternehmen geführt werden, ausgerichtet an der Frage nach
dem Produkt, der Marktanalyse, der Zielvorgabe.
Der kulturelle Wert einer Kunstausstellung wurde hier offensichtlich
rein marktorientiert bemessen. Doch was nutzten diesem Sponsor seine
absurden Vorstellungen, wenn die Fachwelt das Projekt letztendlich
mit vernichtenden Kritiken bedachte.
Auch in den USA gilt die Institution des Kunstmuseums bisweilen
nicht mehr vorrangig als Ort der Sammlung, Bewahrung, Erforschung
und Vermittlung von Kunst als einer elementaren Verkörperung
kultureller Praxis. Die Museen und die in ihrer Obhut befindlichen
Objekte werden heute oftmals einfach als Vermögenswerte
bezeichnet. So spricht zum Beispiel Thomas Krens, Direktor des Guggenheim
Museum in New York, statt vom Museum gerne von Museumsindustrie,
von Ausstellungen als Produkten und von der Praxis des
Vermögensmanagements.
Das geschätzte Kunstvermögen der Guggenheim Foundation
beläuft sich auf mindestens drei Milliarden Dollar.
Infolge der drastischen Kürzungen vor allem der kommunalen
Zuwendungen setzte in den USA zur Erschließung alternativer
Finanzmittel eine Konjunktur des Museumsmarketings ein, was von
Wirtschaftsunternehmen massiv unterstützt wird. Man beschäftigte
sich im Zuge der Kapitalisierung jedoch nicht nur mit Wettbewerbsanalysen,
Marktforschung und Produktpolitik, sondern unternahm einen Großangriff
auf die eigenen Sammlungsbestände. Zwar verkauft so gut wie
jedes amerikanische Kunstmuseum Werke aus seinem Bestand,
doch mittlerweile hat die unternehmerische Einstellung der Museumsdirektoren
und ihrer Trustees Ausmaße angenommen, die selbst in den USA
auf heftige Kritik stoßen.
Das Guggenheim Museum verkaufte 1990 bei Sotheby's für 21 Millionen
Dollar ein Bild Kandinskys, das nach kunsthistorischer Wertschätzung
als höchst bedeutendes, einzigartiges Werk anzusehen ist und
das zudem ein Kernstück der Sammlung war. Das Metropolitan
Museum of Art stand dem nicht nach und veräußerte fast
zur selben Zeit 149 Kunstwerke aus seinem Bestand. Auch das New
Yorker Museum of Modern Art, das Art Institute of Chicago, das Modern
Art Museum of Fort Worth und das Minneapolis Art Institute beteiligten
sich am Ausverkauf ihrer Werke. Die Zeitschrift Art in America
kommentierte treffend: The frank acknowledgment that art works
represent stock or assets violates a traditional
idea of the museum as a guardian of cultural patrimony resistant
to shifting fashions.
Obwohl die American Association of Museums seit den 70er Jahren
immer wieder darauf hingewiesen hat, wie wichtig der Zusammenhalt
einer Sammlung sei, und daß ein verkauftes Werk meist nicht
wieder zu ersetzen sei,
hat das Shelburne Museum in Vermont vor wenigen Jahren 22 hochkarätige
impressionistische Werke bei Sothebys versteigert, um seine
maroden Finanzen zu sanieren. Die Arbeiten stammen alle aus der
Havemeyer Collection, einer der legendärsten Privatsammlungen
Amerikas. Allein die ersten fünf Werke, die im November 1996
in New York versteigert wurden, haben über 30 Millionen Dollar
eingespielt, werden aber für den Sammlungsbestand unwiederbringlich
verloren sein. Daß ein solcher musealer Ausverkauf nicht zwangsläufig
auf die USA beschränkt bleibt, zeigt das negative Beispiel
der Staatlichen Graphischen Sammlung und der Neuen Pinakothek in
München, die wenn auch mit wesentlich bescheideneren
Gewinnen in der zweiten Hälfte der 90er Jahre einige
Kunstwerke aus ihren Sammlungen zu Geld machten, um die leeren Museumskassen
aufzufüllen.
3. Der Rückzug sowohl der öffentlichen wie auch
der privatwirtschaftlichen Förderer
Das Mitte der 60er Jahre gegründete NEA (National Endowment
for the Arts) ist die einzige US-Bundesbehörde, die ausdrücklich
für die Förderung der Künste bestimmt ist. Diese
staatliche Stiftung gab 1996 bescheidene 162 Millionen Dollar aus.
Durch Beschluß der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus
wurden der NEA ein Jahr darauf noch nicht einmal mehr 100 Millionen
Dollar zur Verfügung gestellt. Diese Entwicklung kann nicht
anders als katastrophal bezeichnet werden, denn der Stellenwert
des NEA erschöpft sich nicht allein in der Höhe der staatlichen
Gelder. Die Stiftung hebt die Unterstützungswürdigkeit
des Nutznießers hervor und fordert unter anderem somit die
notwendige Zusammenarbeit mit privaten Geldgebern heraus. Wenn dieser
Anreiz nun wegfällt, dann forciert dies auch den Rückzug
der privatwirtschaftlichen Förderer, der sich bereits aus anderen
Gründen vollzieht.
Vor allem durch konjunkturbedingte Finanzprobleme verteilen viele,
vor allem große amerikanische Unternehmen ihre Sponsoring-
und Spendengelder wesentlich weniger großzügig als noch
vor einigen Jahren. Selbst ein Publikumsmagnet wie 1996 die große
Sommerausstellung des New Yorker Museum of Modern Art, Picasso
und die Porträtmalerei, bekam dies deutlich zu spüren.
Daß sich die US-Wirtschaft nur mit
10 % an den Finanzierungskosten dieser Ausstellung beteiligt hat,
kann als deutliches Alarmsignal gewertet werden. Manche Unternehmen
ziehen ihre Gelder jedoch nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen,
sondern auch unter den Bedingungen der Political Correctness aus
der Kulturförderung ab und verlagern ihre Ausgaben in den sozialen
Bereich, aus dem sich der Staat immer mehr zurückzieht. Sie
unterstützen Schulen für sozial Benachteiligte, Armenküchen,
Obdachlosenheime, die unzureichende Gesundheitsversorgung oder engagieren
sich im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit der Stadtjugend.
So hat aus diesem Grund beispielsweise die äußerst vermögende
Lannan Foundation, die in Los Angeles ein eigenes Kunstmuseum unterhielt,
in den letzten Jahren ihre Ankäufe zeitgenössischer Kunst
eingestellt und die wichtigsten Werke aus ihrer Sammlung verkauft.
Das Soziale wie ebenso das Ökologische haben sich als prestigefördernde
Bereiche herausgestellt, und auch in Europa nehmen mittlerweile
das Sozio- und Öko- beziehungsweise Umweltsponsoring zu. Obwohl
wir in einer sogenannten Freizeitgesellschaft leben, haben in nicht
wenigen Museen und besonders in den Galerien die Besucherzahlen
deutlich abgenommen. Falls die sich verändernde Einschätzung
der Prioritäten die Aufmerksamkeit auch der Sponsoren auf anderes
richten sollte, werden diese wohl kaum Hemmungen haben, ihre Unterstützung
der Kunst wieder zu entziehen und ihre Gunst anderen Bereichen zu
gewähren, die der Imagepflege dienlicher erscheinen. Auch wenn
Prognosen optimistisch davon ausgehen, daß die Ausgaben in
der privaten Kulturförderung die nächsten Jahre steigen
werden, ändert dies nichts daran, daß sich die Wirtschaft
ihre Flexiblität auch im negativen Sinne erhalten muß.
Und wenn die Kulturförderung ihre Attraktivität verliert,
wird der Staat die dann aufklaffenden Finanzlücken nicht ausfüllen
wollen oder können.
VI. Chancen und Perspektiven
Da die Frage nach Vorbild
oder Schreckgespenst weder nach der einen noch nach der anderen
Seite auf ausschließliche Weise beantwortet werden kann, sollen
abschließend auch spezifisch positive Seiten am amerikanischen
Modell der Kulturfianzierung hervorgehoben werden. Was den enormen
Anteil vor allem privater Spenden, Schenkungen und anderweitiger
mäzenatischer Zuwendungen betrifft, kann man das soziale Engagement
und kulturell gestalterische Verständnis der Amerikaner eigentlich
nur bewundern. In dieser Hinsicht von einem generellen Vorbild für
Europa zu sprechen ist aber sicherlich unangebracht, da die Unterschiede
zwischen den Gesellschaften und den Systemen der Kulturförderung
insgesamt doch zu groß sind. Vor allem fehlt hier das ausgeprägt
liberalistische Prinzip der Eigeninitiative und das gleichzeitig
individuelle Verantwortungsgefühl für gesellschaftliche
Belange.
Trotzdem kann davon ausgegangen werden, daß die Erschließung
nichtstaatlicher Finanzquellen durchaus ausweitbar und zum Teil
nach amerikanischem Muster professionalisierbar ist, wenn man zum
Beispiel an die erwähnte Praxis des Fundraising im Museumsbereich
denkt. Daß die Bereitschaft zur privaten Kulturförderung
auch durch die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen aktiviert
werden kann, wird immer wieder betont. Ein privater Mäzen kann
zum Beispiel in Deutschland nur 10 % vom Gesamtbetrag seiner Einkünfte
für kulturelle Zwecke spenden und steuerlich geltend machen.
In den USA gibt es bemerkenswerterweise überhaupt keine prozentuale
Grenze für steuerlich absetzbare Spenden im gemeinnützigen
Bereich, was natürlich die Spendenbereitschaft auf außergewöhnliche
Weise fördert. So mag es nicht verwundern, daß nach einer
Studie der Johns Hopkins University in Amerika der Durchschnitt
aller Spenden im gemeinnützigen Bereich pro Jahr bei umgerechnet
über 1200,- DM pro Kopf liegt, in Deutschland lediglich bei
170,- DM.
Auch die Schenkung von Kunstwerken an die Museen genießt in
den USA ganz im Gegensatz zum deutschen Staat besondere Vergünstigungen
und dies bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts: Der
Schenkende kann zu Steuerzwecken den vollen aktuellen Wert des Werkes
absetzen, der wesentlich höher sein kann als zum Zeitpunkt
des Kaufes. Zweifellos sind diese Steuervergünstigungen ein
Hauptgrund für private Schenkungen,
wie Richard Oldenburg, der ehemalige Direktor des New Yorker Museum
of Modern Art, kürzlich auf einem internationalen Kolloquium
betonte.
Demnach sind in Europa auf der einen Seite kultur- und finanzpolitische
Signale notwendig, die nach amerikanischem Beispiel dazu beitragen,
eine gesellschaftlich positivere Bewertung von Privatinitiativen
zu fördern, wie sie besonders durch Mäzene und private
Stiftungen auf den Weg gebracht werden. Auf der anderen Seite aber
muß es trotz aller Widrigkeiten unbedingt ein Ziel bleiben,
eine langfristige Sicherung der notwendigen öffentlichen
Finanzmittel zu erreichen, um den beschriebenen negativen Phänomenen
des Rückzugs der privatwirtschaftlichen Förderer, der
musealen Kapitalisierung und der institutionellen Selbstzensur zu
entgehen, wie sie in den USA bereits sehr deutlich zu beobachten
sind. Auch sollte von Europa aufmerksam zur Kenntnis genommen werden,
daß unter dem System der weitgehend privaten Kulturfinanzierung
viele amerikanische Museumsdirektoren am Ende der 90er Jahre eine
große Unzufriedenheit zum Ausdruck gebracht haben.
Scharenweise kündigten die Leiter verschiedener Museen ihre
Stellen, so zum Beispiel in Dallas, Chicago, New York, Washington
und Philadelphia. Der Spagat zwischen Management und Kunstwissenschaft,
Fundraising und Forschung wird immer mehr zur frustrierenden Akrobatik.
Die Interessen differieren zu sehr und führen immer wieder
zu Konflikten, auf die mittlerweile die amerikanischen Museumsdirektoren
mit zunehmender Kritik oder gar Kündigung reagieren.
© Hubertus Butin
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