Zur Sache Schätzchen-Ein Film von May Spils & Werner Enke
- Semesterarbeit von Christian Ganzer SS'94- Filmakademie -
... daraus ein Gespräch mit Enke
Enke zu Besuch...
An der Filmakademie Baden-Württemberg fand 1997ein Gespräch zwischen Werner Enke und den Studenten (Benjamin Seide, Bernadette Paaßen, Christian Ganzer, Cyrill Tuschi und Oliver Keidel) statt.
Innerhalb des Gespräches sollten Unterschiede in der Herangehensweise an ein Filmprojekt zwischen "damals", d.h. also der Zeit in der Enke/Spils ihre ersten Kurzfilme realisierten, und heute ermittelt werden.
Es ging hier auch um einen "lockereren" Umgang mit der "Aufgabe" Film und die Frage, ob Autodidakten heute noch Chancen haben.
Ein Teil des Gesprächs existiert als Abschrift:
Enke:
Auf jeden Fall war das früher so in München,... das fängt schon mal so an, ich wohnte in einer unglaublich fürchterlichen Bude, für 50 Mark in Starnberg als Untermieter bei Frau Walter. Und May hat mich da rausgeholt und in eine andere Bude gesteckt, unterm Dach. Und da wohnte nebenan Hubs Hagen und der war dann der Kameramann von den ganzen Lembke-Filmen, also von den beiden Kurzfilmen, die ihr gerade gesehen habt. Irgendwie so lernte man sich kennen.
Es ist nicht so, wie bei Euch, Ihr sitzt quasi zusammen, so wie man in der Schule zusammen sitzt. Wir saßen aber freiwillig zusammen. Wir hatten eine Eckkneipe, das war eigentlich mehr so ein Brandloch, das sah von außen aus, als ob es irgendwann mal ausgebrannt wäre und so geblieben. Da saßen wir immer drin und soffen. Dann fing May immer an so abends um elf und sagte, komm, wir gehen jetzt nach Hause. Ich sagte, jetzt laß uns mal noch ein bißchen bleiben. Da war es ganz normal, daß irgendwann dann um zwölf May abhaute und Lembke sagte, Mensch ich muß auch nach Hause, wir drehen doch morgen wieder "Henker Tom", ich muß noch Drehbuch schreiben. Der war schon um 8 Uhr gekommen und hatte gesagt: ich muß heute Drehbuch schreiben, ich kann wirklich nur ein Bier trinken. Und irgendwie ging es dann doch so, daß es dann halb 3 wurde und wir saßen immer noch da. Ich hatte Lembke nicht gestanden, daß ich ab halb eins bei May nicht mehr reinkam und mußte ihn fragen, Lembke, kann ich dann heute nacht wieder bei Dir pennen? Und er sagte: Au, warum hast Du mir das nicht vorher gesagt, jetzt kommen wir ja beide nicht zum Schlafen. Denn Lembke hatte auch so ein Untermieterzimmer bei einem Schriftsteller. Das war so ein Aufklapp-Bett, ganz hinten in der Ritze schlief ich dann noch so ein bißchen und Lembke vorn, stocksauer, daß ich ihm das nicht rechtzeitig gesagt hatte. Wir haben dann im Grunde die zweite Hälfte von Henker Tom einfach so zusammenimprovisiert. Lembke, der große Drehbuchschreiber, der abends um 8 in die Kneipe gekommen war und gesagt hatte: "Ich muß noch Drehbuch schreiben!" Das wars dann nicht so, das haben wir alles so zusammengeknüppelt.
Es hat unheimlich viel mit Lembkes Mut zu tun gehabt, der einfach gesagt hat, wir machen das, und dann haben wir das auch gemacht. Lembke war unheimlich mutig, also ohne Lembke wäre überhaupt nichts gegangen. Das also als kleine Randgeschichte, so wie das ungefähr ausgesehen hat, damals.
Studenten:
Improvisation heißt doch, daß ihr das zusammen gemacht habt. Was ist daran das Mutige? Was ist das Andere damals gewesen?
Enke:
Das mutige bei Lembke war, daß er eines Tages gesagt hat: Ich zieh jetzt aus meinem Untermieterzimmer aus. Also damals war diese Atmosphäre, wo man sich in Hotels noch anmelden und eine Ehe vortäuschen mußte, wenn man zu zweit übernachten wollte. So lebten wir auch in Untermieterzimmern, wo du durch den Flur schleichen mußtest, wenn du spät nach hause kamst, weil da die Tochter schlief oder weil vielleicht die Oma da hinten aus dem anderen Zimmer herauskuckte. Es war so ein unglaublicher Mut dabei, daß der Lembke also eines Tages sagte: Jetzt will ich in einem Apartement wohnen, zum Beispiel. Und von da an gings auch bergauf. Irgendwie war auch plötzlich das Geld da und wir haben den Kurzfilm gedreht.
Der Lembke hat immer blind geglaubt, wir machen das und das wird was. Und irgendwie ist es auch was geworden. Gut, die Geldfrage. Diesen ersten Film, "Die kleine Front", das verdanken wir nur dem Umstand, daß Herrn Schlöndorff mit seinem "Jungen Törless" einen Erfolg hatte. Eines Tages kam dann eben Thome rein und sagte: Kinder, der Seitz hat Geld verdient mit dem "Jungen Törless", wir können einen Film drehen, wir haben zehntausend Mark.
Es ist eine unheimlich lange Geschichte, wie Lembke und ich uns kennengelernt haben. Es gibt immer so Leute, die daran glauben, daß es gemacht werden muß und die es dann auch machen. Nach den Kurzfilmen war es wirklich so, das klingt faul, war aber nicht faul, wir haben fünf Filme in 15 Jahren gamacht, daß heißt im Prinzip alle drei Jahre einen. Man muß ja auch ein bißchen wieder was erleben, ich hab mir von Grund auf die Geschichte neu ausgedacht, das hat schon immer eine Zeit gedauert. Es wäre schon einfacher, wenn man zum Beispiel einen fremden Stoff nähme.
Mir erscheint, wenn ich am Drehbuch sitze, das Drehbuch das schwierigste von allem, beim Drehen selber finde ich immer, daß das Drehbuch überhaupt das Unwichtigste ist. Man sagt auch: "Gut geschrieben dreht sich schlecht". Da hat man manchmal wochenlang an kurzen Dialogfetzelchen rumgemacht und am Schluß merkt man, daß mans garnicht brauchen kann, daß es anders geht, viel einfacher und besser. Jetzt bin ich furchtbar gesprungen. Ich wollte eigentlich ganz vorne anfangen, ich wollte wieder zurück in die Situation, wo wir waren, als wir so alt waren wie ihr. Ich weiß bloß zuwenig, wie die Möglichkeiten heute für euch sind.
Studenten:
Dadurch daß es jetzt einige Filmschulen gibt und noch einige Filmklassen an Hochschulen, werden bestimmt mehr Kurzfilme gedreht, denn je. Und es gibt auch mehr Abnehmer.
Enke:
Jetzt im Moment? Und wo sieht man die?
Studenten:
Alle Sender haben jetzt auch Kurzfilmsparten und wollen das auch mehr fördern. Premiere hat zum Beispiel eine eigene Sparte.
Enke:
Im Fernsehen also. Und die zahlen dann auch ein bißchen dafür? So daß sich das nicht nur amortisiert, sondern daß man dann auch einen Kurzfilm drehen kann und dann lohnt sich das? Was kriegt man denn da so?
Studenten:
Die Preise sind sehr gefallen. Die zahlen teilweise 1000 Mark für einen Kurzfilm.
Enke:
1000 Mark? Aber das kostet ja selbst mehr, wenn ihr Eure Mittel hier einsetzt und nur einen Schauspieler habt.
Studenten:
Was sehr gut war, waren 350 Mark pro Minute beim ARD.
Enke:
Auch das geht ja nur, wenn ihr die Kamera und die technische Ausrüstung von hier kostenlos kriegt. Wenn ihr das mieten müßt, dann geht die Rechnung schon wieder nicht mehr auf. Da müßt ihr ja noch zuzahlen. Da hauen sie Euch schon übers Ohr, weil das ist zuwenig.
Studenten:
Wenn du deinen Film schon bezahlt hast, dann kannst du das machen. Und nachdem es soviele Film Studenten?:\\ gibt, die alle Kurzfilme machen in ihren Schulen, deswegen geht das überhaupt, für 350 Mark und noch weniger, Filme zu kriegen. Vorallem will jeder seinen Film irgendwie loswerden, die meisten sind froh, wenn er überhaupt irgendwo gezeigt wird.
Enke:
Ja gut, es ist ja die Möglichkeit, daß es jemand sieht und sagt, das gefällt mir.
Studenten:
Die Kurzfilme laufen dann auch immer zwischen zwölf und zwei Uhr nachts. Die haben halt keine Öffentlichkeit.
Enke:
Es läuft jedenfalls so, daß zum Beispiel ich es nicht so richtig mitkriege. Premiere habe ich zum Beispiel garnicht.
Studenten:
Kurzfilme, das ist so ein halb schulisches, halb privates Ding. Die meisten Leute die solche Sendungen kucken sind wahrscheinlich Film Studenten?:\\.
Enke:
Ja, was kann man da machen?
Studenten:
Etwas wirklich neues anzufangen ist heute auch garnicht so leicht. Das hat aber auch was mit den Zielen zu tun. 68, da gabs den großen Feind, die alten Nazi-Eltern oder sonstwas, das Establishment. Heute ist alles erlaubt, da kann man alles machen, sogar "frech" sein, man wird sogar unterstützt, wenns nicht weh tut.
Enke:
Wenn mir irgendeine Figur unsympathisch war im Drehbuch, dann hab ich erstmal hingeschrieben "abgewetzter Mittvierziger", dann war der für mich schon erledigt. Da war klar, was damit gemeint war, so ein übriggebliebener Nazi, der da noch irgendwo am Bahnhof rumkloppt als Polizist. Das stimmt natürlich heute nicht mehr. Es ist also vielleicht wirklich gefährlich, daß Eure Eltern im Grunde genommen,... daß man die Alten im Grunde genommen garnicht hassen muß, die sind ja ganz lieb, die haben ja einen Haufen Demokratie damals durchgekämpft.
So ein bißchen mitbeteiligt waren wir mit unseren Filmen auch, daß zum Beispiel in Schulen nicht mehr der Lehrer sitzt mit so einem Rohrstock. Wir haben noch richtig Prügel gekriegt in der Schule. Daß es damals am Rande einer wirklichen Revolution gestanden ist, wenn das noch ein bißchen weitergagangen wäre, das wage ich mir garnicht auszumalen. Da spielten unsere Filme eine Rolle mit. Es gab ja noch wirklich die bösen alten Nazi-Bunken.
Studenten:
Das ist aber auch ein bißchen zweifelhaft, es wird oft erzählt, ja heutzutage gibt es ja keine Gegenwerte mehr, da gibt es nichts mehr, von dem man sagen kann, es ist schlecht, man kann auf nichts mehr schimpfen. Das stimmt überhaupt nicht, Es ist nur viel schwieriger geworden Ein Film lebt von einfachen Bildern. Es gibt schon dem Film entsprechende Inhalte und einfache Gegensätze gab es früher mehr als heute. Heute sind sie auch noch da, auch solche die man sehen kann, es ist nur schwieriger.
Enke:
Ein junger Schauspieler hat mir gesagt: "Die wichtigen Theaterpositionen sind alle verstopft mit Leuten in deinem Alter, die sich auf Ihre 68er Vergangenheit berufen." Da ist mir ein Satz eingefallen: Viele 68er sind auch falsche Fuffziger.
Studenten:
Laurens Straub hat da eine andere Theorie dazu. Er meinte, daß sich die 68er um alles gedrückt hätten, daß die garkeine Verantwortung wahrgenommen hätten.
Enke:
Die neigen eher zum Sichdrücken vor Verantwortung, das schon.
Studenten:
Was an Euren Filmen ja spannend ist, ist die innere Freiheit, die sie haben. Diese Dreistigkeit: Ich mach jetzt das, was ich will.
Enke:
Es war damals alles auch ein bißchen gefährlicher. "Zur Sache Schätzchen" war der erste Film, wo Polizisten verarscht wurden. Es gab sonst immer den Kommissar, der, den Mantelkragen hochgestellt, den Schweinehund aus dem Gebüsch gezerrt hat. Das war mutig, zum Beispiel, die Polizei mal zu verarschen. Das spielte 68 politisch schon eine gewisse Rolle, daß es einen Film gab, wo man das schon gemacht hatte. Ich hatte aber immer mehr "Unterlaufen" gemeint. Ich bin wirklich ein absoluter Gewaltgegner.
Studenten:
Wie kam diese innere Freiheit denn zustande? Durch die Art zu Leben, die Du damals hattest, dadurch, daß du das erzählt hast, was du selbst erlebt hast?
Enke:
In der Schauspielschule wurde man ja normalerweise auf etwas bestimmtes festgelegt, zum Beispiel "Jugendlicher Held" oder als Mädchen "Salonschlange". Ich war aber nur in einer Übung gut, die hieß Gestaltung. Man kriegte eine Aufgabe: Du hast eine Tasse Kaffee und wartest auf deine Freundin und mußt der erzählen, daß Schluß ist. Ich konnte mit dieser Tasse Kaffe soviel herumimprovisieren, daß sich die anderen Schauspielschüler vor Lachen gebogen haben. Da habe ich das erste Mal gemerkt: da ist irgendwas, da kannst du etwas mit machen. Das haben wir später sehr gut gebrauchen können in den Filmen.
Das heißt, daß das entscheidende eigentlich immer zusammenimprovisiert war. In "Zur Sache Schätzchen" war das noch eine Katastrophe. Klaus König der Kameramann hat nach wenigen Tagen schon dem Produzenten Schamoni gesagt: Laß das, das wird alles nichts, Finger davon, aufhören, Geld weg undsoweiter. Ich glaube wirklich, daß die Liebesszene in "Zur Sache Schätzchen" eine ziemlich gute ist. Die ist vollkommen zusammenimprovisiert. Meine Rettung waren allerdings die Daumenkinos.
Studenten:
Die anderen Darsteller aus "Schätzchen", wie zum Beispiel Henry van Lyck, machen ja mittlerweile vorallem Fernsehen.
Enke:
Henry macht viel Fernsehen, ja. Aber Henry ist ja auch so einer,... Wenn ich mir vorstelle. daß wir in unserem Alter nochmal so über die Straßen geistern, doppelt so alt... Henry hat vollkommen aufgehört zu Saufen und zu Rauchen, man hat ihn angeblich gesehen, wie er das Auto am Sonntag gewaschen hat, das paßt ja auch garnicht zu ihm. Ich selbst hab ihn erwischt, wie er 24 Flaschen Fachinger nach Hause getragen hat und keine Kiste Bier.
Eine kleine Szene hätte ich, die bestimmt nicht schlecht wäre: Henry sagt: Übrigens mit den Mädchen, kein Problem, da komm ich immer noch besser ran als du. Wir also in der Straßenbahn, da sitzt ein Mädchen, wir beide stehen. Henry versucht so ein bißchen zu flirten und nach zehn Sekunden steht das Mädchen auf und sagt zu ihm: Wenn sie sich hinsetzen wollen? Er protestiert und dann setze ich mich einfach hin.
Es ist immer schwer zur guten Laune vorzustoßen, beim Film ist das eigentlich ganz grauenhaft. Es wird ja 99 Prozent Kraft verschleudert in all den notwendigen Dingen, die aber im Grunde verhindern, daß eine gute Stimmung da ist. Man ist ja unter so einem gewaltigen Streß, irgendetwas fehlt immer. Beim Kurzfilm ist es einfacher. man kann ja einen Kurzfilm auch fast ohne Drehbuch drehen, weil man diese zehn Minuten ja im Kopf hat. Beim Langfilm geht das nicht, da muß man ein Drehbuch haben, weil man sonst einfach die Dinge vergißt. Man ist vorher beschäftigt mit etwas ganz anderem, Kostüme auszusuchen, wichtige Details festzulegen, daß man, wenn die Kamera dann endlich läuft, im Grunde genommen fix und fertig ist.
"Zur Sache Schätzchen" ist unter unendlichem Schmerz, unter unendlichem Wirrwarr, unter ständigem Abbrechenwollen entstanden. Es ist schwer, daß es dann am Schluß nicht sichtbar ist. Dieses ganze Machen ist schon eine unendliche Quälerei gewesen, für jeden. Es dann aber wieder umzudrehen, daß es dann nicht wie eine Quälerei aussieht... Man sieht ja bei vielen Filmen die ganze Quälerei, die es gewesen ist, sie zu machen. So sieht der Film dann auch aus und quält die Zuschauer.
Ich hab mal gesagt, ich würde mich gerne gehen lassen und einen traurigen Film drehen, weil Traurigkeit ist meine Grundsituation. Dann reiße ich mich aber zusammen und der Film wird wieder komisch.
Studenten:
Schneidest Du Dir die lustigen Filme aus dem Herzen? Irgendwoher kommt das ja wohl doch. Oder machst du das nur, weil das mehr Leute gutfinden?
Enke:
Nein, weil ich da meinen Spaß dran habe. Sich lustig zu unterhalten bringt ja auch mehr, als ein trauriges Gespräch. Wichtig finde ich das verschiedenartige. Es hat eigentlich garkeinen Sinn, daß drei Regisseure befreundet sind. Es müßte eigentlich ein Regisseur mit einem Kameramann befreundet sein und die müßten noch ein paar Schauspieler kennen und noch einen, der gut schreiben kann. Und dann muß noch einer her, der das gewisse Rangehen an die Leute hat, Kohle beschaffen und dann kann man eigentlich was machen. Ihr sagt ja auch, daß eigentlich ein guter Kurzfilm das beste sein kann, mit dem ihr hier abhaut.
Studenten:
Ein bißchen wird dieses muntere Treiben ja dadurch eingeschränkt, daß du schon innerhalb der Schule sozusagen Gremien hast. Du mußt dann schon ständig begründen wofür du was machst. Es passiert dann auch mal, daß einer zu hören bekommt, das wäre kein Drehbuch, was er da vorgelegt hat und kann es also nicht machen. Das ist dann schon fast so wie später, wenn du wieder draußen bist.
Enke:
Es wird also vorher schon entschieden: das taugt nix. Das ist ja möglich, keiner weiß es vorher. An "Schätzchen" hat ja überhaupt niemand geglaubt. Das war die Katastrophe, kurz vor der Premiere hat May als einzige immer noch daran geglaubt. Da saßen die Kritiker und Schamoni hat dann noch versucht: Ist es denn nicht ein lustiger fröhlicher Sommerfilm? Das war allerdings in der Phase, wenn der Film noch nicht fertig ist, teilweise synchronisiert, teilweise O-Ton, noch keine Musik, keine Geräusche. Ich selber habe auch nicht daran geglaubt. Ich bin durch die Kneipen und habe gesagt: Wir haben eine solche Scheiße gemacht...
Die Umstände waren immer so, daß das was ich machen wollte, garnicht machen konnte, weil gekämpft wurde mit dem Kameramann oder dem Produzenten, die sagten: das und das geht nicht. Eben das sieht man nicht in dem Film. Für euch hier ist das Filmen ja nicht absolut freiwillig, sondern ihr müßt es, quasi für eine Note, wie in der Schule.
Studenten:
Man kommt an eine Filmakademie und da gibts einen Plan. Im ersten Jahr hast du je ein Vierteljahr Kamera, Filmgestaltung, Drehbuch, Regie. Und dann mußt du auch deinen Film machen. Und da sind alle wahnsinnig scharf drauf. Es heißt dann einfach nur: Jetzt! Jetzt muß es passieren!
Enke:
Ihr seid insofern privilegiert. Ihr wißt ja, wie schwer es ist, überhaupt hierher zu kommen. Jetzt müßt ihr durch die Mühle durch. Ich finde, es kann nicht einer gleichzeitig ein guter Schreiber und beispielsweise Kameramann sein. Ein Schreiber wird vielleicht mit 15 Jahren angefangen haben, Theaterstücke zu schreiben. Ein anderer hat sich vielleicht schon immer fürs Fotografieren interessiert. Es erfolgt ja immer eine Spezialisierung. Hier gibts ja auch noch Animation. Ich weiß überhaupt nicht, was das ist, weil ich die neuen technischen Dinge überhaupt nicht kenne. Da kommt dann vielleicht ein neuer Emmerich heraus. Der hat etwas geschaft, wovon ich schon seit Ewigkeiten träume. Oder ist das etwas ganz anderes, als, wofür ihr Euch interessiert?
Studenten:
Der kann tatsächlich kein Drehbuch schreiben... Wieso, willst Du auch so etwas wie Emmerich machen?
Enke:
Nein, ich will keinen Science Fiction drehen, ich meine nur: der hat in Amerika einen Film gedreht, der hat Erfolg, also davon träume ich. Mit unseren Filmen waren wir in den deutschen Sprachraum eingemauert. In Paris ist der wichtigste Verleiher neben mir in "Zur Sache Schätzchen" eingeschlafen. Ob der Film 1968 in Cannes etwas erreicht hätte, weiß ich nicht, da ist das Festival boykottiert worden, von den Studenten:\\ lahmgelegt. Da waren wir als deutscher Beitrag.
Studenten:
Der Filmstil vereinheitlicht sich doch sowieso schon viel zu stark. Es gibt hier an der Schule auch eine Fraktion, die sagt, deutscher Film heißt anspruchsvolle Kacke. Das ist größtenteils eh nicht mehr so. Wie manche Leute heute noch dem Kommunismus nachjagen, suchen die sich ein Feindbild, damit sie sich auf die amerikanische Filmgrammatik beziehen können, die ohnehin vorherrschend ist. Es gibt einen Minderwertigkeitskomplex: Wir Ärmsten müssen unter den Folgen den Neuen Deutschen Films leiden, deswegen haben wir auf der Welt so einen schlechten Ruf, wir wollen aber eigentlich etwas ganz anderes.
Enke:
Ihr leidet also unter den Folgen der Neuen Deutschen Films?
Studenten:
Die Leute die jünger sind als wir, wachsen sowieso schon mit dem vereinheitlichten amerikanisierten Geschmack auf, die haben das mit der Muttermilch eingesogen. Für die ist das garnichts Fremdes mehr. Deswegen wird es nach dem Vorreiter noch viel mehr Emmerichs geben, auch bessere, weil sie die formalen Sachen blicken, aber vielleicht auch inhaltlich was bringen. Das kann witzig sein und trotzdem deutsch. Oder es gehen doch alle nach Amerika...
Enke:
Der hat ja hier von der Akademie auch welche nachgeholt, weil er die als Trickspezialisten brauchen konnte... Aber mit unserer Sprache ist es knallhart, die reicht nur bis Oberitalien, Holland, Tchechien, vielleicht noch Israel. Sonst wird es nirgends verstanden. Und sobald du Untertitel hast, bist du schon in der Kunstecke.
Studenten:
Das ist doch das besondere daran, daß man das nicht übersetzen kann.
Enke:
Andere deutsche Kollegen waren leichter zu transportieren, weil im Dialog nicht viel verloren ging. Bei mir ist alles weg, wenn ich mit Untertiteln bin, da ist nichts mehr da.
Studenten:
Auf der anderen Seite mußt du mal sehen, daß "Stonk!", ein Film mit einem Thema, das im Ausland total gefragt war, die Hitlertagebücher, daß dieser Film dort überhaupt nicht lief. Der deutsche Film hats vielleicht schwerer denn je. Der Neue Deutsche Film ist ja im Ausland noch gelaufen.
Enke:
Ja gut, Schlöndorff. Den habe ich mal getroffen auf einem kleinen Ausflug auf dem Ammersee, den Enno Patalas veranstaltet hat und er sagte zu mir: ich will die Blechtrommel verfilmen. Ich bin dann herumgerannt in München, bin durch zig Läden und habe die Verkäuferinnen gefragt, ob sie die Blechtrommel haben, die wußten teilweise garnicht, daß es die Blechtrommel gibt. Bis ich dann endlich ein antiquarisches Exemplar aufgetrieben hatte. Ich sagte dann: Mensch, willst du das wirklich machen, wenn keiner die Blechtrommel kennt? Schlöndorf sagte dann: ich mach das trotzdem. Letztenendes hat dann doch gewaltig gezogen, daß die Kids zum Beispiel in New York Grass und Böll in der Schule lesen, wie wir Dostojewski oder Goethe. Da war ein Interesse da durch den Bildungs-Push: deutsche Kultur kennenlernen.
Studenten:
Der Eindruck ist doch, daß im Ausland die Leute von deutschen Filmen immer noch erwarten, daß sie große Kultur sind.
Enke:
(Wir passen insgesamt in das Image des Jungen deutschen Films garnicht rein.) Man entwickelt schon einen gewissen Ehrgeiz. Man möchte schon daß man auch mal im Ausland einen Film von einem sieht. Das geht dann nur über die Goetheinstitute... Synchronisation, das ist schon wieder so eine finanzielle Geschichte, das kostet einen Haufen. Im Grunde muß das der Finanzbolzen machen, was wir selber ja nicht richtig waren.
Studenten:
Aber in den meisten Ländern sind die Leute es doch sowieso gewohnt, untertitelte Filme zu sehen. Das ist doch wahrscheinlich weniger das Handycap.
Enke:
Wir hatten ja nach "Zur Sache Schätzchen" Paramount als Verleih. Die wollten, daß wir unseren zweiten Film in New York drehen. Da war das Drehbuch aber fertig und da hab ich gesagt, das ist eine reine Dialoggeschichte, das müssen wir wieder hier machen. Der ist dann auch hervorragend gelaufen in Deutschland, damit wars dann aber auch schon wieder vorbei. Der Verleih hat nicht eine einzige Anstrengung unternommen, unseren Film mal nach Frankreich zu bringen. Hier in Deutschland spielte er gut ein und damit war's erledigt.
Studenten:
Hättest Du Dich auf einer Filmschule überhaupt wohlgefühlt?
Enke:
Ich habe mich auf der Schauspielschule im Prinzip doch wohlgefühlt und hatte, genau wie in der Schule meine Kumpel. Mit dem einen kann man besser, mit dem anderen kann man weniger. Und es waren alles so Typen, Martin Lüttke, Tögel oder die Elke Heid auf der Heide, durch die ich Lemke kennenlernte, die später dann teilweise zusammenhingen, das ist in jeder Klasse so. Da gibts Gruppen und die finden die anderen dann wieder nicht so gut... das ist doch eigentlich okay. das war erstmal schön, daß ich an der Schauspielschule ich erstmal da war, wo ich immer hinwollte, als ich noch in der Schule war. Aus der Schule wollte ich weg. Alle, die jetzt hier auf der Akademie sind, sind jetzt schonmal da, wo sie immer hinwollten, nicht wie viele, die hier drumrumschleichen...
Als ich meine Schauspielprüfung an der Falkenbergschule in München nicht geschafft hatte, bin ich doch erstmal nach München und habe Pseudo-Theaterwissenschaften studiert, habe mich aber in mein Zimmer eingebunkert und habe Theaterstücke geschrieben. Bin aber immer herumgeschlichen, in Gauting gab's noch eine Schauspielschule, habe mich aber nicht getraut die Prüfung dort auch zu machen, bis ich jemanden getroffen habe, der die Aufnahmeprüfung an der Falkenbergschule auch nicht bestanden hatte und der sagte, geh da einfach mal hin. Und als ich dann da war, war ich nicht unglücklich. Es gab eben damals diesen Schmelztiegel München, wo alle saßen. Und es war auch wirklich Glück. Wenn ich in Hamburg oder Stuttgart gesessen hätte, wäre das nicht gewesen. Das gibt es eben heute nicht mehr.
Es war eine Welle in die wir reingekommen sind. Diese Welle ist heute objektiv nicht da. Also ist der einzige Weg, sich der Sache vorsichtig anzunähern, hier an der Filmakademie zu sein oder an einer der anderen Filmschulen. Die anderen Leute träumen nur rum. Wenn ihr jetzt hier einen Kurzfilm von zehn Minuten macht, Farbe muß ja dann wohl doch sein, was würde der über den Daumen gepeilt, kosten.
Studenten:
Vorhin bei der Vorführung von "Manöver" sagtest Du, der Film hätte 5000 Mark gekostet. Das klingt für vor dreißig Jahren, überraschend viel, auch für eine Produktion auf 35 Millimeter-Film. Hier werden die meisten Sachen auf 16 Millimeter gedreht.
Enke:
Weil das das beste Format für Fernsehen ist, die Hauptabspielmöglichkeit ist ja auch Fernsehen. Kino scheidet objektiv aus, gibt's garnicht mehr?
Studenten:
Doch, auf Festivals. Dann gibt es noch Kurzfilmagenturen, die versuchen Verträge zu machen mit den großen amerikanischen Filmverleihen, daß Kurzfilme gezeigt werden und dafür auch ein Aufpreis auf die Kinokarte erhoben wird. Die Majors haben ja blockiert, daß Kurzfilme vor dem Hauptfilm laufen. Die wollten ja keine Kurzfilme mehr im Programm, die sie nicht im Griff hatten. Und es hat auch etwas mit der Werbung zu tun. Die Kinobesitzer wollen halt lieber Werbung zeigen, weil dafür kriegen sie Geld.
Enke:
Also, knallhart nachgefragt: wenn ihr hier die ganzen Geräte benutzen dürft, braucht noch ein paar Schauspieler und kostet selber nichts, wieviel Geld wäre nötig, um so einen Kurzfilm von 10 Minuten Länge zu machen?
Studenten:
Wir haben hier gerade einen Film gemacht für 7000 Mark, zwölf Minuten lang. Man kann aber auch mit 3000 Mark, ganz knapp, auskommen, das ist das Minimale. Zwischen 3000 und 8000 Mark muß man als Student meistens drauflegen.
Enke:
Noch seid ihr hier ja in Sicherheit, aber irgendwann ja nicht mehr. Aus meiner näheren Umgebung ist eigentlich nur noch Lemke einer, der hin und wieder ganz mutig einen Film macht.
Studenten:
Wie macht jetzt zum Beispiel der Lemke heute seine Filme?
Enke:
Da sind nur die beiden Darsteller, ein Kameramann, ein Assistent, einer der sich ein bißchen um alles kümmert und er. So sind die nach Amerika rübergefahren und haben da einen Film gedreht. Nur die beiden Hauptrollen und alle anderen Darsteller vor Ort engagiert. Er sagt: Wenn ich den Kellner dahinten engagieren will oder einen Polizisten, für 50 Dollar einen ganzen Tag mitzuspielen, und muß zu einem sagen, geh mal hin, frag ihn, das mach ich nicht mehr. Ich geh selber hin zu Kellnern und Polizisten. Damit kann er es enorm billig machen. Der ist mutig!
Studenten:
Mit wem hat er das gedreht?
Enke:
Die beiden Darsteller aus Deutschland sind der Wolfgang Fiereck und die Cleo Kretschmer, mit den beiden hatte zu Anfang der Achziger Jahre ziemliche Erfolge: "Arabische Nächte" oder "Ein komischer Heiliger", die sind im Kino gut gelaufen. Lemke ist der Mutigste von allen so in meinem Umkreis, der macht es einfach immer irgendwie. Das ist sein Geheimnis. Da hat er natürlich auch Flops dabei gehabt. Aber der Flop ist ja auch das Normale. Der Nicht-Flop ist eins zu hundert.
Studenten:
Der Wenders hat ja auch einen superteuren Flop gemacht und danach vor Frust einen kleinen Film in Spanien gedreht, für kein Geld sozusagen. Sowas kann man vielleicht noch schaffen zu bezahlen durch Kinozuschauer, während du auf der anderen Seite 12 Millionen Mark erstmal wieder reinkriegen mußt...
Enke:
Er ist ja auch einer, der mit den kleinen Sachen besser zurecht kommt. Mit Otto und Ganz um die Ecke in Berlin. Aber diese Summen, das ist mir alles unvorstellbar. Wie gesagt, "Zur Sache Schätzchen" hätten May und ich damals für 50.000 gedreht, am Schluß hat der vielleicht höchstens 120.000 Mark gekostet, bis zur Nullkopie.
Eine kleine Geschichte: Ich sollte auch ein bißchen Gage bekommen und dann bin ich mal hin zum Produktionsleiter, zum Pit Schröder und sagte: Wie ist denn das, ich sollte doch 2000 Mark bekommen, gib mir doch mal ein bißchen. Da ging Pit an seine gußeiserne Kassette, machte sie auf, gab mir einen Fünfmarkschein und sagte: Jetzt ist aber erstmal Schluß für die nächste Zeit. Ich habe also letztlich die Hauptrolle in "Zur Sache Schätzchen" für fünf Mark gespielt. May hat mir die Zigaretten und das Bier bezahlt, so war das. Ich hab da aber auch nicht so darüber nachgedacht. Warmen Mittagstisch haben wir ja immer gehabt, das war schon organisiert.
Ich hatte ja noch eine Hauptrolle in "Mit Eichenlaub und Feigenblatt" von Spieker, Weihnachten war ich dann zu Hause und habe meine Mutter angepumpt; Gib mir doch mal 50 Mark, damit ich in eine Kneipe gehen kann. Nach zwei Hauptrollen! Im Nachhinein war dann natürlich alles okay so.
Studenten:
Worum geht's Dir in Deinen Filmen, was erwartest Du?
Enke:
Je älter, desto verwirrter wird man ja. Ist ja auch garnicht mehr so viel vor einem. Außerdem läuft mir der Schauspieler Enke:\\ weg. Durch die Vorarbeit, weil ich Theaterstücke geschrieben habe, die nicht erfolgreich waren, konnte ich aber immerhin dann doch Drehbücher schreiben. Lemke brauchte immer jemanden, Schlöndorf brauchte immer einen Stoff, ich konnte das immer schonmal selber machen, so blieb eingentlich unheimlich viel bei May und mir in der Familie. Wir haben das so aus der Unterhose gemacht, unrasiert. Morgens aufstehen, achso, jetzt müssen wir telefonieren, da ging das schon los. Da spielte sich das immer in unserer Wohnung ab, da war dann der Stab so klein wie möglich, auch bei unserem letzten Film ging es noch relativ privat zu, obwohl wir da schon, auf Wunsch unseres Produktionsleiters Clemens Keiffenheim, ein zweites Telefon angeschafft haben.
Es blieb also dadurch viel in unseren Händen, wir mußten also die wichtigsten Funktionen nicht teuer einstellen, weil wir's selber kostenlos gemacht haben. Aber jetzt muß ich zurück auf die Frage, was ich selber so erwarte. Wenn man mal so einen Zuschauerzuspruch hatte, wie wir, dann möchte man das gerne wieder haben. Dann möchte man auch mal wieder gute Kritiken haben. Bloß ist es uns beim ersten Mal ganz einfach zu gut gegangen, das ist unnormal, da gibt es wahrscheinlich kein zweites Beispiel dafür.
Ich persönlich war von letzten Statisten, der nicht mal in der Bavaria fürn Fünfziger am Tag eine Rolle kriegte, über Nacht zum unerreichbaren Topstar hier im Land geworden. Sowas ist ein Wunder. Danach war es ein hartes Verteidigen dieser Position, bis es dann erstmal wieder versandet ist.
Studenten:
Das ist das was Du erwartest an Erfolg. Was war dein Anspruch an die Filme, bevor ihr mit "Zur Sache Schätzchen" Erfolg hattet?
Enke:
Wir waren eine ziemliche Filmfabrik. Lemke hat immer gesagt: Du bist mein Robert Mitchum, mach dir keine Sorgen, wir machen das schon. Und: Wir machen Howard Hawks-Filme! Ich weiß noch, die erste Einstellung in "Kleine Front", ich hab garnicht richtig verstanden, was er wollte, er hat mir das dann was vorgemacht: mach mal irgendwie so wie bei Hatari, das Lassowerfen durch die Luft, das konnte ich garnicht. Das war die erste Einstellung, die wir überhaupt gedreht haben, wie wir da aus dem Türkenkino rauskamen.
Übrigens eine der ersten Einstellungen in "Zur Sache Schätzchen" spielt in München wieder an der Ecke "Türkendolch", dieselbe Hausecke. Was haben wir denn eigentlich erwartet? Wir wollten einfach was machen. Ich bin kein Vitalbolzen, aber Lemke ist einer, der hat's einfach gemacht, unter diesen Glücksumständen, daß Thome plötzlich das Geld brachte, weil "Der junge Törless" Seitz was eingespielt hatte. Das fehlende Geld war vorher immer der Grund, warum wir's nicht gemacht hatten.
Studenten:
Was fandet ihr damals denn so schlecht an dem was es gab?
Enke:
Wir wußten vorallem, was wir nicht wollten. Wir wollten nicht machen: Filme mit Peter Alexander, Catherina Valente, Fuchsberger-Dinger und Winnetou, der ganze deutsche Scheiß, den wir im Grunde garnicht kannten, weil wir nicht reingegangen sind. Das wollten wir nicht mehr.
Studenten:
Das wollte ja Wenders wahrscheinlich auch. Ihr habt ja trotzdem ganz andere Sachen gemacht.
Enke:
Der ist wieder aus einer anderen Ecke an die Sache rangegangen, den kannten wir persönlich auch nicht.
Studenten:
Was lustig ist, wenn man Äußerungen liest von damals, von Lemke oder Eckhardt Schmitt, von wegen: wir wollen nicht diesen verquasten deutschen Scheiß, wir wollen Unterhaltungsfilme machen, genau dasselbe, was jetzt hier Studenten:\\ sagen und dieses Phantom Neuer Deutscher Film bekämpfen wollen.
Enke:
Ja, das Ziel war, sich auf jeden Fall darum zu bemühen, daß es nicht langweilig wird. Es wurde dann immer noch langweilig genug. Als wir vorhin die beiden Kurzfilme "H Enke?:\\r Tom" und "Kleine Front" gesehen haben, dachte ich plötzlich: Mensch, wirkt das heute langweilig. Das sind so kleine Geschichtchen. Mir war immer wichtig, egal was es ist, andere nicht zu langweilen mit seinem Kram.
Studenten:
Es ist ja ganz interessant, das ist jetzt so eine Zeit, wo Sachen, die Ihr damals angeleiert habt, im Schwange sind. Wenn man heute merkt, die Filme, die damals gelaufen sind, waren ja teilweise so, wie das was man heute machen will. Das ist eine Frage, vor der nicht nur Du stehst, wenn Du deine alten Sachen anschaust, vor der stehen wir ja auch.
Enke:
Eigentlich steht jeder immer wieder davor, wenn er sich fragt, was er machen soll. Wahrscheinlich ist aber immer entscheidender was zu machen, als lange herumzugrübeln: was mach' ich eigentlich? Ich kenn allerdings auch die Kehrseite: das Machen, zwei Jahre, die man sich schindet und wenn es dann einmal aus irgedwelchen Gründen nichts wird zum Schluß, das ist niederschmetternd.
Studenten:
Worüber man sich als Macher auch Gedanken machen muß, sind diese langen Zeitbögen. Wenn man Langfilme macht, ist ein Rhythmus von zwei Jahren schon sehr schnell. Drei Jahre ist normal, aber: alle drei Jahre nur einen Film zu machen ist doch frustrierend. Es ist vielleicht wichtig, daß man recherchiert und dann vielleicht mit jemandem zusammen schreibt, es dann organisiert und dreht und nachbearbeitet, alles spannend. Aber drei Jahre? Oder fünf? Tarkovski hatte sechs, sieben Jahre zwischen seinen Filmen. Man muß vielleicht kleinere Bögen einschieben, wenn man noch mit Herzblut dabei bleiben will.
Enke:
Zum Ende hingehend ist es nur noch eine Hasenjagd, bei der man am Ende einfach darniederliegen muß. Da gibts kein Weihnachten mehr, kein Ostern, keine Heiligen Drei Könige. Ich hatte immer eine kleine Liege im Schneideraum und obwohl ich wirklich Technikfeind bin, konnte ich den Schneidetisch am Schluß dann am zweitschnellsten nach dem Hauptcutter, aber immer noch besser als die Assistentin bedienen. Unser Cutter ist zu einem Totenkopf abgemagert... Das ist eine Jagd bis zum Schluß, das läßt sich nicht vermeiden. Dann ist der Film fertig. Dann der Trailer und dann noch die PR... Es ist ein solcher Schlauch, daß ich mir, bei meinem Zigaretten- und Alkoholkonsum überlege, ob ich sowas überhaupt noch überleben würde. Marty Feldman ist rübergegangen nach Amerika, wollte dort seinen Film drehen und ist darüber gestorben. Sergio Leone hat's ja geschafft, ist aber kurz später gestorben.
Ihr lacht, das kommt für Euch natürlich nicht in Frage, aber ich komme langsam an soeine Grenze, wo man auch davor ein bißchen Schiß kriegt. Die Anstrengung der drei Jahre ist eben auch deswegen, weil ich die Drehbücher größtenteils selbst geschrieben habe. Das mußte ich mir ja auch immer erstmal einfallen lassen. Mit Vorgedanken ist man schon ein Jahr beschäftigt. Mir sind die Feinde ausgegangen. Was Ihr ganz zu Anfang gesagt habt: Wir leben in einer Zeit, in der die Erwachsenen eigentlich sympathisch sind.
Hitchcock hat gesagt: Je besser der Feind , desto besser der Film. Die Feinde, die zu meiner Zeit existiert haben: Die zu brutale Polizei haben wir in "Zur Sache Schätzchen "attakiert, im zweiten Film habe ich mich dazwischengeworfen zwischen die Polizei und die mir nicht ganz geheueren Linken, die zündelten, im dritten Film war's die Bundeswehr, die hat mir auch immer nicht geschmeckt. Das war damals schon mutig, gegen die Bundeswehr vorzugehen, heute ist es ja -zum Glück- alles nicht mehr so wichtig. Im vierten Film wars das Finanzamt, aber eigentlich eher ein grünes Thema, da wurde ein Baum in einem Hinterhof geschützt. Im fünften Film, das war ein bißchen leichtsinnig, da habe ich mich an die deutsch-deutsche Grenze herangewagt, auf komische Weise. Da war unser Hund aus dem Westen in den Osten abgehauen. Vielleicht war das zu politisch und mit ein Grund dafür, daß dieser Film nicht gut gelaufen ist. Ohne Wut ging bei mir nie etwas. Ich mußte auf irgendetwas grundsätzlich wütend sein. Allerdings habe ich so eine schleichende Unterwander-Methode. Nicht auf Gewalt mit Gewalt antworten, sondern: die anderen sollen ruhig gewalttätig kommen, ich unterlaufe die.
Das Fußgänger-Schild im Englischen Garten, der Mann mit Hut, der das Kind an der Hand hält, das gab es damals wirklich, das ist nicht für den Film gebaut. Das muß so ein alter Feind-hört-mit-Graphiker gewesen sein, den sie immer noch eingesetzt haben. Als wir das Schild gesehen haben, haben wir uns sofort kringelig gelacht. Ab dem Film war der Mann mit Hut verschwunden.