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Wilhelm Reich – Sex! Pol! Energy!

 - Judith Fischer -

Jüdisches Museum, Palais Eskeles, Wien, 16.11.2007 - 2.3.2008

Wien. »I still dream / of Organon […] everytime it rains / you’re here in my head«, singt Kate Bush in ihrer innigen Liebeserklärung an Wilhelm Reich in »Cloudbusting« (1985). Seit einem Jahr ist das Musikvideo auf You Tube abrufbar: Sexy Donald Sutherland als Wilhelm Reich, der gemeinsam mit Sohn Peter (= Kate Bush) den Cloudbuster den Berg hinaufschiebt, dann in sein Labor zurückkehrt, bevor ihn Männer in dunklen Anzügen festnehmen und abführen. Aber es wird regnen – und es regnet.

(:youtube IRHA 9 W?-zExQ&hl:)

Wilhelm Reich (1897–1957): Arzt, Psychoanalytiker der zweiten Generation, Freudomarxist, linker Sexualaufklärer, Orgasmustheoretiker, Wissenschafter, Körpertherapeut, romantischer Energetiker, Anarchist, Utopist, Revolutionär, Regenmacher, vielleicht gegen Ende seines Lebens: Paranoiker.

Jetzt – 50 Jahre nach seinem Ableben (1957 wird WR tot in einer amerikanischen Gefängniszelle aufgefunden) – wurde gemäß Testament sein schriftlicher Nachlass Interessierten zugänglich gemacht[1]; mit ein Anlass für die von Birgit Johler kuratierte, informativ-unprätentiöse Wilhelm-Reich-Sonderausstellung »Sex! Pol! Energy!«. Nach seiner jahrelangen Tätigkeit im Psychoanalytischen Ambulatorium in der Pelikangasse in Wien ging Wilhelm Reich 1930 als Freudomarxist nach Berlin, trat der KPD bei und gründete 1931 den Deutschen Reichsverband für Proletarische Sexualpolitik (die »Sexpol«). Danach: Exil in Skandinavien, neue Konflikte mit Behörden, Emigration in die USA, wo er 1947 in Rangeley (Maine) das Zentrum »Organon« gründet.

Polarisiert hat Wilhelm Reich sein ganzes Leben lang, und er hat mit seinen Aktivitäten, Forschungen und Theorien Ausschlüsse provoziert: seinen eigenen aus der internationalen Psychoanalytischen Vereinigung (1934, er gehörte bis dahin der Psychoanalytischen Opposition an, die sich sozialpolitisch links engagierte) sowie aus der Kommunistischen Partei (1933, er galt als konterrevolutionär nach seiner Kritik an der links-faschistischen Politik Stalins). In diesem Zusammenhang steht auch die Verurteilung W Rs? als »Quacksalber« in den USA, die Zerstörung seiner Orgonakkumulatoren[2] und die Verbrennung und Vernichtung seiner Schriften 1955/56.[3] In Dusan Makavejevs Film »WR – Mysterien des Organismus« (1971) sind dokumentarische Aufnahmen Reichscher Körpertherapien zu sehen. Für Makavejev standen die zwei Versalbuchstaben »WR« als Kürzel auch für »World Revolution«. Sein Film wurde im damaligen Jugoslawien verboten, Makavejev aus der KP ausgeschlossen, worauf er 1973 via Paris in die USA emigrierte.

Die Entwicklung des Cloudbusters stammt aus der späten Phase Wilhelm Reichs und seinen Experimenten zum Aufbau und zur Auflösung von Wolken mit dem Ziel, Energie freizusetzen. Bernd Nitzschke konstatiert: »Reich glaubte allen Ernstes, er habe das Geheimnis des Lebens entdeckt: die Orgon-Energie. Diese ›Entdeckung‹ brach ihm das Genick. Die Food and Drug Administration betrachtete Reich als Scharlatan und ließ den Vertrieb der sogenannten Orgonakkumulatoren verbieten. Reich, der sich zuletzt wie Giordano Bruno fühlte, weigerte sich, einer Vorladung nachzukommen, und wurde wegen Missachtung des Gerichts zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. […] Seine ›Orgon‹-Werke und die Apparaturen mussten verbrannt und zerstört werden.«[4]

Im Rahmen diverser sexuell-revolutionärer Projekte rund um 1968 (die a posteriori definitiv als heteronormativ und gescheitert zu betrachten sind) ist Reich als Pate und Galionsfigur herbeizitiert worden. So hat etwa Otto Muehl historisch zu Protokoll gegeben: »Wilhelm Reich inspirierte mich zur Gründung der Kommune.« Die destruktive biopsychologische Panzerung aufbrechen: Panzerungen, psychische, charakterliche, somatische, waren der therapeutische Fokus von Reich und seiner Hinwendung zum Körper: Er ermutigte seine Klient Innen?, heftig durch den Mund zu atmen, zu grimassieren, zu schreien, um sich zu schlagen und zu konvulsieren, sich einem Pulsieren zu überlassen, das für WR die energetische Essenz des Orgasmus und eine Lösung der Blockaden darstellte: Flow & Geflutetsein versus Panzerung; Spannung – Ladung – Entladung – Entspannung als energetische Lebensformel; Expansion/Kontraktion, Sexualität/Angst, Vagus/Sympathicus. Der Kosmos, vorgestellt als ein Ozean aus blauer Orgonenergie, die auch zu lebenszerstörender DOR (= deadly orgon energy) mutieren kann. Orgonstrahlung: ein blaues Flackern, wie Nordlicht, ein Kribbeln und Kraftgefühl am ganzen Körper …[5] Im Katalog zur Ausstellung erinnert Robert Pfaller an ein von Deleuze/Guattari im »Anti-Ödipus« (1972) formuliertes Problem: »So bleibt die grundlegende Frage der politischen Philosophie immer noch jene, die Spinoza zu stellen wusste (und die Reich wiederentdeckt hat): Warum kämpfen die Menschen für ihre Knechtschaft als ginge es um ihr Heil?«

(:youtube aRf6PILz0u8&hl:) Kate Bush - Cloudbusting (The Organon Mix re-edit)

Publikation zur Ausstellung: Birgit Johler (Hg.), Wilhelm Reich Revisited, Wien 2008


1 Die Aufzeichnungen sind seit November 2007 von der Bibliothek der Harvard University Medical School für wissenschaftliche Studien freigegeben.

2 Der Orgonakkumulator ist ein Kasten, der aus mehreren, abwechselnd aufeinander folgenden Schichten von anorganischem (Metall) und organischen Material (zum Beispiel Schafwolle oder Holz) besteht. Durch die Verbindung von Metall und Nicht-Leiter funktioniert er ähnlich wie ein Kondensator: Er akkumuliert Orgonenergie im Inneren. Lebewesen, die sich in ihn hineinsetzen, steigern ihr Energiefeld über das normale Maß hinaus. WR setzte ihn auch in Versuchen zur Behandlung von Krebs ein.

3 Auch unter den Nationalsozialisten waren W Rs? Bücher und Pamphlete 1933 verbrannt worden.

4 Die Zeit, 19. Dezember 2007.

5 Reichs Orgontheorie lässt sich mit anderen Energiehypothesen und vitalistischen Überlegungen etwa von Nikola Tesla oder Viktor Schauberger in Verbindung bringen, aber auch mit den Entwicklungen der Kinesiologie, Cranio-Sacral-Therapie oder Osteopathie.

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