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snippets, kurze zitate, aphorismen, satz- und auch schiefe denkbausteine: Ich glaube, mit dieser gegenwärtig grassierenden Fixierung auf den Begriff des Indigenen kommen wir nicht weiter, im Gegenteil: Wir müssen „das Indigene“ dekonstruieren. Seine Romantisierung führt dazu, dass Identitäten nur von der Vergangenheit her gedacht werden. Und das ist letztlich genau das gleiche Denkmuster, das die neuen Rechten und Rechtspopulisten pflegen. Bei ihnen ist kulturelle oder ethnische Identität auch etwas Homogenes und wird territorial, also von der Scholle her gedacht. Das war im Postkolonialismus mal anders, etwa bei Denkern wie Stuart Hall, bei Paul Gilroy oder Édouard Glissant. Bei ihnen sind Identitäten etwas Fließendes, und der Reichtum der postkolonialen Kultur besteht gerade in der Vermischung, der Hybridität. -Jens Balzer- Es gebe "eine Drift der politischen Öffentlichkeit nach rechts, flankiert durch eine Verengung des Diskursraums, in dem Ambivalenzen keinen Platz mehr haben und die Eindeutigkeit des Meinens neuerdings sogar bei Androhung von Strafe gefordert wird - wie es etwa dem Forschungsministerium vorschwebte, das die Vergabe von wissenschaftlichen Fördermitteln von nachgewiesener politischer Korrektheit abhängig machen wollte. Kurz: Das politische Klima ist auch dort repressiv geworden, wo man noch behauptet, die Demokratie verteidigen zu wollen." - Harald Welzer - „Ich halte den Tod, wenn er nicht zu früh kommt, für ein sehr natürliches, uns angepasstes Ereignis. Im Laufe einiger Jahrzehnte haben wir reiflich Zeit, uns mit den Mängeln und Ecken unserer Persönlichkeit zu befassen. Man kennt sich allmählich gründlich und möchte umziehen.“ -Döblin - „Die Diskussion politischer Probleme wird vom Agitator ausnahmslos zum Anlass genommen, sich in vagen und leidenschaftlichen Schimpfkanonaden und oft irrelevant erscheinenden persönlichen Beleidigungen zu ergehen.“ Die Probleme werden nicht angegangen, sondern es wird nur die Angst vor ihnen geschürt. - Leo Löwenthal - “The illusion of freedom will continue as long as it's profitable to continue the illusion. At the point where the illusion becomes too expensive to maintain, they will just take down the scenery, they will pull back the curtains, they will move the tables and chairs out of the way and you will see the brick wall at the back of the theater.” - Frank Zappa - "Warum aber halten gerade Kunstschaffende so leidenschaftlich an dem verrotteten Ideologem fest? Die Gründe sind vielfältig. Zum einen fühlen sich Kunstschaffende immer schon und zumal bei Großereignissen wie Biennalen zu politischen Stellung- und Parteinahmen berufen. Sich provokant in aktuelle Streitfälle einzumischen, ist ein legitimes Merkmal engagierter oder politischer Kunst, doch geht diese Einmischung oft leider einher mit einer stupenden Ahnungslosigkeit über geschichtliche Zusammenhänge, gesellschaftliche Komplexität und kulturelle Ambiguität und motiviert eine vorlaute Parteinahme, die in krassen Fällen den reaktionären Spruch ins Gedächtnis rufen könnte, Künstler sollten bilden und nicht reden." - Claus Leggewie - Einst feierte der Postkolonialismus die Möglichkeiten einer Globalisierung und die Auflösung von Identitäten, mit der indisch-amerikanischen Literaturwissenschaftlerin Gayatri C. Spivak setzte sich dann spätestens ab den Zehnerjahren aber das Konzept des Indigenen an die Stelle des Nomadischen, erinnert Jens Balzer in der Zeit: "Damit etablierte sich ein Verständnis von 'kultureller Identität', das diese nicht mehr als werdende, der Zukunft zugewandte versteht, sondern sie vielmehr an die Vergangenheit bindet, an Herkunft, Tradition, Territorien, früher hätte man gesagt: an das Völkische, an die Scholle. Und dies in der gleichen Zeit, in der auch autoritäre und rechtspopulistische Politiker wieder erfolgreich das 'Eigene' gegen das 'Fremde' in Stellung brachten, gegen 'Kosmopoliten' und 'Globalisten'. Mit dem Aufschwung der 'Critical Whiteness Theory' etablierte sich zudem ein neues Denken in Oppositionen. Von postkolonialen Theoretikern wie Charles W. Mills wurden die Menschen nun in 'weiß' und 'schwarz' klassifiziert. " RE: Faschistinnen wie Alice Weidel, Marine Le_Pen, Giorgia Meloni, Isabel Diaz Ayuso, Riikka Purra, Suella Braverman und Priti Patel, Nikki Haley. "Ich denke der Populismus ist die illiberale demokratische Antwort auf einen undemokratischen Liberalismus... Der Populismus ist nicht der Gegner des Liberalismus, sondern sein Gespenst. Er ist ein Produkt einer liberalen Demokratie, die sich überdehnt hat, insbesondere in den 1990er-Jahren, und sich dabei sukzessive entdemokratisiert hat. Womit wir uns heute konfrontiert sehen, sind die Verwerfungen, die aus der in den Neunzigerjahren auf die Bahn gesetzten Dekonsolidierung des Nationalstaats resultieren. Massive Delegation politischer Entscheidungen an supranationale, nicht demokratische Organisationen, extreme Stärkung von Gerichten gegenüber Parlamenten, insbesondere in Europa, Verlust politischer Handlungsmacht in zentralen Politikbereichen." - Phillip Manow / Cas Mudde - "Nationalismus lehrt einen nichts anderes, als Menschen zu hassen, die man nie getroffen hat, und stolz auf Errungenschaften zu sein, an denen man keinen Anteil hatte" - Doug Stanhope - "Die Rolle des Denkens beim Meinung-Haben nimmt, wie es scheint, rapide ab. Parallel zur Rolle von Faktizität, Logik, Common Sense. Die libertäre Vorstellung von Freiheit besteht darin, dass jede und jeder seine Meinung als Waffe im sozialen Hegemonie-Kampf einsetzen darf. Möglichst laut, drastisch und obszön. Darin gerinnen Restdenken, Biografie, Interesse und Wahn zum Spektakel. Wer eine Meinung hat, braucht sich mit dem Denken nicht mehr lange aufzuhalten. Das Denken selbst ist zu einem Produktionsmittel für Meinungen verkommen. Selbst jene, die berufsmäßig für öffentliches Denken zuständig wären, die Intellektuellen und, nun ja, Philosophen, treten nur noch als Meinungs-Kasperle der Medien auf. Kehren wir also der Ökonomie des Denkens den Rücken und widmen uns einer Ökologie des Denkens, nämlich als einer natürlichen, von Zerstörung und Vergiftung bedrohten Ressource." - Georg Seeßlen - Frauen in der Politik sind vor allem am rechten Rand erfolgreich: die Amerikanerin Marjorie Taylor, die britische Innenministerin Suella Braverman, Frankreichs Marine Le Pen, Deutschlands Alice Weidel und die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. "Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen: In Finnland hat Riikka Purra gerade für ein spektakuläres Comeback ihrer rechtsnationalen Finnenpartei gesorgt. In Rumänien führt Adela Mirza die rechtsextreme Partei 'Die rechte Alternative' an. In Polen regierte Ministerpräsidentin Beata Szydło jahrelang für die nationalistische Partei 'Recht und Gerechtigkeit'. In Ungarn ist Katalin Novak Staatspräsidentin von Viktor Orbáns Gnaden. ... In Norwegen hat Siv Jensen die rechtspopulistische Fremskrittspartiet aufgewertet, in Dänemark gelang das Pia Kjærsgaard mit der Dänischen Volkspartei, in Holland Marjolein Faber mit der Freiheitspartei." Offenbar lohnt es sich für Frauen, "Politik gegen die eigene Identität zu betreiben. Es zahlt sich aus, die Widersprüche auszuhalten. Dafür, dass sie ihren Parteien als leibhaftige Schutzschilde gegen den Vorwurf dienen, frauenfeindlich oder rassistisch zu sein, werden sie mit bemerkenswert viel Macht und Einfluss belohnt." - Eva Ladipo, FAZ - »Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg, bis ich herausfand, dass es welche gibt, die dafür sind, besonders die, die nicht hingehen müssen.« -Erich Maria Remarque, 1963 - 'Wenn du mit deinem Argument recht hast, brauchst du nicht Auschwitz dafür. Wenn du nicht recht hast, nützt dir Auschwitz auch nichts, aber du hast es missbraucht.' - Michel Friedman - "Es geschieht in dir. Es geschieht vielleicht so behutsam, dass du nicht weißt, wann es begonnen hat zu geschehen. Aber du wirst wissen, wann es so lange geschehen ist, dass man es finden kann. Auf Röntgenbildern. Im Blut. Im hämmernden Rhythmus bildgebender Maschinen. ... Deine Welt schrumpft um dich herum, läuft ein wie ein Wollkleid, das man zu heiß gewaschen hat, wird puppenhaft, zwingt dich zur Verpuppung. ... Du lässt so vieles ziehen. Manchmal fühlt dieses Ziehenlassen sich an wie ein unmerkliches Ausrinnen. War es das? Diese Frage verkneifst du dir, sie sucht dich manchmal in der Dunkelheit heim. Wie wird es sein - so dunkel wie jetzt, nur dass kein Lichtschalter mehr umzulegen ist?" - Julya Rabinowich - "Freiheit ohne Gleichheit ist Ausbeutung. Nachdem die Plutosonde New Horizons ermittelt hat, dass das Universum heller ist als gedacht, wurde auch im Sonnensystem mehr Restlicht gefunden, als erwartet. Über die Gefahren der Esoterik, Antisemitismus und Rechtsextremismus: Zum einen ist es "der Glaube an eine gerechte Welt. Das klingt für Außenstehende hilfsbereit, sozial und demokratisch, aber darum geht es in dem Fall nicht. Unter Gerechtigkeit verstehen Esoteriker eher, dass jeder bekommt, was er verdient hat. Im Sinne des Karma-Konzepts: 'Wer Gutes tut, dem wird Gutes passieren.' Das hört sich nett an, aber im Umkehrschluss bedeutet es eben auch: 'Wem Schlechtes widerfährt, der hat Schlechtes getan.' (…) Wir sehen seit Jahren, dass Teile der Szene ein massives Problem haben, sich abzugrenzen. Es grassieren antidemokratische Führungskulte, ein klarer Antifeminismus und antisemitische Verschwörungserzählungen oder der Holocaust wird mit einer angeblichen 'Karmaschuld' von Juden begründet. Dazu hat die Esoterikszene eine antimoderne Haltung gegenüber Fortschritt oder Medizin, die nicht selten antisemitisch konnotiert ist. All das ist anschlussfähig im rechten Lager." - Pia Lamberty und Katharina Nocun - "Diese Toleranz entspringt einer in Italien gepflegten und weit verbreiteten Selbstmystifikation, wonach die Italienerinnen und Italiener grundsätzlich brave, gute, anständige Leute seien ('brava gente'). ... Faschismus, Kolonialismus, Rassismus - gab es alles, klar! Aber so schlimm ist das nicht, weil das italienische Volk gar nicht so schlimm sein kann! Seine genetische Disposition ist nicht auf das Böse ausgelegt, niemals. Es ist eine kuriose Verdrehung, denn die historischen Fakten belegen, dass Italien sehr gewalttätig, sehr grausam, sehr gnadenlos sein kann. Die absolute Monstrosität des Nationalsozialismus wurde dabei geschickt genutzt, um die Monstrosität des italienischen Faschismus als im Vergleich harmlos erscheinen zu lassen. Der Glaube vom grundsätzlich guten, anständigen Italiener trägt wesentlich dazu bei, dass Meloni ins Amt der Ministerpräsidentin kommen könnte. Die kollektive Selbstverharmlosung ist eine Voraussetzung für Melonis Erfolg." -Ulrich Ladurner- Die postkolonialen Studien sind nicht "strukturell antisemitisch. (...) Der Generalverdacht gegenüber der Documenta und der postkolonialen Perspektive beruht … auf einem Antisemitismusbegriff, der nicht hinreichend zwischen einer Kritik an der israelischen Besatzungspolitik und dem Hass auf jüdische Menschen unterscheidet. Gerade die viel gescholtenen postkolonialen Studien erweisen sich in dieser aufgeheizten Debatte jedoch als höchst produktiv. Denn wenn Stuart Hall und Edward Said die These vertreten, dass der Westen die nichtwestlichen Anderen als rückständige Barbaren konstruiert, um die eigene Identität als kulturell und moralisch überlegen zu festigen, dann ist der pauschal gegenüber dem globalen Süden erhobene Antisemitismus-Zeigefinger im Kontext der Documenta eine zeitgenössische Bestätigung dieser These." Auch Ziai wirft Deutschland vor, zu denken, es verfüge "über den einzig richtigen, ja sogar den einzigen Antisemitismusbegriff." - Aram Ziai, Leiter des Fachgebiets Entwicklungspolitik und Postkoloniale Studien an der Universität Kassel - "In meinem Alter verhehle ich nicht eine gewisse Überraschung: Wie tief muss der Boden der kulturellen Selbstverständlichkeiten, auf dem unsere Kinder und Enkel heute leben, umgepflügt worden sein, wenn sogar die konservative Presse nach den Staatsanwälten eines Internationalen Strafgerichtshofes ruft, der weder von Russland und China noch von den USA anerkannt wird. Leider verrät sich in solchen Realitäten auch der doch noch hohl klingende Boden einer erregten Identifizierung mit den immer schriller gewordenen moralischen Anklagen der deutschen Zurückhaltung. Nicht als hätte es der Kriegsverbrecher Putin nicht verdient, vor einem solchen Gericht zu stehen; aber noch nimmt er im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen den Sitz einer Vetomacht ein und kann seinen Gegnern mit Atomwaffen drohen. Noch muss mit ihm ein Ende des Krieges, wenigstens ein Waffenstillstand verhandelt werden." - Jürgen Habermas - "Auch ich bin überzeugt davon, dass die Nato keinen Überfall auf Russland plant, und wohl auch keinen regime change. Aber es nützt überhaupt nichts, Russland das immer wieder zu versichern - während zugleich die Nato immer weiter vorrückt und andernorts Regime demontiert und destabilisiert werden. Die USA haben seit 1945 mehr als dreißig Kriegseinsätze durchgezogen, mit Millionen von Toten. Das kann man falsch oder richtig finden. Fest steht, dass die USA und auch die von ihr dominierte Nato kein zahnloser Tiger sind. Wir kommen ja nicht mit Kaffee und Kuchen an die russische Grenze, sondern mit modernster Waffentechnologie. Und es gehört eigentlich nicht viel Fantasie dazu, sich die Sache aus russischer Perspektive vorzustellen." - Eugen Ruge - „Die Fiktion einer Nation bringt die Fiktion einer authentischen Kultur automatisch mit sich.“ - Wendy Shaw - "So können in Deutschland homöopathische Zubereitungen ohne wissenschaftliche Untersuchungen auf den Markt gebracht und zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden. Während für 'richtige' Arzneimittel klinische Doppelblindstudien gefordert werden, trifft das für Homöopathika nicht zu. Kein Hersteller der alternativen Mittel hat jemals solche Studien vorgelegt. Warum sollten sie auch? Die Millionen verdienen sie auch ohne einen solchen Nachweis. Im Jahr 2020 wurden in Deutschland rund 550 Millionen Euro mit solchen Präparaten umgesetzt. Es sind zum Teil die gleichen Menschen, die auf die ungeprüften Kügelchen schwören, aber von den Impfstoffherstellern noch mehr Langzeitdaten verlangen." -Borwin Bandelow- "Ich möchte nochmals betonen, dass in einer Zeit des beschleunigten technologischen Fortschritts alles auf die Zirkulation der guten, der wahren Information ankommt. Nicht der Mangel an Freiheit ist heute das dringende Problem, sondern die Abwesenheit von Wahrheit. Wir erkennen heute, dass die Wahrheit in der gegenwärtigen Gesellschaft das grundlegende philosophische Problem ist. Wir können nicht wirklich frei sein, wenn wir nicht über wahre Informationen verfügen." - "Michel Serres - "Es geht also nicht darum, etwas zu bewirken, gar eine andere Gesellschaft zu begründen (und sei es eine neofaschistische); es geht um die Ausschaltung aller wahrheitsverbürgenden Institutionen wie der Wissenschaft, der unabhängigen Medien und der Gerichte, letztlich um einen Angriff auf den demokratischen Staat und dessen repräsentative Organe, die ohnehin an Vertrauen verlieren. Eine allgemeine Nervosität angesichts der multiplen Krisen der Gegenwart kommt dem zu Hilfe, ubiquitäre Ängste formen einen 'Zeitgeist'. Dieser erinnert an die von Georg Lukács thematisierte 'Zerstörung der Vernunft', die den völkischen Bewegungen zupasskam, oder an den 'paranoiden Stil' (Richard Hofstaedter) der Mc Carthy?-Ära, dessen Familienähnlichkeit mit dem Antisemitismus unverkennbar ist." - Claus Leggewie- Vor ein paar Tagen hat Italiens bedeutendstes Institut für sozioökonomische Studien eine Erhebung zum Gemütszustand der Impfgegner durchgeführt. Die Untersuchung kam zum Ergebnis, dass Orientierungslosigkeit, prekäre Anstellungsverhältnisse, Einbuße an ökonomischem und sozialem Kapital, Statusverlust sowie Misstrauen gegenüber Institutionen und neuen Technologien zu den zermürbenden Folgen des Ausnahmezustands gehören. Es resultiert, mit anderen Worten, ein Verlust an sozialen Bindungen und darum auch der daraus sich ergebenden Verpflichtungen, die dem Dasein erst Sinn verleihen. Im Protest gegen die angebliche Bedrohung der Freiheit manifestiert sich also, schaut man genauer hin, insgeheim der Wunsch nach Aufmerksamkeit, nach Sicherheit und Leitlinien." "74. So viele Menschen müsste jeder einzelne EU-Staat aufnehmen, würde man die rund 2.000 Asylsuchenden aus den Wäldern an der polnisch-belarussischen Grenze aufnehmen und gleichmäßig verteilen. Das entspricht in etwa drei Schulklassen oder einem vollbesetzten Wagen im ICE. Nähme man alle 7.000 Menschen auf, die sich nach Schätzungen der Vereinten Nationen in der Hoffnung auf europäisches Asyl derzeit in Belarus aufhalten, wären es knapp 260 pro Mitgliedstaat. Aber Europa weigert sich. Und die Lage an der Grenze und in Polen nimmt zunehmend surreale Züge an. Während in den Wäldern die Temperaturen teils im zweistelligen Minusbereich liegen, wurde im polnischen Fernsehen eine große Gala zu Ehren des Grenzschutzpersonals übertragen; dazu hatte das Warschauer Verteidigungsministerium längst verglühte Popsternchen wie Captain Jack und Lou Bega angeheuert, der seinen Auftritt mit einem Satz auf Polnisch begann: 'Danke für die Verteidigung unserer Grenze'." -Johanna Roth- (Papst besucht Flüchtlingslager auf Lesbos) "Wir können nicht das ganze Elend der Welt aufnehmen", könnte man ihm entgegenhalten. Doch: "Dieser Satz bedeutet nichts. Er ist ein Alibi für Gleichgültigkeit, Grausamkeit und Willfährigkeit. Denn niemand, nirgends, ist jemals mit 'dem Elend der ganzen Welt' konfrontiert worden. Es ist dieses Elend, das um Hilfe ruft; es ist diese Handvoll leidender Seelen, die auf einer Müllhalde für Menschen geparkt sind; es ist konkret: diese kleine Gruppe von Kindern, die vor sich hinstarren und von denen eines Suizid begehen wird; es sind diese Brüder, deren Hüter ich bin und die nicht mehr ganz zur selben menschlichen Spezies zu gehören scheinen. Und das ist im Grunde genommen das Offensichtliche, an das dieser ebenso freundliche wie kühne Papst gegen alle Ideologen der 'Fluchtanreize' und des 'Bevölkerungsaustauschs' erinnert hat." -Bernard-Henri Lévy- "Ich sehe meine Rechte nicht beschränkt oder bedroht. Ich sehe mich bedroht durch Rechte und Beschränkte. Lieber glaube ich Wissenschaftlern, die sich auch mal irren als Irren, die glauben sie seien Wissenschaftler." -Fabian Eisenring- "Die 'Weltmeister' sehen die Welt nicht mehr als einen aufregenden Ort, dem man sich in die Arme werfen muss, sondern als eine Ansammlung von Problemen, die es zu verwalten gilt. Auch Angst verengt den Horizont. Sie ist Selbstbeschäftigung, sie kreist um sich selbst. Utopien gegen den Klimawandel... würden daraus ausbrechen. Lasst uns in die nächste Phase eintreten, lasst uns die Welt ein großes Stück besser, schöner, sauberer, gerechter machen! Wahrscheinlich klänge das heutzutage nur noch naiv. Dass der Fortschritt nach wie vor eine Erfolgsgeschichte ist und sein kann, traut man sich kaum noch zu denken." - Juli Zeh - Armin Laschets Generation konservativer Nihilisten: Ihre soziale Moral ist nur noch Camouflage, ihre Werte sind verhandelbar, ihre Absichten kaum verhüllt – es geht um die Verlängerung des Status quo, solange sich davon profitieren lässt. - Georg Diez- Irgendwie haben sich die Prioritäten verschoben bei Grünen und Linken: "In ihrer Vorstellung kann einem Menschen - außer vielleicht der Corona- bzw. der Klimatod - nichts Schlimmeres widerfahren, als irgendwie diskriminiert zu werden. Deshalb gilt ihre ganze Leidenschaft einer diskriminierungsfreien Sprache, beseelt vom magisch-postmateriellen Glauben, dass man die Dinge nur korrekt benennen müsse, um Ungerechtigkeiten aus der Welt zu schaffen. Diese Linke ist auf einer Wellenlänge mit Konzernen wie Amazon, die ihre Mitarbeiter trainieren, jedwede Diskriminierung zu vermeiden, die aber fuchsig werden, wenn diese sich einer Gewerkschaft anschließen, um bessere Arbeitsbedingungen und höhere Bezahlung durchzusetzen. Die Streiks im deutschen Amazon-Zentrum in Bad Hersfeld interessierten in diesen Kreisen darum nicht halb so sehr wie etwa die Frage, wer die Gedichte von Amanda Gorman übersetzen darf und wer nicht." -Deniz Yücel- "Popmusik ist in all ihren Formen, die überhaupt der Rede wert sind, ein Ereignis des Zu-Wort-Kommens" der zuvor Ausgeschlossenen. "Dieses Ereignis ist immer ein Gewinn, doch was zu Wort kommt, oft hochproblematisch, selbst wenn es sich um Befreiungen handelt. Die jungen Männer der Sechziger steckten ohne Frage in libidinösen Gefängnissen. Ihre Befreiung dekontaminierte ihre toxische Männlichkeit kaum. Gab man ihnen frei, machten sie Jagd auf Girls. ... Das spricht nicht gegen Befreiung an sich, aber gegen die Befreiung der eh schon besser Gestellten (Männer), und es spricht für die Einhegung jeder Befreiung in intersektionale Strukturen. Wird ein Pfeiler eines Herrschaftsgebäudes aus Patriarchat, Rassismus, Kapitalismus angesägt und geschwächt, rutscht ein anderes strukturwichtiges Element in das Machtvakuum, oft gesetzloser und ungebremster als das ältere - eine Alternative zum Angriff auf die Architektur der Macht gibt es dennoch nicht. Aber - und das ist Me_Too - allen Beteiligten muss eine Direktverbindung an die Öffentlichkeit zur Verfügung stehen." -Diedrich Diederichsen- "Der Holocaust ist nicht vergleichbar mit der Niederschlagung des Herero- oder Maji-Maji-Aufstands: Es gab keinen jüdischen Aufstand gegen Deutschland. Kein afrikanisches Volk wurde je als Weltfeind ausgemacht, das die Deutschen, ja die Menschheit selbst, jenseits der Kolonien gefährdete und unterwerfen wollte. Niemals wurde versucht, ein afrikanisches Volk bis auf das letzte Kind, den letzten Greis auszurotten. Nein, als Übertragung kolonialer Methoden auf 'Weiße' macht der Holocaust keinen Sinn. Als Höhepunkt des fast zweitausendjährigen christlichen Antijudaismus schon. Denn der Kolonialismus und die Unterjochung schwarzer und anderer farbiger Leiber ist nicht, wie die Postkolonialen behaupten, die Ursünde des Westens. Vielmehr ist die Gewalt gegen das Andere ein Merkmal Europas wie jeder anderen Gesellschaft; und die antisemitische Gewalt als Ursünde des Christentums eine Konstante im Abendland." -Alan Posener- "Die Nachfahren der Täter des Holocausts haben die Sünden ihrer Vorfahren gesühnt, indem sie sich moralisch und materiell zu einem fremden Staat bekannten, der wiederum den Anspruch erhebt, das jüdische Volk zu vertreten." Das führe dazu, dass Palästina nicht nur ignoriert werde "weil es nicht-westlich ist. Es wird aktiv verleugnet und unterdrückt... Palästina ist zutiefst und und auf paradoxe Weise unsichtbar in Deutschlands ausgeklügeltem moralischen Kalkül der historischen Reflexion." -Ussama Makdisi- "Im Kontext der bundesrepublikanischen Staatsgründung spielte die Absetzung vom Staat Hitlers eine Rolle, auch die Konfrontation mit dem Kommunismus, aber der Holocaust keine. Die Gesellschaft Konrad Adenauers und noch Willy Brandts hatte andere Gesichtspunkte. Als dann allmählich durch Forschung, Massenmedien und lokale Initiativen die Beschäftigung mit dem Judenmord prominent wurde, bestand wiederum gar kein dringliches Bedürfnis mehr, die Bundesrepublik durch eine Geschichte angenommener Schuld zu legitimieren." -Jürgen Kaube- In seinem heute vulgarisierten Verständnis zementiert 'Kulturelle Aneignung' auch die Vorstellung, Menschen seien unentrinnbar an gewisse äußere Merkmale gebunden". Dabei war dieser Begriff ursprünglich positiv gemeint: "Kullturelle Aneignung war das Zauberwort, das man verwendete, wenn man den erfolgreichen Widerstand autochthoner Gesellschaften gegenüber einem dominanten Westen hervorheben wollte. Gemeint war, dass Gesellschaften des globalen Südens selektiv Dinge aus dem Norden aufgriffen und für eigene Zwecke nutzbar machten. Dabei wurden Bedeutung und Gebrauch nicht selten radikal vom Ursprung gelöst." -Susanne Schröter- "Ich finde, dass das Gendern Texte recht unleserlich macht. Wichtiger als mein ästhetisches Empfinden ist aber etwas anderes: Die Beherrschung der Grammatik ist ein anspruchsvolles Klassenprivileg. Sie ist einer der Hauptfaktoren für die Eliminierung von Arbeiterkindern aus dem Schulsystem, der Universität und den nicht handwerklichen Berufen... Sprache darf sich ändern, und sie ändert sich. Wir müssen aber eher vereinfachen, statt alles komplexer zu machen. Es wäre paradox, wenn ein Projekt, das geschlechtsspezifisch inklusiv sein will, die Ausgrenzung sozialer Schichten festigt." -Didier Eribon- Das Gegeneinander-Ausspielen von angeblicher Relativierung der Shoah seitens jener Positionen, die äußerst ungeschickt als »postkolonial« bezeichnet werden, in überwiegend rechten und rechtsliberalen Medien gegen eine Einzigartigkeitsbeschreibung, die gerne mit den Frontstellungen aus dem sogenannten Historikerstreit argumentiert – als es nicht gegen Vergleiche mit anderen Staats- und Herrschaftsverbrechen ging, sondern um Verständnis für den Kampf der Nazis gegen den Bolschewismus –, scheint mir reine Diskurspolitik zu sein. D.Diederichsen "Es ist gerade die Errungenschaft postkolonialer Theoretiker:innen wie Homi K. Bhabha und Stuart Hall, Identität nicht als Essenz, sondern als hybride und dynamische Konstruktion zu begreifen. Bhabha setzte der Vorstellung von statischen Kulturen das Konzept der Hybridität entgegen. Kultur lebe davon, so Bhabha, dass sie dynamisch sei und fragmentarisch, an verschiedenen Orten gleichzeitig und widerspruchsvoll existiere. Die Begegnung von unterschiedlichen Lebenswelten und Milieus führt dazu, dass etwas Neues 'zwischen' den Kulturen erwächst." Saba-Nur Cheema / Bildungsstätte Anne Frank “Information is not knowledge. Knowledge is not wisdom. Wisdom is not truth. Truth is not beauty. Beauty is not love. Love is not music. Music is THE BEST.” -Frank Zappa - Die "Privilegierung von Meinungsmärkten auf Plattformen" hat im Communications Decency Act von 1996 eine Ursache für die heutige Macht von Facebook und anderen Netzwerken: "Netzanbieter sind von nun an keine Publisher oder Verleger mehr, sondern nur noch Makler oder bloße Vermittler, die keine Verantwortung und Haftung für ihre Produkte, für die dort vertriebenen Inhalte übernehmen müssen. Ein beispielloses Haftungsprivileg: Wer veröffentlicht, ist nicht verantwortlich, wer aber Content verantwortet, betreibt keine Veröffentlichung. Die dort zirkulierenden Äußerungen werden mit Berufung auf den Ersten Verfassungszusatz über Meinungsfreiheit auf das Meinungshafte reduziert, also von jeder Haftung, von Rechtfertigungs- oder Begründungszwängen dispensiert." - Joseph Vogl aus"Kapital und Ressentiment". - Aktivisten, die es ablehnen, dass Weiße Gormans Texte übertragen, und dies mit ihrer eigenen "Verletztheit" begründen, haben sich eh von vornherein für Argumente nicht mehr zugänglich verschanzt und betreiben im Grunde das Geschäft der Gegenseite, die sie angeblich kritisieren, schreibt Deniz Yücel in der Welt. "Wer meint, Amanda Gorman könne nur von schwarzen Übersetzerinnen in andere Sprache übertragen werden, interessiert sich nicht für die Lyrikerin Gorman, sondern für die eigenen ideologischen Projektionen auf sie. Für dieses Denken, das Menschen ihre Individualität abspricht und in ihnen bloß Repräsentanten und Träger von Identität sieht, gibt es einen Fachbegriff: Rassismus." Wir erleben derzeit eine Krise der Öffentlichkeit, die Gesellschaft ist zersplittert, Debatten werden nicht mehr "produktiv" geführt und die Identitätspolitik treibt die "Retribalisierung" der Gesellschaft voran. "Man kann nur dafür eintreten, dass die Empörung nicht allzu viel Macht in den Institutionen bekommt. Leider ist bei den woken Aktivisten das Wissen verloren gegangen, dass Moral lange ein Mittel der Unterdrückung war, um die sogenannten Unterschichten mundtot zu machen. Ihnen wurde entgegengerufen 'Seid nicht so neidisch, so gierig, so unverschämt', um sie vom Aufstand abzuhalten. Die Geschichte der Moral nicht zu kennen, ist ein regressiver Zug der neuen Moralisten. Deshalb unterscheide ich auch zwischen 'woke' und 'links': 'Woke' verfolgt eine moralistisch- regressive Politik, die mit links gar nichts zu tun hat. Sie hat ein reaktionäres Menschenbild und betreibt eine reaktionäre Politik." - Bernd Stegemann, Dramaturg - "Mensch ist heute ein in vieler Hinsicht mehrfach gespaltenes Gebilde und lebt in einer Körperlichkeit, die sich unter einem dieser Begriffe vernünftig nicht fassen lässt. Ich nenne das heute vorkommende ein Segment-Ich, das sich aus vielerlei Spaltungen zusammensetzt, mit denen es alltäglich umgeht, ohne dass eine Zuschreibung wie Schizophrenie oder Narzisst irgendeinen Sinn dafür machen würde. Die Spaltungen sind Alltag. Das Individuum ist ein Split-Ego. Die Verrücktheit der Killer besteht darin, dass sie genau damit nicht klarkommen. Sie fordern die Wiederherstellung der nicht mehr haltbaren Einheitlichkeit des Subjekts unter Einheitlichkeitstermini wie Nation, Rasse, Natur, Geschlecht. Den tatsächlichen Untergang von deren Relevanz durchleben sie im eigenen Körper, können ihn aber nicht verarbeiten. Sie werden davon zerrissen und leben in Panik. Hilfe verspricht allein Gewalt. Zerstörung jener, die in den neuen Uneinheitlichkeiten leben können; und das auch noch feiern." (theweleit) Im Jahr 2018 starben in Deutschland mehr Menschen als in jedem anderen Jahr zwischen 1990 und 2019. 2018 starben im Schnitt 2600 Menschen am Tag, alle Todesursachen zusammen genommen. Also Krebs, Verkehrsunfälle, Herzkreislauferkrankungen, alles. Gestern starben zwischen 1100 (RKI) und 1250 (Worldometers-Statistik) Menschen in Deutschland am Corona-Virus. 30.12.2020 'Je mehr ich mich als Individuum aus freien Stücken verantwortlich verhalte, desto weniger Anlass gebe ich dem Staat, ins gesellschaftliche Leben einzugreifen. Je unbedachter und egoistischer ich aber handle, desto eher muss der Staat meine Freiheit beschränken, um das Gemeinwesen wie auch das Wohlergehen der anderen Menschen wirksam zu schützen.'" - Schillerrede des Virologen Christian Drosten - Schon der aus Deutschland emigrierte Soziologe Leo Löwenthal hat 1949 in seiner Untersuchung "Falsche Propheten", an die Thomas Assheuer in der Zeit erinnert, sehr aktuell klingende Erklärungen für auch damals schon munter kursierende Verschwörungsfantasien formuliert: "Wenn Leo Löwenthal recht hat, dann fallen Verschwörungsnarrative immer dann auf fruchtbaren Boden, wenn der psychische Apparat des Einzelnen mit einer verwirrend komplexen Gegenwart überfordert ist, genauer: wenn es dem Einzelnen unmöglich ist, seine Krisenwahrnehmungen in ein sinnvolles Schema 'einzulesen', und er das Gefühl bekommt, dem Weltgeschehen wehrlos ausgeliefert zu sein. Verschwörungsgeschichten versprechen Abhilfe, denn ihre Erfinder sind Fachleute fürs Menetekel." Identitäre Bewegungen jeder Art verhärten sich immer mehr, doch was genau wollen sie eigentlich? "Alles soll so sein, wie es war und ist, nur ganz anders und zum eigenen Vorteil".Die neuen Opferkollektive stellen "zwar Ansprüche an den Staat, wollen sich aber weder von der Exekutive noch von der Jurisdiktion etwas sagen lassen. Stattdessen wollen sie als Partei und Souverän zugleich auftreten, als Kläger und Richter, als Widerstand und herrschende Macht... Aus solchen Dopplungen gehen die Selbstwidersprüche der neuen Bewegungen hervor: Die diversen Gruppen des Identitären wollen das Identitäre und können sich gleichzeitig nicht darüber beruhigen, dass sie identitär - und also partikular - sind. Man klagt das Recht ein, ist aber im Grunde stets bereit, sich darüber hinwegzusetzen." -Thomas Steinfeld- SZ, mit Jürgen Habermas' Aufsatz "Anerkennungskämpfe im demokratischen Rechtsstaat" von 2009 in der Hand. "Wenn Gesetze und Sozialpolitik Frauen repräsentieren, treffen sie stillschweigend Entscheidungen darüber, wer als Frau zählt, und stellen sehr oft Vermutungen darüber auf, was eine Frau ist. Wir haben dies im Bereich der reproduktiven Rechte gesehen. Die Frage, die ich gestellt habe, lautet also: Brauchen wir eine feste Vorstellung von Frauen oder von irgendeinem Geschlecht, um feministische Ziele voranzubringen? Ich habe die Frage so formuliert... um uns daran zu erinnern, dass Feministinnen sich verpflichtet fühlen, über die verschiedenen und historisch wechselnden Bedeutungen von Geschlecht nachzudenken und über die Ideale der Geschlechterfreiheit. Mit Geschlechterfreiheit meine ich nicht, dass wir alle unser Geschlecht wählen können. Vielmehr können wir einen politischen Anspruch erheben, frei und ohne Angst vor Diskriminierung und Gewalt gegen die Geschlechter, die wir sind, zu leben." -Judith Butler- Werte, mit denen Unternehmen gern prunken, als seien sie Ethikinstitutionen: "Transparenz zum Beispiel, Nachhaltigkeit oder Authentizität! Warum nicht? Fairness klingt auch gut und Ehrlichkeit sowieso, in gewissen Kreisen macht man mit Awareness eine gute Figur, und Solidarität ist eine Allzweckwaffe, die fast immer schlägt. Diversität, Tradition und Eigenverantwortung natürlich auch - vor allem, weil man sich die zuallererst leisten können muss. Aber sind das Werte? Eigentlich nicht. Es sind Slogans und Maximen, die billig zu haben sind. Was heute Werte genannt wird, hieß vor nicht allzu langer Zeit schlicht Interessen." -Urs Hafner- "Ich denke, die deutsche Diskussion um Kants Rassismus geht am eigentlichen Punkt vorbei. Ich kenne die Debatte aus den USA. Viele meiner Studenten denken, Kant sei ein Kolonialist und ein chauvinistisches Schwein. Natürlich hat er manch Schreckliches in Bezug auf Schwarze geschrieben, ebenso über Frauen und Juden. Er war ein Mann seiner Zeit. Aber will man jetzt die Grundidee der Aufklärung auflösen? Die eigentliche Frage ist nicht, ob Kant Rassist war, sondern ob der Universalismus selbst rassistisch ist, wie jetzt die Identitätspolitiker von links und rechts behaupten. Wenn Universalismus rassistisch ist, war Kant Rassist. Wenn Universalismus aber die einzige Antwort auf Rassismus ist, dann ist Kant die beste Waffe gegen Rassismus, die wir haben. Zu viele auf der Linken haben argumentiert, Universalismus sei Rassismus, weil er nur für weiße Männer gedacht sei. Wenn Sie so argumentieren, sind Sie bald bei einer Af D?-Position. Die angeblich Linke und die Rechte haben dieselben anti-universalistischen Annahmen; dann geht es am Ende nur noch darum, wer als Erstes schießt." - Omri Boehm - "Fast könnte man sagen, dass sich in dieser Krankheit die Ängste unserer Gesellschaft spiegeln, wenn auch auf verzogene Weise: Gestern noch fürchteten wir die Fremden, heute versetzt uns der Mieter von nebenan in Sorge. Von einer Angst sind wir so zur anderen gekommen: Die Agoraphobie der Globalisierung, die Furcht vor großen Räumen ohne Wälle und Grenzen, ist einer neuen Klaustrophobie gewichen, wir zittern jetzt vor der Enge der Selbstbegrenzung." -Pascal Bruckner- Alle Gesellschaften sind antisemitisch, sagt die französische Rabbinerin Delphine Horvilleur: "Wir leben heutzutage in Zeiten absoluter Opferkonkurrenz. Viele Lebensentwürfe funktionieren nur noch als Opfergeschichten. Als ob die Tatsache, dass man etwas erlitten hat, einem besondere Rechte verleihen würde. In diesem psychologischen Kontext wirken die Juden seit der Schoah wie die unweigerlichen Helden des Leids. Weil niemand die Figur des Opfers besser verkörpert als sie, nimmt man ihnen übel, einem auch diese Rolle geraubt zu haben." Horvilleur bestreitet übrigens nicht das Moment von Emanzipation, wenn sich Gruppen zu Wort melden: "Das Problem beginnt, wenn die plötzliche Sichtbarkeit einzelner Gruppen einen Kommunitarismus nährt, der andere ausschließt. Wir sind umgeben von Leuten, die ständig 'wir' sagen: 'wir Muslime', 'wir Juden', 'wir Homosexuelle', 'wir Frauen'. Alle diese 'Wirs' sind gefährlich, weil sie die universellen Werte für weniger wichtig halten." ich identifiziere mich weder mit deutschland noch einer anderen nation. jeder nationale bezug ist mir zuwider. die einzige identifikation liegt im hybriden, fluiden nicht bestimmbaren. im entziehen liegt mein selbst und nicht in vorgefertigten nationalen schablonen. - Cihan Sinanoğlu @icancan22 - Der Unterschied zwischen der Datensammelei von Google und Co. und der Überwachung durch den Staat: "Während die Selbstentblößung im Internet meist freiwillig erfolgt und Teil einer Geschäftsbeziehung ist (ich bekomme Google Maps, dafür bekommt Google Maps meine Bewegungsdaten), beruht ja das Verhältnis der Bürger zu ihrem Staat auf dem Recht. Dieses Recht garantiert dem Einzelnen, mit öffentlichen, von ihm mitfinanzierten Bussen und Bahnen zu reisen, ohne dafür seine Identität als Gegenleistung offenlegen zu müssen. Man vertraut sich halt." - Hanno Rauterberg - Nicht alle Populisten und Nationalisten der Welt zusammen scheinen doch eine derart großspurige Regression vorzuweisen wie die AFD. Denen ist gelungen, aus den abgenutzten Slogans zweier Diktaturen eine selbständige Sprache zusammenzuschustern. Glückwunsch! Eine intellektuelle Hochleistung. Ein beispielloses Angebot für die infantile Regression, die jeden Tag auch die erwachsenen Deutschen zwingt, in den Spiegel zu schauen und zu bekennen: 'Wir sind nicht nur das Versagen der SPD, nicht nur der verfahrene Konservatismus der CDU, nicht nur die Hoffnung an Grünen, wir sind nicht nur das Volk von Heisenberg, Goethe und Kant, wir sind, ob wir es wollen oder nicht, auch mit der gesamten Sozialgeschichte der DDR für alle Ewigkeiten vereint.' (Péter Nádas) Hodes beobachtete, dass Konflikt und Misshandlung in eins geworfen werden. Für Hodes ist ein Konflikt ein Machtkampf, während es bei Misshandlung darum geht, Macht über jemanden auszuüben. Wenn dir etwas geschieht, was du nicht verursacht hast und was du nicht kontrollieren kannst, dann ist das Misshandlung. Wenn du selbst Teil des Problems bist, dann ist das ein Konflikt. Sie sagt, dass wir in einer Situation sind, in der die Menschen reflexhaft ihr Leiden übertreiben und alles, was als Widerspruch wahrgenommen wird, sofort mit einer Unschuldsbehauptung beantworten anstatt mit einer Bereitschaft zur Auseinandersetzung. Wenn man nicht vollkommen und 100 Prozent unschuldig ist, verdient man in unserer gegenwärtigen Kultur kein Mitgefühl. (...) Texte zur Kunst: 100-prozentige Unschuld bedeutet aber auch 100-prozentige Machtlosigkeit, oder? Das wäre dann auch ein Problem. Schulman: Ja. In einer gesunden Situation würde man sich freuen, wenn man versteht, dass und wie man Teil des Problems ist, denn das würde bedeuten, dass man auch in der Lage ist, es zu lösen. Heute darf man aber nicht so tun, als hätte man dazu die Macht. Denn dann bekommt man keine Unterstützung mehr von den Menschen, die einen umgeben. tzk über Erich Mühsam Tagebücher: Die Aufzeichnungen gewähren Einblick in das Leben der Münchner Boheme, die Suche nach Publikationsorten und Geldquellen. Aber auch in eine mehr oder weniger funktionierende Gemeinschaft aus Künstlern und Lebenskünstlern, ihre Auseinandersetzung mit der Zensur und dem Konservativismus des Kaiserreichs, in eine gelebte antibürgerliche, antinationale Utopie. Voltaire: "Von Gestalten wie Diderot und dem frühen Voltaire ermutigt, lässt sich der Vorwurf, jede Kritik an politisch korrekten Positionen sei 'anti-aufklärerisch', mit einer kontrapunktischen Konzeption von Aufklärung kontern. Unter der Annahme unaufhebbarer Komplexität und Kontingenz der Welt bleibt diese Konzeption vor allem skeptisch gegenüber allen sich als a priori 'richtig' präsentierenden Lösungen, Anleitungen und Imperativen. Ansätze zur Orientierung in konkreten Situationen mit ihren jeweiligen Problemen gewinnt die andere Aufklärung aus der Bereitschaft, sich über Unterschiede des Urteilens wie des Erfahrens zu verständigen. Dabei entsteht eine intellektuelle Kraft, die es sich leisten kann, Widersprüche wahrzunehmen und an Rückschlägen zu arbeiten - statt sich mit moralischer Selbstgerechtigkeit und kollektiven Fortschrittsversprechen selbst zu blenden." Andrea Böhm rät mit betroffenen Frauen zu sprechen: "Wenn ich in meinen Jahren in Nahost eines begriffen habe, dann, dass der Hidschab alles Mögliche sein kann: Symbol einer Islamisierung; Distanzierung vom westlichen Kommerz-Kult um einen sexualisierten weiblichen Körper; Gehorsam gegenüber einem konservativen Elternhaus; taktisches Zugeständnis, um sich in einer aggressiv frauenfeindlichen Öffentlichkeit freier bewegen zu können. Oder Symbol der Wut auf das eigene, vermeintlich säkulare Regime, das seine Repression als 'Kampf gegen den Islamismus' verkauft." Konservatismus setzt auf behutsamen Wandel, auf Institutionen, auf das Bekannte, nicht auf das Hinwegwischen des Alten, hat Jonathan Freedland bei Edmund Burke und Michael Oakeshott gelernt. Weswegen er jetzt im Guardian zu dem Schluss kommt, dass Britannien eigentlich keine konservative Partei mehr hat: "Stattdessen gibt es auf der Rechten zwei revolutionäre Parteien, die sich fest einem nationalistischen oder populistischen Weg verschrieben haben. Aber das ist dezidiert nicht konservativ. Jetzt sind sie in einem Kampf gefangen, der die ältere, größere Partei immer weiter von den Werten entfernt, die sie eigentlich vorgeben soll." "Kanzler Sebastian Kurz spekuliert also darauf, für die eigene Verantwortungslosigkeit auch noch belohnt zu werden. Denn er trägt die Schuld daran, die FPÖ salonfähig gemacht zu haben. Sollte es sein Ziel gewesen sein, die Rechtspopulisten zu zähmen, indem er sie in Verantwortung einbindet, so ist das krachend misslungen. Deutlich geworden ist vielmehr, wie ansteckend der Virus des Populismus ist. Seine Koalition war auch Komplizenschaft." -Peter Münch- 'Das Theater ist Ort der Metamorphosen, nicht Zuflucht der Identitäten. Sich als jemand anders fühlen als man selbst, durch Personen, Geschichten, und sich so mit der Menschheit verbinden.' Der Schauspieler spielt auf einer Bühne, dass er jemand anderes sei, vor einem Publikum, das ihn spielerisch als jemand anderen sehen will. "Sich diskriminiert fühlen und diskriminiert werden sind sehr verschiedene Dinge. Rassismus ist Alltag, die Benachteiligung Ostdeutscher ist sozial - also nicht so unveränderlich wie Hautfarbe oder Name bei Migranten. Aber auch Migranten und antirassistische Gruppen machen die Identitätsreiterei mit. Wenn ihr Ziel nicht in der Idee von Gleichwertigkeit liegt, bei der jede Abwertung geächtet wird, also die von Migranten ebenso wie die durch Migranten, dann finde ich sie ebenso nervend wie fehlgeleitet." -Anetta Kahane- Nassehi benennt die konfliktuelle Komplizenschaft zwischen rechten und linken Identitätsdiskursen: "In diesem Kulturkampf kann es weder Sieger noch einen Ausweg geben, weil sich die Identitäten gegenseitig bestätigen, ja voneinander leben." "Gute Nachrichten, Amerika. Russland hat eurem Präsidenten ins Amt geholfen. Aber obwohl er seinen Job im wesentlichen dieser Hilfe verdankt, hat sich der Präsident mit seinen Helfern nicht verschworen oder mit ihnen zusammengearbeitet. Er war Profiteur der Geheimdienstoperation einer fremden Macht, aber kein aktiver Teil dieser Operation. Er bekam Diebesgut, aber hat sich mit den Dieben nicht im voraus abgesprochen. Dies ist, was Donald Trumps Regierung und ihre Komplizen im Kongress und die Medien Freispruch nennen." -David Frum- "Ob Links- oder Rechtsterrorismus – da sehe ich keinen Unterschied" "Doch, doch", ruft das Känguru, "die einen zünden Ausländer an, die anderen Autos. Und Autos sind schlimmer, denn es hätte meines sein können. Ausländer besitze ich keine" -Marc Uwe Kling- Hass wird oft die Stufe vor der motorischen Aktion genannt, bevor man auf jemanden losgeht. Das ist ungenau, es handelt sich eigentlich um eine Art halluzinativen Zustand. Die Gewaltakte, ob gegen Frauen oder Männer, vollziehen sich in einer Art Nebel. Die Wirklichkeitsauffassung des Fragmentkörpers grenzt immer ans Halluzinatorische. Daraus resultieren dann all die Vorwürfe gegenüber „Flüchtlingen“, die in den meisten Fällen rein ausgedacht sind. -klaus theweleit- In der FAZ beklagt Dietmar Dath daher den Zustand einer Musik-, Pop-, aber auch jeder anderen Kunstkritik, die sich angesichts der Herausforderung der Digitalisierung der Künste auf bloße Geschmacksregungen zurückzieht oder essenzialistische Authentizität (etwa "Lunge und Stimmbänder" im Kontrast zu rein digitalen Stimmen) zum Kriterium erhebt. "Was stattdessen nötig wäre, und zwar bei der Edelkunstkritik wie beim Schreiben über Popmusik oder Serienstreams, ist ein Begriff von Vermittlung, der weder medienökologisch noch didaktisch denkt, sondern die technische Gemachtheit der Künste mit ihrer sozialen abgleichen kann, statt beide im Kopf ineinander kollabieren zu lassen." "Wir haben hier seit 14 Jahren eine konservativ geführte Regierung. Aber wir haben keinen Konservatismus mehr, der aus einem bestimmten 'Wir'-Bedarf heraus denkt und daraus eine Welt konstruiert. Wir haben stattdessen nur diese verrückte Rechte, die im Zweifelsfall rassistisch ist. Und das ist das Problem: Die Konservativen haben es aufgegeben, einen in sich schlüssigen Gesellschaftsentwurf überhaupt nur zu denken. Deshalb ist das Wir von rechts nur reaktiv und regressiv." -Heinz Bude- Meine Generation erlebt erstmals, dass ein Teil der Linken an der Seite der extremen Rechten demonstriert. Endlich verschaffen sich die Landbevölkerung, das Prekariat und die geopferte Mittelschicht Gehör. Aber Sorge macht, dass die extreme Rechte seit 15 Jahren enge Bande zu Hochfinanz, Polizei und hohen Funktionären pflegt. Die Linke hat kein vergleichbares Netz, und die Rechte ist bereit, die Macht an sich zu reißen. Man erinnert sich, dass sich das französische Großbürgertum 1936 entschied, Hitler zu unterstützen; und es sieht aus, als würde es wieder so wählen. Die Börse kann sich mit repressiven Regimes der extremen Rechten arrangieren, während sie die Restriktionen, die ihr die Linke auferlegen würde, nicht erträgt. Virginie Despentes Mit der Provenienzforschung in ethnologischen Museen soll nur Zeit geschunden werden, glaubt in der SZ der Hamburger Globalhistoriker Jürgen Zimmerer, für den alle während des Kolonialismus erworbene Kunst Raubkunst ist - bis zum Beweis des Gegenteils: "Für den Umgang mit kolonialen Sammlungen bedeutet dies, dass die Beweislast umgekehrt werden muss, ein Objekt sollte also als unrechtmäßig erworben gelten, bis das Gegenteil erwiesen wird. Die gängige Annahme, alles sei rechtmäßig erworben, bis das Gegenteil erwiesen ist, schreibt dagegen die koloniale Rechtfertigungslogiken fort, zumal die Dokumentation fast vollständig aus der Feder der Kolonisierenden stammt." „Faschismus kann definiert werden als eine Form des politischen Verhaltens, das gekennzeichnet ist durch eine obsessive Beschäftigung mit Niedergang, Demütigung oder Opferrolle einer Gemeinschaft und durch kompensatorische Kulte der Einheit, Stärke und Reinheit, wobei eine massenbasierte Partei von entschlossenen nationalistischen Aktivisten in unbequemer, aber effektiver Zusammenarbeit mit traditionellen Eliten demokratische Freiheiten aufgibt und mittels einer als erlösend verklärten Gewalt und ohne ethische oder gesetzliche Beschränkungen Ziele der inneren Säuberung und äußeren Expansion verfolgt.“ Robert O. Paxton "Faschismus ist eine Form rechtsextremer Ideologie, die die Nation oder Rasse als organische Gemeinschaft, die alle anderen Loyalitäten übersteigt, verherrlicht. Er betont einen Mythos von nationaler oder rassischer Wiedergeburt nach einer Periode des Niedergangs und Zerfalls. Zu diesem Zweck ruft Faschismus nach einer ‚spirituellen Revolution‘ gegen Zeichen des moralischen Niedergangs wie Individualismus und Materialismus und zielt darauf, die organische Gemeinschaft von 'andersartigen' Kräften und Gruppen, die sie bedrohen, zu reinigen. Faschismus tendiert dazu, Männlichkeit, Jugend, mystische Einheit und die regenerative Kraft von Gewalt zu verherrlichen. Oft – aber nicht immer – unterstützt er Lehren rassischer Überlegenheit, ethnische Verfolgung, imperialistische Ausdehnung und Völkermord. Faschismus kann gleichzeitig eine Form von Internationalismus annehmen, die entweder auf rassischer oder ideologischer Solidarität über nationale Grenzen hinweg beruht. Normalerweise verschreibt sich Faschismus offener männlicher Vorherrschaft, obwohl er manchmal auch weibliche Solidarität und neue Möglichkeiten für Frauen einer privilegierten Nation oder Rasse unterstützen kann.“ Matthew Lyons "Intellektuell kommt von rechts nichts, was der Rede wert wäre. Keine Idee, kein Problembewusstsein, keine Analyse. Keine Schärfe, weder im Schreiben noch im Auftreten. Nur das nebulöse Gerede von der Bedrohung des eigenen Volks, dessen Existenz so heiß empfunden wie lau benannt wird, und die strategische Absicht, den Diskurs zu kapern. Der Wille zur Krise. Um erfolgreich zu sein, brauchen sie uns. Wir Nicht-Rechten sind es, die ihnen unfreiwillig zu Kontur verhelfen, weil wir sie andauernd schärfer machen, als sie sind." Per Leo, Mitautor des Buchs "Mit Rechten reden" Tom Holert: "Pop-Musikkritik ist wohl dann am wirksamsten, wenn es ihr gelingt, Teil einer sozialen Praxis und kulturellen Produktion zu sein, die sich den kapitalistischen Verwertungsprozessen weitgehend entziehen, ohne deren Realität als Umwelt von Pop-Musik romantizistisch zu verleugnen. Das heißt: wenn sie nicht nur über die Phänomene berichtet, sondern mit ihnen argumentiert - und wenn im Zuge solcher militanten kritischen Poesie und Forschung neue Formen des miteinander Denkens, des Hörens und Tanzens, des Organisierens und Zusammenlebens entstehen." Das ‚Vergnügen‘, das nach alter Lehre die Betrachtung eines Kunstwerks bereitet, enthält immer auch ein Moment der Schadenfreude, ja des Spottes über die vergeblichen Bemühungen um einen vernünftigen Zugang zur Welt.“ – Niklas Luhmann: Die Kunst der Gesellschaft (1995) Sorokin über die Stagnation unter Wladimir Putin und die gelähmte Opposition: "Die Herrschenden tun alles, um ihre Gegner zu erschrecken. Es gibt fast eine Art Paranoia der Mächtigen, eine hysterische Angst vor jeglicher Opposition. Umgekehrt nimmt die Ermüdung der Bevölkerung stetig zu. Das hat vor allem ökonomische Gründe. Es ist wie ein chemischer Prozess: Wenn sich ein Gemenge immer weiter verdichtet, dann kann daraus ein Kristall des Protests entstehen." Gramsci lag richtig, als er schrieb, dass politische Fragen unlösbar werden, wenn „sie sich als kulturelle verkleiden“. "Zöge die Af D? in der nächsten Legislaturperiode erneut in den Bundestag ein, was nach jetzigem Stand wohl niemand bezweifeln dürfte, erhielte die rechtspopulistische Partei einen Anspruch auf jährlich rund 70 Millionen Euro für die Stiftungsförderung. Das geht aus dem 'Gleichheitssatz' eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 1986 hervor." (Jonas Weyrosta in der taz: Historiker und Gedenkstättenleiter fordern Innenminister Horst Seehofer auf, die kommende Parteistiftung der Af D? wegen geschichtsrevisionistischer Äußerungen in der Partei auf ihre Rechtsstaatlichkeit zu prüfen und möglicherweise nicht zulassen) "Was nach einer juristischen Spitzfindigkeit klingt, ist tatsächlich eine ganz elementare Unterscheidung. Grundrechte sind seit jeher Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe und sollen als Ausgleich dafür wirken, dass dem Staat im Rahmen demokratischer Wahlen immense Macht anvertraut wird: Das absolute Gewaltmonopol. Das Grundgesetz verpflichtet die so gewählte Staatsgewalt im Gegenzug dazu, sich stets dafür zu rechtfertigen, wenn sie die ihr verliehene Macht zulasten der Menschen ausübt." Das heißt nicht, dass Facebook nicht zur Einhaltung von Meinungsfreiheit gerichtlich gezwungen werden kann - denn diese garantiert Facebook in seinen AGB. (Malte Engeler Netzpolitik Facebook) "Zum Beispiel wenn ein zweijähriges Mädchen sehr stolz sagt: 'Ich habe die Banane ausgezogen!' Man sieht, dass sie eine süße und sehr gute Analogie gemacht hat. In der Vergangenheit hat sie ihre Puppe ausgezogen und ist sie von ihrer Mutter ausgezogen worden. Sie weiß also sehr genau, was sie unter 'ausziehen' zu verstehen hat. Und wenn sie sieht, was sie selbst bei der Banane macht, erkennt sie, dass das etwas Vertrautes und Ähnliches ist. Die Auswahl jedes Wortes hängt mit einer Analogie zusammen." (Douglas Hofstadte, Kognitionswissenschaftler ) "Im Kern der Polarisierung steht nach Ansicht von Politikwissenschaftlern, Psychologen und Ministern die revolutionäre Natur der Brexit-Abstimmung selbst. Wie jede Revolution entwickelt Brexit eine eigene Dynamik, denn diejenigen, die diese Revolution betrieben haben, suchen immer radikalere Lösungen, um Ziele zu erreichen, die über das Verlassen der EU hinausgehen. Im Grunde genommen, so sagen sie, ist Brexit ein Instrument, um tiefgreifende Veränderungen in der Gesellschaft herbeizuführen, die der chaotische Charakter der Verhandlungen aber nicht liefern zu können scheint." (Mc Tague Boris Johnson "No-Deal-Jakobiner" Brexit) "Immer niedriger sinkt die Schwelle zum sanktionsbedürftigen Verhalten und zum skandalösen Sprachgebrauch. Auf einmal versündigt sich schon, wer 'Flüchtlinge' statt 'Geflüchtete' sagt. Man maßt sich an, als Stimme der unterstellt Erniedrigten zu sprechen, um milieukonform um moralische Distinktionsgewinne zu rivalisieren. Es stellt sich ein, was René Girard mimetische Rivalität genannt hat. Man steckt sich gegenseitig mit seiner Erregung an. Bald eskaliert der Konflikt und heischt Sündenböcke, Opfer, denen das sonst allerorten geforderte Opferprestige verweigert wird. Kommt doch schon die Anklage dem Schuldspruch gleich und mündet in die soziale Ächtung." (Uwe C. Steiner, NZZ) "Wir leben in einer Zeit der Hypermedialität, in der das Mediensystem wie eine gigantische Echokammer wirkt. In dieser Kammer werden alle Hässlichkeiten und Provokationen immer weiter verstärkt. Das wirkt wie eine Entzündung in der Gesellschaft, eine Hysterisierung der öffentlichen Meinung. Der Rechtspopulismus nutzt diesen Echo-Effekt, um die Aufmerksamkeiten zu verschieben. Und so werden die wirklichen Zukunftsthemen an den Rand gedrängt." (Matthias Horx, sz) "Wer den Fortschritt analysieren will, muss auch die Unfälle verstehen, die er ausgelöst hat, fand Virilio, und hatte auch dafür einen griffigen Slogan: 'Die Erfindung des Autos war auch die Erfindung des Autounfalls.'" (Baumgärtel über Paul Virilio, taz ) "Der 'reine Krieg' ist einer, der nicht mehr endet und der letztlich in den beschleunigten Informationsmedien, die immer auch Kriegsmedien sind, fortgeführt wird. So ging der Virilio-Sound in jener Zeit, und er löste eine neue Lust an der Theorie aus, die nicht auf Begriff und Definition versessen war, sondern auf Assoziationsreichtum und intellektuelle Sprunghaftigkeit setzte." Harry Nutt, BZ) |