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Die Körpermassaker im deutschen Bauernkrieg von 1525

Kulturgeschichte des menschlichen Körpers im 16. Jahrhundert

 von Florian Welle

INHALTSVERZEICHNIS:


EINLEITUNG

Die Erforschung des deutschen Bauernkrieges erlebte anläßlich der Feiern zum 450. Jahrestag der Reformation einen ungeheuren Aufschwung. Im Zuge der neuen Forschungen kam es zu einer Neubewertung des deutschen Bauernkrieges hinsichtlich seiner Ursachen, seines Verlaufes und seiner Folgen. So beurteilte die ältere Forschung z. B. die Folgen des Bauernkrieges für die Bauern durchwegs negativ. Für Günther Franz, einer ihrer prominentesten Vertreter, "schied der Bauer für fast drei Jahrhunderte aus dem Leben unseres Volkes aus. Er spielte fortan keine politische Rolle mehr."(1) Die neuere Bauernkriegsforschung, die u. a. mit den Namen Peter Blickle und Horst Buszello verbunden ist, betont hingegen, "daß aus der Niederlage der Bauern keine langfristige Resignation oder gar politische Apathie der bäuerlichen Untertanen abzuleiten ist. Der Bauernkrieg war vielmehr eine elementare historische Erfahrung, die Obrigkeiten und Untertanen in ihrem politisch-sozialen Verhalten tief beeinflußte und insofern Folgen zeitigte, die weit über den Horizont der Zeitgenossen hinausreichten."(2) Die auf dem Gebiet der Politik- und Sozialgeschichte artikulierte Neubewertung des Bauernkrieges ließ aber den konkreten menschlichen Körper "mit seinen Bedürfnissen und Zwängen, seiner Lust und seinem Leiden"(3) unberücksichtigt. Bis auf wenige Sätze, v. a. wenn es galt den Verlauf einer Schlacht nachzuzeichnen, wurde dem Körper der kämpfenden Bauern und Landsknechte in den Arbeiten keine Aufmerksamkeit geschenkt. Die Quellenlage leistet dieser Arbeit auch keinen Vorschub, da es kaum Selbstzeugnisse von Soldaten im 15. und 16. Jahrhundert gibt, die man auswerten könnte, und wenn es welche gibt, so wird "bis auf seltene Bemerkungen der Körper nicht thematisiert."(4)

Schriftliche Äußerungen von kämpfenden Bauern liegen uns wegen fehlender Literalität dieses Standes auch nicht vor. Da auf Selbstzeugnisse nicht zurückgegriffen werden kann, rücken die von Stadtschreibern, Sekretären, Adeligen und Pfarrern verfassten Berichte über die Schlachten und Plünderungen des Bauernkrieges in den Blickpunkt. Ausgehend von diesen Quellen, versucht die Arbeit in fünf Schritten sich den Körpern der kämpfenden Landsknechte und Bauern anzunähern und Aussagen über ihr Körper- und Kampfverhalten, sowie über ihre Körperwahrnehmung zu treffen. Daß dies der Blick der "herrschenden" Schicht ist, die den Forderungen der Bauern und den daraus resultierenden Gewalt- und Kampfhandlungen überwiegend feindlich eingestellt waren, ist immer zu berücksichtigen.

In einem ersten Schritt (Kapitel 1) werden die Körpermassaker an den aufständischen Bauern untersucht, wie sie in den Berichten der Stadtschreiber, Sekretäre, Adeligen und Pfarrer dargestellt werden. In einem zweiten und dritten Schritt (Kapitel 2,3) sollen allgemeine Überlegungen zum Körper der Landsknechte und zum Körper der Bauern folgen, die die Massaker an den Bauern aus der deutlichen psychischen und physischen Überlegenheit der Landsknechte erklären. Im vorletzten Schritt (Kapitel 4) sollen die Körpermassaker, anhand allgemeiner Überlegungen zur Gewalt im Bauernkrieg, in einem sozialpsychologischen Rahmen der frühneuzeitlichen Gesellschaft, gesehen werden. Der letzte Schritt (Kapitel 5), indem das Ende des Bauernkrieges und die Pazifikationspolitik des Schwäbischen Bundes angesprochen wird, komplettiert das Thema. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Thesen beendet die Arbeit.

Die benutzten Quellen umfassen das gesamte Aufstandsgebiet, so daß der Eindruck einer Pauschalisierung der Geschehnisse entstehen könnte. So wichtig regional- und bevölkerungsspezifische Faktoren im Hinblick auf die Ursachen und den Verlauf in einem Aufstandsgebiet sind,(5) so spielen sie für die Untersuchung von kämpfenden, verletzenden und tötenden Körpern auf den Schlachtfeldern des Bauernkrieges eine zu vernachlässigende Rolle. Wie die Quellen zeigen werden, lassen sich deutliche Parallelen und Gemeinsamkeiten im Körper- und Kampfverhalten von Bauern und Landsknechten für das gesamte Aufstandsgebiet aufweisen, so daß die Inhomogenität der Bauernhaufen, in denen zum Teil ebenfalls Landsknechte kämpften, und die Inhomogenität der sich aus allen Bevölkerungsschichten rekrutierenden Landsknechtsverbände(6) keine Berücksichtigung in dieser Arbeit finden wird. Ziel der Arbeit ist es, Aussagen über die Körper der Bauern und Landsknechte in der Kriegssituation zu treffen, in der sich ihre Körper wesentlich als kämpfende, verletzende, tötende sowie verletzte und getötete Körper darstellen.

HAUPTTEIL

1. Die Körpermassaker an den aufständischen Bauern in den Berichten von Stadtschreibern, Sekretären, Adeligen und Pfarrern u. a.

Im einzelnen werden die Berichte folgender Autoren ausgewertet: (7)

  • 4. April 1525: Die Schlacht bei Leipheim. Bericht des Schreibers des Truchsessen
  • 4. April 1525: Das selige Schießen von Gotwolshausen bei Schwäbisch-Hall. Bericht des Pfarrers Johann Herolt
  • Die Schlacht bei Wurzach. Stephan Weiglin an seinen Vater in Ansbach, Ulm, den 13. April 1525
  • 16. April 1525: Die Weinsberger Bluttat. Bericht des Pfarrers Johann Herolt
  • 12. Mai 1525: Die Schlacht bei Böblingen und Sindelfingen. Bericht des Schreibers des Truchsessen
  • 16. Mai 1525: Graf Philipp von Solms berichtet seinem Sohn Reinhard über die Schlacht bei Frankenhausen
  • 16. Mai 1525: Hermann Gysen berichtet seinem Vater, dem Solmsâschen Sekretär Johann Gysen, über die Schlacht bei Frankenhausen
  • 18. Mai 1525: Eine Straßburger Ratsbotschaft an den Rat zu Straßburg
  • 23. Mai 1525: Die Schlacht bei Pfeddersheim. Bericht des Kurfürsten Ludwig von der Pfalz an den Truchsessen Georg von Waldburg
  • 4. Juni 1525: Die Schlacht bei Ingolstadt. Bericht des Lorenz Fries.
  • Die Vernichtung der elsässischen Bauern bei Zabern. Bericht des lothringischen Sekretärs Nicolaus Volleyr de Seronville, Paris 1526.(8)
  • Die stolzen Bauern auf dem Ries. Aus der Donauwörther Chronik des Zisterziensermönches Joh. Knebel in Kaisheim (1529)

1.1. Statistische Angaben zu den Opfern des Bauernkrieges

Der deutsche Bauernkrieg läßt sich grob in zwei Phasen gliedern. "Die erste Phase des Aufstandes zielte durchaus auf eine vertragliche Lösung und blieb damit auch im Rahmen dessen, was in Herrschaftskonflikten üblich war."(9) Die zweite Phase war gekennzeichnet durch die Bemühungen der Bauern, tatsächlich die Herrschaft zu übernehmen. Die Gegenreaktion der Landesherrschaften bestand darin, vor allem durch den Schwäbischen Bund die Bauernunruhen niederzuwerfen, was zu zahlreichen Schlachten führte. In diesen Schlachten kam es zu zahlreichen Menschenverlusten vor allem auf bäuerlicher Seite. Die Schwierigkeit, exakte Todeszahlen zu ermitteln, liegt darin, daß die Quellen zum Teil stark divergierende Aussagen zu den Todesopfern machen. Mit Thomas Klein(10) ist aber davon auszugehen, "daß die Zahl der Opfer einiger großer Bauernkriegsschlachten im Tausender-, mehrerer Gefechte im Hunderter- und der Strafaktionen im Zehnerbereich anzusiedeln ist. Unter Berücksichtigung der für die bekannten Schlachten, Gefechte und Strafaktionen überlieferten Angaben dürfte sich die Gesamtzahl der auf den Bauernkrieg zurückzuführenden Todesopfer auf maximal 70-75000 belaufen."(11) Die Zahl läßt es berechtigt erscheinen, von Körpermassakern an den Bauern in den Schlachten des Bauernkrieges zu sprechen. Der Begriff "Bauernkrieg" oder der heute bevorzugte Begriff "Revolution des gemeinen Mannes" ist somit genau genommen nur für die uns beschäftigende zweite Phase anzuwenden.

1.2. Die Plünderungen der Bauern: der enthemmte Bauernkörper

Liest man die einzelnen Berichte durch, so fällt auf, daß die Schreiber ihren Bericht in den meisten Fällen mit den Raub-und Plünderungszügen der Bauern beginnen. Der Schreiber, der über die Schlacht bei Leipheim berichtet, beginnt mit den Worten: "In dem heten sich deren von Ulm Pauren umb Leiphaimb dermassen gesterkt, das sie zue Langenaw 4000 und zue Leiphaimb sampt denen im ganzen Camlach-und Mündeltal auch 5000 stark waren, fielen uber die Gottsheuser Roggenburg, Wettenhaußen und zueletst uber Elchingen, namen und zerschliegen darinnen was sie funden." Schon mit dem zweiten Satz seines Berichtes kommt der Kurfürst Ludwig von der Pfalz auf die Plünderungen zu sprechen: "Sein uns in mitler Zeit vilfältige Schriften und Rate von Haydelberg zukomen von wegen der aufrurigen Paurschaft, die sich in unserem Furstentum hie dutzzeit Reins versamelt, vilen Graven, Heren, Ritter und Knechten, als Nassaw, Leyningen, Westerburg und andren ire Heuser und Guter aingenommen, verwust, geplindert, ausgeprant und der maß so uncristenlich, tyrannisch und ungeschicklich gehalten, das es unmessig, darumb wir verursacht zu ilen." Die Schreiber zeichnen von Anfang an ein negatives Bild des Bauern in Gestalt eines enthemmten und disziplinlosen Bauernkörpers, um die Bauern zu diffamieren. Die Plünderungen der Bauern sind historisch unbestritten, was in den Berichten auffällt, ist ihre Exponierung an erster Stelle, quasi als Einleitung. Die Hintergründe und eventuellen Ursachen für die Aufstände der Bauern werden von den Autoren niemals erwähnt, stattdessen werden ihre Plünderungen in den Vordergrund gerückt. Die rhetorisch versierten Schreiber lassen somit bei den Lesern den Eindruck entstehen, daß die Sache der Bauern eine ungerechte, schädliche, zerstörerische sei, die ein sofortiges und brutales Vorgehen rechtfertigt, um die Ordnung im Land wiederherzustellen.

1.3. Die Plünderungen der Bauern: der groteske Bauernkörper

Neben der Schilderung eines disziplinlosen Bauernkörpers tritt die Schilderung eines, um mit Michael Bachtin zu sprechen, "grotesken"(12) Bauernkörpers. Häufig werden beide Beschreibungen in einem Satz oder in engem Zusammenhang genannt. Die Bauern bekleiden sich mit den von ihnen geplünderten Gewändern, sei es nun die Kleidung der Adeligen oder die der kirchlichen Würdenträger. Nicolaus Volleyr de Seronville beschreibt im 5. Kapitel eine Plünderung folgendermaßen: "Dazu hatten die Aufrührer fortgetragen alle Schmuckstücke und Reliquien, Kleinodien, Kelche, Altarbekleidungen, und hatten die Bilder in Stücke geschlagen. Sich aber bekleideten sie mit Meßgewändern, Alben, Achseltüchern, Tuniken, Mänteln, Stolen, Armbinden und anderen heiligen und geweihten Gewändern, ganz so bauern-, tölpel-, rüpelhaft, lohgerber-, winzer-, ochsentreibermäßig und flegelhaft wie sie waren." Die Donauwörther Chronik enthält einen ähnlichen Vorgang: "Als aber nu die Bauren also in irem Regiment jubilierten und inen wol gefuel, daß sie edel wasen worden, wolt kainer kain Kütel mer tragen oder zwillichin Hossen, liesen sich in Weiß beclaiden und die Hosen abgeschnitten und allenthalb zerschniten und mit blauem Underfuetert und ain groß Huetlin auf und ain Federn darauf, darnach wolten si iren Adel meren und weiter einnemen. (...) Und zochen also dahin, und mitsampt den margrafischen Bauren fuelen si in das Closter Anhausen, zerrissen alles, das da was, warfen die Bucher in die Brunnen, die Biltnus Cristi und Mariä, auch anderer Helgen, hauen si die Köpf ab, Arm, Fueß und anderst. Und das noch erbermlicher ist, das hailig Sacrament namen si in ire kirchenbruchisch Hend, warfen das mit dem Pixlin, darin es lag, in der Kirchen hin und wider, und trüben da unchristlichen Mutwillen, dergleichen hetten si auch getriben zu Maying." Indem die Bauern sich ihrer Kleidung entledigen (Kütel, zwillichin Hosen) und sich die Kleider eines höher gestellten Standes überziehen (Adel, Geistlichkeit)(13), inszenieren sie eine Art Karneval, der für einen kurzen Zeitraum die Umkehrung der bestehenden gesellschaftlichen Hierarchie und Ordnung signalisiert. "Das karnevalistische Leben ist ein Leben, das aus seinem gewöhnlichen Gleis geraten ist, in gewisser Weise ein "verkehrtes Leben", "eine auf den Kopf gestellte Welt",(14) formuliert Bachtin, in der sich "Heiliges und Profanes, Hohes und Niedriges, Großes und Nichtiges, Weises und Dummes einander annähern".(15) Die Karnevalisierung, die sich in der Verkleidung der bäuerlichen Körper manifestiert, bewirkt eine Verwandlung derselben in eine andere (höhergestellte) Person; hergebrachte Standes-, Klassen- und Schichtengrenzen werden nivelliert. Die Verkleidung zielt auf Verspottung der höheren Stände, die Zerstörung von Statussymbolen, wie sie die beiden Quellen beschreiben, besitzt eine Ventilfunktion: angestaute Aggressionen und der Haß auf die Privilegierten entladen sich an den Gegenständen, die den Reichtum und die Vormachtstellung repräsentieren. (s. auch Kap. 4. 1.) Die Profanierung, Lästerung und Parodie sakraler Gegenstände und Gewänder hat zur Folge, daß die tabuisierten Geltungsansprüche derselben ihre Wirkmächtigkeit verlieren. Die zweite Welt des Karnevals, die die Privilegierten als Ventilfunktion für das Volk dulden, findet seinen Eingang in die konkrete Situation des Bauernkrieges, indem Elemente des Karnevals zu beobachten sind. Die Karnevalisierung besitzt in beiden Fällen, in der Volkskultur mit ihren Festen, wie in der existentiellen Situation des Bauernkrieges, eine ähnliche Bedeutung für die Akteure.

1.4. Die Darstellung der Körpermassaker und des Todes der Bauern

Betrachtet man, wie die Autoren den Vorgang des Tötens und den Tod der Gegner beschreiben - eigene Verluste an menschlichen Leben werden im Gegensatz zu materiellen Verlusten nur sehr selten thematisiert - so lassen sich deutliche Gemeinsamkeiten feststellen. Martin Dinges entdeckte in seinem Aufsatz "Soldatenkörper in der Frühen Neuzeit" verschiedene rhetorische Konstruktionen, mit denen die Soldaten des 17. und 18. Jahrhunderts den Tötungsakt und den Tod von Gegnern in ihren Selbstzeugnissen darstellen. Er erwähnt u. a. Passivkonstruktionen, unpersönliche Formulierungen, Verkleinerungen und Tiervergleiche.(16) Diese rhetorischen Mittel lassen sich auch für die hier untersuchten Quellen des frühen 16. Jahrhunderts nachweisen.

  • Die Erzähler verwenden häufig Passivkonstruktionen und unpersönliche Formulierungen, um Abstand zum Tod des Feindes zu erzielen. Über die Schlacht bei Leipheim heißt es: "... und was daselbst den Hessen entrunen, flohe auf Leiphaimb zue, und was zue Leiphaimb uber die Tonaw schwame, kame den Hessen in ir hand, und wurden in die 4000 Pauren erstochen und ertrankt." Lorenz Fries berichtet über die Schlacht bei Ingolstadt: "Und nachdem der Platz, daruf sie betretten, weit und eben was, volgten inen die Geraisigen nach, handelten mit inen, bis ir ob den 5000 erschlagen wurden." Ludwig von der Pfalz schreibt: "Daruf si alsbald wider gewendt, zum Flecken zugezogen, haben zwai Geschwader Reiter mit inen darauf gehauen, doch zu mer redlich zusammengeschossen, wiewol uf unser Seiten nit mer, dan ain Person erschossen, aber der Pauern bus in 1500 erstochen worden." In diesem Fall wird sogar der eigene Verlust erwähnt, doch besitzt er hier die Funktion, in der Gegenüberstellung den Kontrast zu den 1500 erstochenen Bauern zu verstärken.
  • Ingesamt bestimmt eine relativ "neutrale und objektivierende"(17) Erzählhaltung die Berichte, die sich jeglicher Gefühlsregung und Mitleid enthält. Formulierungen wie die des Nicolaus Volleyr de Seronville "Und das Gemetzel war so furchtbar" (14. Kap.), "Und der Kampf in Zabern war so schrecklich" bilden Ausnahmen. Nichtsdestoweniger hält Nicolaus die Gewalt gegen die Bauern als Strafe Gottes für gerechtfertigt.
  • Auffallend in der Charakterisierung der Bauern ist die häufige Verwendung von Tiervergleichen, die die Funktion einer Abwertung der Gegner übernehmen. "Also flochen die Pauren ains Teil hinder sich den andern Reutern in die Hand, die wurden alle erstochen, und ain große Anzall, die an der Tonaw liefen, fielen in das Wasser, wie die Schwein, und ertranke der merer Teil derselben", formuliert der Leipheimer Schreiber. Der Außenstehende Stephan Weiglin schreibt an seinen Vater über die Schlacht bei Wurzach: "Daruf haben die Pundstende etlich Pfert halten und straifen lassen, die haben den merern Tail der Paurn erstochen. Also kamen die armen Leut elendigklich umb, wie die unvernunftigen Tier, wiewol es ir aigen Schuld, wöllens nit anderst haben, laufen im Feld und Welden zusamen." Tiervergleiche dienen den Autoren, neben den Passivkonstruktionen und der neutralen Erzählhaltung, vor allem dazu, den Gegner abzuwerten. Indem der menschliche Bauernkörper mit einem Tierkörper, in diesem Fall mit dem eines Schweines, gleichgesetzt wird, erfährt der Tötungsakt eine Abschwächung, die in dem Leser das Gefühl hervorruft, hier handle es sich um die Tötung eines Tieres, das als (Nutz-) Tier ein Dasein als Lebewesen zweiter Klasse fristet. Der Bauer als Mensch wird nicht mehr wahrgenommen. Tiervergleiche erscheinen besonders plausibel, da die Schreiber zuvor schon das Bild eines enthemmten und triebhaften Bauern gezeichnet haben, der in Form der Plünderungen nur seinen Instinkten folgt. Die Tiermetaphorik lenkt vom menschlichen Körper und seinen Schmerzen der Verwundung und des Sterbens ab und verharmlost den massenhaften Akt des Tötens und des Todes in den Schlachten des Bauernkrieges.

Wie die angeführten Punkte deutlich machen, vermeiden die Schreiber ausführliche Tötungsbeschreibungen. Der menschliche Körper mit seinen Wunden, Verletzungen und Schmerzen, die ihm im Krieg zugefügt werden, die seinen Körper deformieren, zerstückeln und zuletzt töten, wird nicht thematisiert. Die Gefahren, die Gewalt und die Brutalität des Krieges und seine Auswirkungen auf den Körper werden verschwiegen; sie besitzen, so scheint es, für die Personen, die über die Schlachten berichten, keine Bedeutung, so daß eine Rekonstruktion der Körperschrift als Narbenschrift nur über die Abwesenheit des Körpers möglich ist.

Eine Ausnahme bilden anscheinend die Strafaktionen gegen die Bauern. Denn in zwei Quellen (Schlacht bei Böblingen und Sindelfingen, Donauwörther Chronik des Zisterziensermönches Joh. Knebel), in denen die Strafe an Bauern beschrieben werden, wird explizit auf den Körper der Delinquenten Bezug genommen. Es liegt nahe, eine Trennung von kriegsbedingtem Töten und Strafen, die am Körper vollzogen werden, anzunehmen. Im Kriegsgeschehen wird dem Körper von Seiten der Schreiber keine Aufmerksamkeit geschenkt; geht es jedoch in Form von Strafen darum, den Untertanen "ein Gedächtnis für die Zukunft zu machen"(18), beginnt der Körper eine wichtige Rolle zu spielen. In der Quelle Schlacht bei Böblingen und Sindelfingen wird die Hinrichtung des Pfeifers Michel Nonnenmacher, der an der Weinsberger Bluttat beteiligt war, geschildert. Bevor die Quelle näher untersucht wird, ist zu fragen, was es mit der Weinsberger Bluttat auf sich hat. Am 16. April machten die Bauern für sich das Kriegsrecht geltend und töteten 14 Adelige, indem sie sie durch den Spieß laufen ließen. Die Weinsberger Bluttat stellt ein singuläres Verhalten der Bauern dar, weitere Gruppentötungen sind nicht überliefert. Der Pfarrer Johann Herolt schildert die Ereignisse: "..., furten nachvolgendt den edlen und wolgebornen Herrn Ludwigen Graven zue Helffenstein etc., der Zeit Amptman daselbst, und mit ime dreizehn vom Adel, under welchen waren zwen Sturmfeder, Ruodolf von Eltershoven und Pleickhart von Ruchzingen, uf einem Ackher gegen Heilprunen. Da machten sie einen Creis und jagten die wolgebornen und Edlen durch die Spies mit iren Knechten, uf vierundzwainzig Person. Der Graff entpott, er wolt inen ein Tunen Gelt geben, sie solten ine leben lassen, aber da half nichts dann sterben. Da dis der Graf sahe, stund er stockstill, bis sie ine erstachen. Ruodolf von Elterßhoven ist creuzweis in Ring gangen und sich williglich in Todt ergeben. Also haben sie diese wider alle Kriegsordnung durch die Spies gejagt, darnach nackendt ausgezogen und ligen lassen." Dieses brutale Vorgehen der Bauern wurde von den Gegnern entsprechend gesühnt. Nach der Schlacht bei Böblingen wurde dem Truchseß Georg von Waldburg der Pfeifer Michel Nonnenmacher ausgeliefert. Der Schreiber des Truchsessen schildert die Strafaktion gegen Michel Nonnenmacher ausführlich, wobei er direkt auf den Körper des Delinquenten Bezug nimmt und das auf den Leib Michel Nonnemachers geschriebene Strafregister aufzeichnet. Er rekapituliert zuerst die Ereignisse von Weinsberg und die Beteiligung des Pfeifers, wobei wieder die Verkleidung des Pfeifers auffällt: "Aber als der Graf von den Paueren durch die Spieß zue jagen verurtailt, hette er dem Grafen sein Federhuet abgenommen, den aufgesetzt und gesagt, er were lang genueg ain Graf gewest (...), und dieweil man also den Grafen sambt andern hinaus füeret, gieng er, (...), vor und bliese den Zinken, half ine darnach durch die Spieß jagen und namb volgents das Schmalz aus ime, schmieret seinen Spieß damit." Die Grausamkeit der Bauern wurde zur Abschreckung mit Grausamkeit gerächt. Der Schreiber fährt fort: "Und auf selbigen Abent ließ der Truchsäß ine an ainen Paumb mit einer langen eisenen Ketten binden, daß er umb den Paum auf zween Schrit weit laufen möcht, bevalch guet Holz zue bringen. Das ließ er ringsumb etwa anderthalb Clafter von dem Paum auf ainander legen, anzünden und den Ubeltäter durch den Nachrichter braten, also daß ime der ganze Leib (in) beinach einem Viertel ainer Stunt zue eitelem Braten, und er noch lebe was bis zue letster Abschied." Dem Schreiber kommt es sehr darauf an, die am Leib vollzogene Strafe detailliert zu schildern, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen. Da das Maß der Strafe in der Frühen Neuzeit die Tat widerspiegelt,(19) erinnert die Beschreibung der grausamen Strafe nochmal an das grausame Vergehen, welches gesühnt wird. Durch die Marter wird die durch das Verbrechen verletzte göttliche und menschliche Ordnung wiederhergestellt. Das Gewaltmonopol der Regierenden wird eindrucksvoll vorgeführt und erfährt somit seine Bestätigung. In der nächsten Quelle bleibt der Delinquent drei Tage lang an dem Platz seiner "Hinrichtung", um als Exempel zur Abschreckung für die anderen Bauern zu dienen. Bemerkenswert an dieser Quelle ist die Tatsache, daß hier schon die Verspottung priesterlicher Würde durch Verkleidung eine grausame Strafe erfährt. Allerdings vermittelt die Quelle den Eindruck einer spontanen Strafaktion, die von daher von der Böblinger Quelle zu unterscheiden ist, in der ein gezieltes und geplantes Strafritual seine Anwendung findet. In der Donauwörther Chronik heißt es: "als ir Boshait zu Anhausen verbracht was, hat ainer ain Alb über andere seine bubisch Claider anton und ain Meßgewand daruber und da sein Spott getriben, die hailigen Meß und priesterliche Wurd veracht und also mit den andern aufgewest, und haben das Closter Haidenhaim auch wellen plündern und zerreissen. Da ist der hochgeporn Furst, Margraf Casimirus von Onspach, mit ainem raisigen Zeug und etlichen Knechten kumen und die neuen edlen Rießbauren angriffen, und den, der das Meßgewand an hat gehapt und also ain Spott daraus gemacht, hat ain Reiter ain Spies durch in ausgerent und den Spies und in also lassen in ainandner stecken bis an 3 ten Tag, darmit die Straf Gottes offenbar wurd. Da flochen die Bauern, daß etlicher lief, daß er nit west, wo er was ..." Wie die Quellen deutlich machen, kommt es auf den Sachverhalt an, ob der Körper von den Schreibern thematisiert wird oder nicht. Der Körper im Kampf scheint nicht der Rede wert, jedoch der zu strafende Körper. Durch die Schilderung der Strafen werden die Strafen verschriftlicht und finden somit Eingang in das Gedächtnis der Menschen. Die abschreckende Wirkung der Strafen bleibt in der Erinnerung der Menschen haften (inwieweit die Bauern an dieser Form des Erinnerns teilhatten ist fraglich), ebenso ist für die Herrschenden die abschreckende Wirkung ihrer Strafen abzulesen. Möglicherweise besteht eine Wechselwirkung zwischen den in dieser Weise aufgeschriebenen Strafen und der Festschreibung von Strafen, wie sie die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. 1532, die sogenannte Carolina, vollzieht.

2. Der Körper der Landsknechte

Die Landsknechte trugen wesentlich dazu bei, die im gesamten Reich entflammten Bauernaufstände niederzuschlagen. Das war nicht selbstverständlich. Viele Landsknechte weigerten sich zunächst, gegen die Bauern zu kämpfen, da sie "vor allem in der Gartzeit ohne sie (die Bauern, Anm. d. Verf.) als Ernährer nicht existieren konnten",(20) zudem "ein großer Teil der Knechte bäuerlicher Herkunft war."(21) Aus diesen Gründen hatte der Truchseß Georg von Waldburg zunächst große Mühe, zu Beginn des Jahres 1525 eine Armee aufzustellen. Als aber mit der Beendigung der Schlacht bei Pavia tausende Landsknechte ins Reich zurückkehrten, war dieses Problem schnell gelöst. Georg von Waldburg warb die Italienheimkehrer, die sich nach Lohn umsahen, in großer Zahl an, so daß er eine schlagkräftige Armee zur Niederwerfung der Bauern zusammenstellen konnte. Was läßt sich nun über den Körper der Landsknechte aussagen, da sie es waren, die die Bauernaufstände niederwarfen und zum Teil blutige Massaker an ihren Gegnern anrichteten?

2.1. Der "unzureichend geschützte" Landsknechtskörper (22)

Der Kern des Arbeitsverhältnisses eines Landsknechtes bestand im Verkauf seines Körpers an den Kriegsherrn. Aus diesem Grund wäre anzunehmen, daß sich der Dienstherr um das Wohl und den Schutz seines Kombattanten gekümmert hätte. Wie die Aufsätze von Martin Dinges und Bernhard R. Kroener(23) zeigen, sah die Realität anders aus. Ihre Thesen, die sie vor allem aus Soldatenzeugnissen des 17. und 18. Jahrhunderts entwickeln, können in Bezug auf die Kategorien "Wetter", "Krankheiten", Versorgung" und "Ausrüstung" auch auf die Söldner des 16. Jahrhunderts ihre Anwendung finden. Die angeworbenen Landsknechte mußten z. B. im 16. Jahrhundert für ihre Kleidung und Kriegsausrüstung selbst sorgen, was umso mehr ins Gewicht fällt, da "ab 1520 die Kriegsherren sogar noch den Kleidergulden einsparten."(24) Im Feld waren die Söldner dem Wetter ausgeliefert, der Bau von Hütten konnte die Kälte nur wenig lindern. Was die Situation der Landsknechte von denen der Söldner des 17. Jahrhunderts unterschied ist die Tatsache, daß "der Soldat im Zeitalter des freien Söldnertums noch der gleichwertige Partner des Offiziers gewesen war, der in der Epoche des Dreißigjährigen Krieges zu einem nur noch als Masse wahrgenommenen Investitionsgut verkam."(25) Dies dürfte die Situation der Söldner im 17. Jahrhundert noch um ein erhebliches Maß verschlechtert haben. So waren "gerade im Bereich Heeresversorgung Unterschleife, daß heißt Veruntreuungen jeder Art zu lasten des Soldaten an der Tagesordnung."(26) Die Profitgier derer, die am Dreißigjährigen Krieg verdienen wollten, kann nicht auf das frühe 16. Jahrhundert übertragen werden, doch schwächten Kälte und Nässe infolge schlechter Kleidung, Unterernährung und übermäßiger Alkoholkonsum ebenso die Landsknechtskörper des 16. Jahrhunderts und ließen ihre Körper sehr anfällig für Krankheiten und Infektionen werden. Daher kann man auch für den Landsknecht des frühen 16. Jahrhunderts von einem "unzureichend geschützten Körper" sprechen.

2.2. Der kriegserprobte und kampfgeübte Landsknechtskörper

In den Schlachten des Bauernkrieges standen sich, sieht man von einzelnen Ausnahmen ab, Landsknechte und Bauern gegenüber. In diesen Kämpfen waren die Landsknechte von vornherein in der stärkeren Position. Auch wenn die Söldner für die Anforderungen, die an sie gestellt wurden, einen unzureichend geschützten, durch Krankheiten geschwächten besaßen, so verfügten sie doch über einen kampfgeübten und kriegserfahreren Körper, der den Bauern allemal überlegen war. Der Körper war für sie ihr Kapital und je besser man ihn im Krieg einzusetzen wußte, umso größer waren die Chancen, unverletzt oder mit leichten Wunden den Kampfplatz als Sieger zu verlassen. Dieser Aspekt ist von Martin Dinges und Bernhard R. Kroener in dieser Form nicht beachtet worden. Im Umgang mit ihren Waffen besaßen sie eine langjährige Erfahrung, sie wußten, wie sie mit einer Hellebarde oder mit dem imposanten, zwei Meter langen und mit beiden Händen zu führenden Biderhänder umzugehen hatten. Sie waren im Nahkampf mit dem breiten Kurzschwert, dem sogenannten Katzbalger, geübt und trainiert, wußten wie sie ihren Körper zu bewegen hatten, wie sie anzugreifen und wie sie Schläge abzuwehren hatten. Die Landsknechte waren sowohl körperlich wie mental auf den Krieg und den Kampf vorbereitet. Krieg war ihr Lebensunterhalt, mögliche Verletzungen und der Tod wurden in Kauf genommen, zum größten Teil aber verdrängt.(27) Neben den manuellen Kriegswaffen besaßen sie Feuerwaffen, wie Hakenbüchsen, Halbhaken oder Kanonen, die sie gegen die Bauern einsetzten. Auch die Bauern besaßen Feuerwaffen, nur in geringerer Zahl und in ihrer Handhabung wenig geübt. Zuletzt verfügten die Landsknechte und v. a. ihre Dienstherren über Pferde, die sie in den Kämpfen überlegen machten. Die Quellen geben Ausdruck dieser Überlegenheit. Hermann Gysen berichtet seinem Vater folgende Begebenheit: "Kom Engell in ein holen Weg am Berg und kont nit wenden. Schoßen drei mit Handboxen uf jenen, einer felt, der andere schoß ieme durch ein Ermel, aber nicht wont, der drit uf den Kragen, das ieme ein Stuck von Lot noch in der Achsel ist. Verhoff ober, es werde ieme nichts scheden. Aber sein Pferd word ieme mit Schweinsspießen zwei Mall gestochen; nach brach er durch sie hien uf dem wonten Pferd und erstoch ire darnach noch etlich und kamen alle mit gutem rait widder von iennen." Nicolaus Volleyr de Seronville schreibt im 12. Kapitel: "In dieser Lage verfiel man auf eine neuartige Maßnahme, die sich als sehr vorteilhaft erwies (...). Nämlich einige Reiter nahmen eine Anzahl italienischer Artilleristen hinter sich auf das Hinterteil ihrer Pferde. Diese stiegen an passender Stelle ab und übten dann ihre Schießkunst aus. Das alles kam so plötzlich, daß die Feinde sich wunderten, wie so etwas möglich sei. Und nicht minder taten ihre Pflicht die geldrischen Landsknechte (...) Sie stürzten sich in schöner Ordnung so ungestüm auf die Feinde, daß ihnen keine Hindernisse, Gräben und Schutzmauern helfen konnten." Überlegen waren sie den Bauern auch in Sachen Kriegsführung und Kriegstaktik. Nicolaus erwähnt mehrmals die "schöne Schlachtordnung", in der das Heer Herzog Antons von Lothringen vorrückt oder berichtet von taktischen Gegenmaßnahmen der Fürsten. "Aber die edlen Fürsten trafen - wie es in solchem Falle erforderlich ist - rasch und umsichtig ihre Maßnahmen und griffen sie so herzhaft an, daß ihnen ihre Befestigung nichts nützte. Denn sie wurde sogleich niedergeschossen ..." (12. Kapitel) Die Kriegsherren überlegen sich ihre strategisch günstigsten Angriffsorte, wie Georg von Waldburg in der Schlacht bei Böblingen. "Also stund Herr Geörg Truchsäß ab und ander mer und befanden, daß kein Falkonen-Geschütz in ir Ordnung gehen möchte, und besahen einen andern Blatz zue dem Geschütz enethalben dem Wasser." Wie die Quellen verdeutlichen, waren die Landsknechte und ihre Dienstherren den Bauern in qualitativer Hinsicht, was ihre Körper, die Handhabung der Waffen und die Kenntnisse der Kriegsführung betrifft, wie in quantitativer Hinsicht, was die Anzahl der Feuerwaffen angeht, weit überlegen. Aus diesen Gründen war es möglich, daß quantitativ weit überlegene Bauernhaufen in großer Zahl getötet und niedergemetzelt wurden. Diese These verstärkt sich noch, wenn unter Punkt 3 Aussagen über den Bauernkörper getroffen werden.

2.3. Anmerkungen zur Mentalität der Landsknechte

Die Landsknechte gehörten "in einer weitgehend immobilen Gesellschaft"(28) zu den Mobilen, die weit im Land und in fremden Ländern herumkamen. Dies lag zum einen an ihren wechselnden Dienstherren, zum anderen zogen sie in der Gartzeit in Gruppen durch die Lande, immer auf der Suche nach etwas zu Essen und zu Schlafen. Somit bildeten die Landsknechte ein "anarchisches Residuum: einen unkontrollierten Freiraum."(29) Die Gesellschaft war sich dieses Problems durchaus bewußt. Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. nimmt darauf Bezug. Landsknechte, die keinen Vertrag mit einem Dienstsherren besaßen, seien "arkwonig und verdechtlichen zu vielen bosenn sachen, und allermeyst zu Rauberey."(30) Daß das Militär nicht konsequent in den beginnenden Prozeß der "Sozialdisziplinierung"(31) mit eingebunden wurde, zeigt das Beispiel der Kleiderfreiheit für die Landsknechte. Indem "extravagante Ausformungen soldatischer Tracht im allgemeinen von der Obrigkeit sanktioniert wurden",(32) konnte sich erst diese Form der "autonomen Knechtshaufen"(33) bilden, die spätestens ab der Mitte des 16. Jahrhunderts zum großen Problem der Staaten wurden.(34) Gewalt gehörte zum Alltag der Landsknechtshaufen, Saufen vor und nach der Schlacht war üblich, Rauben und Stehlen ebenso. Die Landsknechte unter Kontrolle zu halten, darum waren ihre Dienstherren bemüht, doch gelang es ihnen kaum. Daher griffen viele Städte zu eigenen Schutzmaßnahmen. R. Baumann beschreibt die Vorsichtsmaßnahmen, die die Stadt Nürnberg beim Durchzug der Landsknechte 1525 getroffen hatte: "Alle Haustüren entlang der Route wurden versperrt, alle Fenster verriegelt, die Seitengassen mit Ketten und Stangen blockiert. Auf den Plätzen standen Reiter bereit, um bei Übergriffen einschreiten zu können, an einigen Punkten war Geschütz auf die Knechte des Bundes gerichtet."(35) Solche Vorsichtsmaßnahmen konnten hinterher getroffen werden. Während einer Schlacht war es jedoch kaum möglich die Landsknechte zurückzuhalten. Die Schlacht von Zabern liefert dafür ein gutes Beispiel. 1800 Landsknechte standen ca. 18000 Bauern und Bewohnern von Zabern gegenüber. Trotzdem gelang es den Landsknechten ein fürchterliches Blutbad unter den Bauern anzurichten und die Stadt zu plündern. "In voller Kampfeswut zogen die einen, untermischt mit den anderen, in die Vorstädte bis zu den Eingangstoren von Zabern, wobei sich ein solches Morden abspielte, daß es ein schrecklicher und entsetzlicher Anblick war. Die Landsknechte, deren Zahl nicht mehr als 1800 betrug, folgten dem starken Bauernhaufen nach, nahmen die Tore mit Gewalt und zogen alle miteinander in die Stadt hinein, wobei sie freilich manche derbe Schläge von Spießen und Hellebarden erhielten. (...) Und es war den Fürsten nicht möglich, dem großen Drängen und Ungestüm der Fußsoldaten Einhalt zu tun und zu verhindern, daß alles geplündert und hingemordet wurde. Die Leibgardisten, welche durch den Herzog beauftragt waren, die Stadt in ihre Obhut zu nehmen, taten zwar ihr Möglichstes, die Landsknechte vom Eintritt in die Stadt zurückzuhalten, damit sie nicht geplündert würde, aber sie konnten es nicht durchsetzen - teils wegen der Bauern, welche Zabern noch nicht verlassen hatten, teils wegen der Landsknechte, welche mit Gewalt einrückten und grenzenlose Zerstörung anrichteten." (18. Kapitel) Soweit der Bericht des Nicolaus Volleyr de Seronville. Einen eindrucksvolleren Beleg für die Überlegenheit der Landsknechtsheere wie für das Bemühen der Dienstherren, ihre Söldner in Schranken zu halten, gibt es nicht. Daß es aber fast unmöglich war, die Landsknechte zurückzuhalten, darüber gibt die Quelle Auskunft. Inwieweit es eine Rolle spielt, daß bei der Schlacht von Zabern neben deutschen auch französische, niederländische und holländische Landsknechte kämpften, wäre zu überlegen. Aufgrund ihrer Herkunft war ihnen möglicherweise das Anliegen fremder Bauern vollkommen egal, so daß sie umso ungehemmter in die Schlacht gingen und rücksichtslos zuschlugen. Es waren ja nicht ihre Landsleute. Es geht also um die Frage nach der Rolle von landfremden Körpern - Fremdkörpern in den Schlachten. Dies gilt auch für den Anführer der Landsknechte, Herzog Anton von Lothringen. Auch wenn diese Frage offen bleiben muß, stellt die Schlacht von Zabern vom 18. Mai 1525 die größte und grausamste Schlacht des gesamten Bauernkrieges mit ca. 25000 dar.(36) Die Straßburger Ratsbotschaft vermittelt einen Eindruck von dem Körpermassaker, das die Landsknechte in dieser Schlacht anrichteten. "Aber vor der Statt Zabern huß ein guten Weg lag es voll erstochener Buren und dan in der Statt in und in. Uf den Gassen und in den Huser lag es voll erstochen Buren und Burger, und lagen an etlichen Enden vast dick uf ein andern und in etlichen Husern mit großer Anzal und under den Toren so ful, das wir mit Arbeit uber sie ritten. Und sind under den Toren fast von den Pferden zertreten. Und Asimus Gerwer und Peter Hall, der den Kramer half berouben, die hangen beid an ein Boum nit hoch von der Erd. Und handlen noch: Wen sie zu Zabern verborgen befinden, der ist erstochen oder gefangen."

3. Der Bauernkörper in der Kriegssituation

Nachdem die Bauernhaufen ungefähr um die Jahreswende 1524/25 immer mehr dazu neigten im Land umherzuziehen, Schlösser und Klöster plünderten und somit aktiv und mit Gewalt ihre Rechte einforderten,(37) mußten sie natürlich in Interessenkonflikt mit dem Adel und der Geistlichkeit geraten. Diese schritten nun zur Gegenwehr, indem sie den Schwäbischen Bund dazu einsetzten, die in weiten Teilen des Landes umherziehenden Bauernhaufen niederzuwerfen. Die Schlachten, die von April bis Juni-August, vereinzelt auch noch im November,(38) geschlagen wurden, endeten mit hohen Verlusten auf bäuerlicher Seite. Dies legt den Schluß nahe, daß ihre Körper, sowohl im physischen wie im psychischen Bereich nicht auf den Krieg vorbereitet, nicht für den Krieg beschaffen waren. Die folgenden Punkte werden Aussagen zum Bauernkörper in der Kriegssituation treffen und die oben geäußerte These verifizieren.

3.1. Der unzureichend geschützte und kampfungeübte Bauernkörper

Wie wir gesehen haben, waren schon die Körper der Landsknechte für die Anforderungen des Krieges und Kriegsalltags unzureichend geschützt. Dies gilt ebenso für die Bauern, auch wenn für sie die Kriegssituation eine Ausnahmesituation bedeutete und nicht ihr tägliches Leben bestimmte, wie das für die Landsknechte der Fall war. Oder anders formuliert: Gerade weil der Krieg für die Bauern eine Ausnahme-, eine Extremsituation bildete, waren sie den kriegserprobten Landsknechten unterlegen. Der Bauernkörper war ebenso ungeschützt was das Wetter und die Krankheiten anbelangte, er war jedoch noch um vieles ungeschützter als der Landsknechtskörper, da er das Kriegshandwerk nicht erlernt hatte. Sein Körper besaß kaum Erfahrung und Übung im Umgang mit Waffen, im speziellen mit Handfeuerwaffen, sein Körper war für den Kriegsfall unzureichend trainiert und ausgebildet, ihm fehlte es an der nötigen Schnelligkeit und Wendigkeit. Zwar waren alle Bauern mit Spießen, Morgensternen, Dreschflegeln, Kriegssensen und Hellebarden bewaffnet, auch Feuerwaffen waren durch die Klöster- und Schlösserplünderungen in ihrem Besitz, jedoch konnten sie ihre Waffen nicht gezielt einsetzen, wie es die Landsknechte taten. Der Bauernkörper war auf die Schlachten nicht vorbereitet und ausgerichtet. Hinzu kommt, daß die Bauern keinerlei taktische Kriegskenntnisse besaßen. Sie organisierten zwar ihre Haufen nach dem Aufbau der Landsknechtshaufen (Regiment - Fähnlein - Rotte),(39) doch löste sich ihre Organisation im Kampf schnell wieder auf. Nicolaus Volleyr de Seronville beschreibt die strategischen Mängel der Bauernhaufen. "Übrigens stellten sich die erwähnten Bauern in guter Ordnung auf und marschierten wohlgemut in die Schlacht, geradewegs los auf die Armee des Herzogs, so daß man leicht ihre Fähnlein und den Staub wahrnehmen konnte, welchen sie - angesichts ihrer großen Zahl - beim Marschieren aufwirbelten." (11. Kapitel) An diesem Quellenausschnitt zeigt sich deutlich die Unbekümmertheit, Naivität und vor allem die Unerfahrenheit der Bauern in der Kriegssituation. Hinzu kam eine gewisse passive Qualität, die allen Bauernaufständen in den Jahren 1524/25 zu eigen war. Lange kämpften sie im Jahr 1524 um eine vertragliche Lösung ihrer Forderungen, und sich ihrer Stärke überhaupt nicht bewußt, ließen sie sich oft hinhalten oder lösten sich nach Versprechungen der Adeligen wieder auf. Am Beispiel der Oberrheinlande sei Horst Buszello erwähnt, der über die Verhandlungen im Jahr 1524 resümiert: "Während die Bauern die vereinbarten Gerichtstage sehr ernst nahmen, handelten die Herren - je länger, je mehr - nur unter dem Druck mangelnder militärischer Rüstung. Verhandlungen dienten ihnen in erster Linie dazu, Zeit zu gewinnen, und ein Scheitern der Gerichtstage war wohl von Anfang an einkalkuliert."(40) Diese Passivität läßt sich in den Quellen des Jahres 1525 wiederfinden. Die Bauern werden dort immer beschrieben, wie sie vor den Landsknechten fliehen (schon die unter Punkt '''1.3. zitierten Quellen erwähnen nur fliehende Bauern). "Und ehe der verlorene Hauf gar in die Flucht kame, warde ir rechter, gewaltiger Hauf, so hinder inen, in ganzer Flucht. (...) Und als Herr Georg sahe, daß die Pauren in ganzer Flucht und zertrennt waren, auch durch den Wald einliefen, (...), wist er dieselben Gegnet, daß die Pauren wiederumb durch ein Schweinhag und eine kleine Weite laufen müesten, sprach zue den Reütern, so bei ime Waren: "Mir nach" und fürrennet denselbigen Schweinhag, aber es gevolgten ime nit uber 40 Pfert. Am selbigen Schweinhage erstach er vil Pauren ...(Schlacht bei Böblingen) Graf Philipp von Solms berichtet über die Schlacht bei Franckenhausen: "Also ruckten wir unser Geschütz nach bei sie auf einen Berg, unser Fueßvolk und Reißigen eilend nachfolgen und das Geschütz in sie den negsten richten ließ und abgeen lassen. Als aber die Pauwern das gesehen und befunden, sein sie alle den Berg hinab nach der Statt und, wo sie hin kunten, flüchtig worden, wir darauf mit Unsern nachgeilet und wes antroffen, erstochen worden, haben auch alsbald mit den Unsern die Statt mit dem Sturme angangen, die auch erobert und was darin von Manspersonen befunden, alles erstoichen, die Statt geplündert..." An diesem Ausschnitt lassen sich nochmals viele der genannten Punkte festmachen: die Überlegenheit der Landsknechte durch die Feuerwaffen, die Überlegenheit durch das strategisch günstige Postieren der Kanone, die passiven, fliehenden Bauern, die Brutalität und Rücksichtslosigkeit der Landsknechte bei der Einnahme der Stadt. Die Bauern werden nur sehr selten als die aktiven Angreifer festgehalten, es mangelte ihnen also an Mut zur Eigeninitiative, um die gegnerischen Heere von sich aus offensiv anzugreifen. Das bedeutet nicht, daß die Bauern zu feige waren um anzugreifen, vielmehr zeigt es, daß sie mental überhaupt nicht auf den Kampf eingestellt waren. Eine andere Quelle macht dies noch deutlicher. Johann Herolt schreibt über das selige Schießen von Gottwolshausen: "Und erstlich dieweil sie die Baurn nit aigentlich sehen kundten, hies Michel Schletz, der dazumal Stettmaister war, ein Valkanettlin abschiessen, damit man sehen möcht, wo sie aigentlich weren. Sobald diser Schuß geschach, erhuob sich ein solches Zabeln under den Baurn, als ob es ein Ehmeshauf were, und ein Dadern, als wer es ein hauf Gens. Einer schrie, man solt fliehen, der ander, man solt pleiben. In dem giengen die andern Falkhanetlin auch ab. Das ward ein fallen, so bald sie das Feur sahen plitzen, da fiehlin drei, da sechs, da zehen, da vil mer, das man meint sie weren alle erschossen." Durch das Abfeuern eines Schusses gerät ein Bauernhaufen so sehr in Aufruhr, daß keiner von den Bauern weiß, was er machen solle. Völlig hilflos, weil unerfahren, und verschreckt, laufen sie unkoordiniert umher und schwächen sich somit selber. Den Landsknechten wird es durch das Verhalten der Bauern besonders leicht gemacht, die Bauern zu bekämpfen. Daß die Bauern in ihrem Verhalten mit Tieren verglichen werden, ist kein Zufall (s. auch 1. 3.) Neben den schon genannten Aspekten, bekommt man als heutiger Leser der Quellen den Eindruck, daß die Schlachten für die Heere eher einer Jagd auf Tiere glichen, als Schlachten gegen Menschen. Die unbedarften Bauern, von Kanonenschüssen so sehr verängstigt, fielen den Landsknechten zum Opfer wie gejagte Tiere. Nur aus der genannten physischen und psychischen Unterlegenheit läßt es sich erklären, daß zahlenmäßig weit überlegene Bauernhaufen keinen Nutzen daraus zogen und von den Landsknechten vernichtend geschlagen wurden. Und zwar in allen Schlachten des Bauernkrieges.

4. Weitere Erklärungsansätze für die Gewalt im deutschen Bauernkrieg

In diesem Kapitel werden die Körpermassaker der Landsknechte an den Bauern in weiteren Zusammenhängen betrachtet, so daß ein eindimensionales Erklärungsmuster für die Körpermassaker vermieden und danach gefragt wird, ob mehrere Faktoren zusammenkommen müssen, um die zitierten Körpermassaker hervorzubringen. Dabei soll auch nach den Ursachen für bäuerliche Gewalt gefragt werden, und ob diese eventuell die Gewalt der Bauerngegner heraufbeschwor oder beeinflußte. Daß die angeführten Punkte, zwei an der Zahl, in diesem Rahmen nur unvollständig behandelt werden können, versteht sich von selber.

4.1. Die Rolle von sozialpsychologischen Faktoren

Daß die Bauern ihre Forderungen in der ersten Phase friedlich und vertraglich gelöst haben wollten, wurde schon erwähnt. Wie ist es nun zu erklären, daß die Bauern ihre Einstellung änderten und dazu übergingen, gewaltsam die Schlösser und Burgen zu plündern und zu zerstören? Daß die Burgenstürme nichts an der im Grunde genommen defensiven Einstellungsweise der Bauernhaufen änderten, ist zu berücksichtigen. R. Endres wies darauf hin, daß die "politischen Vorrechte und rechtlichen Sonderstellungen der privilegierten Gruppen keineswegs ausreichen, um die überall deutlich spürbare Eifersucht, ja den offenen Haß des "gemeinen Mannes" zu erklären."(41) Endres sieht vielmehr ein "sozialpsychisches Phänomen" bei den Bauern als Ursache für ihre Gewalttaten. Die Fron-, Reis- und Wachdienste z. B. , waren seiner Meinung nach, "vielfach mehr lästig und bedrückend, als wirklich belastend."(42) Dadurch wuchs die Eifersucht, die Begehrlichkeit und der Komkurrenzneid und "der direkte, unmittelbare, tagtägliche Umgang mit diesen sich als "Herren" und "Junker" gerierenden Möchen, Komturen, Kapitularen, Weltgeistlichen und Laienbrüdern, die offen ihr unsittliches Treiben den Bauern und Bürgern vorlebten und dabei rücksichtslos ihre Privilegien ausbeuteten,"(43) ließ ihren Haß anwachsen. In den Kloster- und Burgenstürmen entlud sich ihr aufgestauter Haß, wobei vorwiegend die verhaßten Statussymbole zerstört oder verspottet wurden. Erinnern wir uns z. B. an die Donauwörther Chronik, in der ausführlich die gezielte Verspottung der kirchlichen Gegenstände geschildert wird. Selbst das in einer Büchse verwahrte heilige Sakrament wurde nicht verschont. (s. Punkt 1. 3. ) In diesem Kontext ist auch die schon erörterte Karnevalisierung (Punkt 1. 3.) zu sehen. In Ausnahmefällen konnte sich dann der gegen Gegenstände gerichtete Zorn auch auf Menschen richten und zu einer Bluttat, wie der in Weinsberg, führen. Daß solche Vergehen dem Ansehen der Bauern schadeten, ist offenkundig. Sie konnten als Beweis für die Unberechenbarkeit der Bauern von ihren Gegnern benutzt werden, um ein brutales Vorgehen gegen die Aufständischen zu rechtfertigen. Eine Stimulierung der Gewalt und brutale Racheaktionen waren die Folge, gewaltsames und schonungslsoses Auftreten wurde dann bewußt als Abschreckungs-, sowie als Rache und Vergeltungsmaßnahme eingesetzt. Daher zeitigte eine Ausnahmetat wie die von Weinsberg eine für die Bauern fatale Wirkung, indem sie den Haß und die Gewaltbereitschaft der Privilegierten gegen die Bauern steigerten und Gewalt angeblich notwendig machte. Dieser Vorgang war den Bauern sicherlich nicht bewußt oder von ihnen beabsichtigt, sondern ist als "innere, eigengesetzliche Dynamik, die jeder Massenbewegung zu eigen ist", anzusehen.

4.2. Die Wirkung von Flugschriften und Befehlen auf die Gewaltbereitschaft

In diesem Kapitel wird nach der Wirkung und dem Einfluß von Flugschriften und Befehlen auf die Psyche und damit auf die Gewaltbereitschaft der Menschen gefragt. Zu nennen wären hier z. B. das "Taubertaler Programm der fränkischen Bauernschaft" und Luthers Schrift "Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern".(44)

Der sich am 4. April formierende Taubertaler Haufen in Franken forderte in seinem Programm "die Beseitigung der Sonderrechte und Privilegien des Adels"(45) und setzte sich für eine Gleichstellung mit den Bürgern und Bauern ein. Zwei Artikel sind besonders bemerkenswert. Der eine, der sogenannte Schlösserartikel, fordert die Abschaffung der Sonderrechte: "Item es sollen auch schedlich schloß, wasserhewser und bevestigung, daraus gemainem mann bißher hohe, merkliche beschwerung zugestanden sein, eingesprochen oder ausgeprant werden, doch was darinnen von fremder hab ist, soll inen, soverr sie bruder sein wöllen und wider gemaine versamblung nit getan haben, widerfarn..." In dem anderen wird den Adeligen, die gegen den Haufen eingestellt sind, mit dem Verlust ihres Lebens gedroht. "Item die edellewt söllen alle geflöhete guter der gaistlichen oder anderer sonderlich der vom adel, die wider den hawfen getan hetten, der versamblung zustellen bey verlierung yedes leybs und guts." Inwieweit solche Artikel, die die Gewalt als Druckmittel einsetzen und somit legalisieren, ihren Eingang in das Denken und Handeln der Bauern gefunden haben, muß offen bleiben. Etliche Burgen und Schlösser wurden in Franken durchaus gestürmt. Ein Zusammenhang mit der Weinsberger Bluttat vom 16. April ist möglich, aber nicht zwingend. Festzuhalten ist, daß die Artikel Ausdruck eines gewaltbereiten Bauernhaufens sind, der auch vor Gewalt gegen einen gegnerischen Körper nicht zurückschrecken würde.

Die andere Schrift, die zu erwähnen ist, ist Luthers Schrift "Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern". Sieht man sich einzelne Passagen dieser Schrift an, so erhält man den Eindruck, Luther plädiere für eine blutige Unterwerfung der Bauern. Wie anders sind auch solche Aussagen zu deuten: "Drumb sol hie zuschmeysssen, wurgen und stechen, heymlich odder offentlich, wer da kan, und gedencken, das nicht gifftigers, schedlichers, teuffelischers seyn kan denn eyn auffruricher mensch, gleich als wenn man eynen tollen hund todschlahen mus, schlegstu nicht, so schlegt er dich und eyn gantz land mit dyr." Seine Schrift endet mit der Aufforderung an die Adeligen, die Bauern zu töten, denn ein bessere und notwendigere Tat können sie nicht leisten. "Drumb lieben herren loset hie, rettet hie, lefft hie, erbarmet euch der armen leute. Steche, schlahe, wurge hie, wer da kan. Bleybstu druber tod, wol dyr, seliglichern tod kanstu nymer mehr uberkomen, denn du stirbst ynn gehorsam gottlichs worts und befehls, (...). Dunckt das yemand zu hart, der dencke, das untreglich ist auffruhr und alle stunde der wellt verstorung zu warten sey." Die Beweggründe, die Luther zu der Schrift verleitet haben mögen, sind nicht so sehr relevant, als die Tatsache, daß Luther die Adeligen zu einer blutigen Unterwerfung regelrecht ermuntert und ihnen für ihre Taten noch das Seelenheil verspricht. Viele Herren, auch die, die gegen Luthers Ideen eingestellt waren, dürfte diese Schrift ermuntert haben, gewaltsam durchzugreifen. Luther wird somit zum Verteidiger des "frühmodernen Staat und seines Gewaltmonopols, das sich in aller Grausamkeit gegen die aufständischen Bauern richtete, ohne daß schon vorher die Auswüchse der privilegierten Position des Adels beseitigt worden wären."(46)

Das Kapitel abschließen wird ein Ausspruch Herzog Georg von Sachsens, der den Thüringer Aufstand niederschlug. Er motivierte seine Söldner mit folgendem Befehl: "alle aufrührerischen Bauern in Grund verbrennen, ihre Weiber und Kinder ihnen nachjagen und, soviel sie derselbigen bewältigen können, erwürgen."(47) In der Schlacht von Franckenhausen, in der Georg von Sachsen 600 Reiter und 1000 Landsknechte anführte, wurden ca. 5000 Bauern brutal ermordet, Georg von Sachsen soll nur 6 Söldner verloren haben. Diese Zahlen belegen nochmals die Unterlegenheit der Bauern, aber auch die Brutalität der Landsknechte, die von Äußerungen wie denen des Georg von Sachsen angestachelt, die Bauern nicht verschonten und niedermetzelten.

5. Die Folgen des Bauernkrieges: die Strafexpeditionen und die Straf- und Wiedergutmachungsgelder

Die Probleme, die sich den Siegern stellten, um die Bauern zu bestrafen, waren vielfältig. Sie "umschlossen die Vermeidung erneuter Aufstände, die Bestrafung sowohl der Anführer des Aufstandes wie auch der Haufen, die ihnen gefolgt waren, und die zumindest teilweise Ersetzung der Kosten des Feldzuges gegen die Aufständischen."(48) Aus den Truppen des Schwäbischen Bundes wurde nach der Niederschlagung der Bauern Patrouillen gegründet, die ihre Tätigkeit bis zum 2. April 1526 vollführten, jedoch immer wieder ein Mandat in den darauffolgenden Monaten erhielten. Die Methoden der Truppen zur vollständigen Unterwerfung der Aufständischen bestand in brutalem Terror. Bauern wurden verprügelt und ihr Eigentum konfisziert. Etliche Bauern wurden als abschreckendes Beispiel hingerichtet, aber die insgesamt "niedrige Zahl an offiziellen Hinrichtungen in der Zeit nach dem Bauernkrieg ist darauf zurückzuführen, daß die meisten der bedeutenden Führer der Bauernerhebung schon in der Schlacht gefallen waren, auf Befehl des Bundeskommandanten noch auf dem Schlachtfeld hingerichtet wurden oder sich gezwungen sahen (...) zu fliehen. Daher waren die wenigen, die aufgrund von offiziellen Strafverfahren hingerichtet wurden, verhältnismäßig untergeordnete Personen, die das Mißgeschick traf, daß ihre Exekutionen anderen als abschreckendes Beispiel dienen sollte."(49) Je länger der Bauernkrieg vorbei war, rückte man von den Körperstrafen ab und erhob Kollektivstrafmaßnahmen in Gestalt von Bußgeldern und Brandschatzungen. So brachte z. B. der Schwäbische Bund bis 1528 "immerhin die Summe von 230 000 fl. ein, womit die tatsächlichen militärischen Kosten des Bundes schon überschritten wurden."(50) Jedoch ist mit den erheblichen Belastungen keine "dauerhafte Beeinträchtigung der bäuerlichen Gemeinden verbunden."(51) Wie dieser kurze Abschnitt zeigt, erstreckte sich das Strafgericht der Fürsten noch etliche Jahre über den Bauernkrieg hinaus, allerdings ist in diesen Jahren ein Wandel weg von Körperstrafen hin zu materiellen Strafen zu erkennen.

6. ZUSAMMENFASSUNG

Die Schreiber, die über die Schlachten des Bauernkrieges berichten, thematisieren den Körper der Kämpfenden kaum. Die Körper der siegenden Landsknechte werden so gut wie gar nicht erwähnt, wenn der Bauernkörper Erwähnung findet, dann immer mit negativer Konnotation: als enthemmter, grotesker und tierischer Körper. Der Körper gewinnt an Bedeutung und ist einer ausführlichen Schilderung würdig, wenn es darum geht, die Strafe an Delinquenten zu schildern. Die in den Leib eingeschriebene Strafe wird dann ausführlich beschrieben.

Fragt man nach den Gründen für die Körpermassaker an den Bauern und die deutliche Überlegenheit der Landsknechte in den Bauernkriegen im allgemeinen, so muß man die Ursache in der körperlichen Überlegenheit der Landsknechte suchen. Sie besaßen für den Krieg konditionierte und trainierte Körper und ihre Psyche war auf den Krieg vorbereitet. Auch wenn ihre Körper für ein Soldatenleben "unzureichend geschützt und formiert" waren, so waren sie den Bauern im Kampf überlegen. Diese besaßen keinerlei Erfahrung im Umgang mit Feuerwaffen, besaßen keinerlei taktischen Kenntnisse und waren psychisch nicht auf die Kriegssituation eingestellt. Zudem war ihr Körper für den Krieg unzureichend geschützt, vor allem aber unzureichend ausgebildet, vorbereitet und trainiert. Diese physischen und psychischen Mängel machten die Körpermassaker an den aufständischen Bauern möglich.

Frägt man allgemein nach der Gewalt im Bauernkrieg, so spielen sicherlich mehrere Faktoren eine Rolle, die Gewalt entstehen lassen. In der Arbeit wurden die sozialpsychologischen Faktoren und die Wirkung v. a. von Flugschriften auf die Gewaltbereitschaft der Menschen erwähnt. Betrachtet man die Situation unmittelbar nach dem Bauernkrieg und in den folgenden Jahren, so ist diese Phase von einer Entwicklung geprägt, die von den direkten Körperstrafen Abstand nimmt und sich auf materielle Strafen, v. a. Geldstrafen, verlagert. Wie die untersuchten Bereiche deutlich machen, besitzt der Körper in den Bauernkriegen, je nach Kontext, diverse Funktionen, Erscheinungsformen und eine existentielle Bedeutung.


7.ANMERKUNGEN

  • 1) G. Franz, Der deutsche Bauernkrieg. Darmstadt 1975, S. 299.
  • 2) W. Schulze, Deutsche Geschichte im 16. Jahrhundert 1500-1618. (Moderne Deutsche Geschichte 1) Frankfurt a. M. 1987, S. 110. Zum Bauernkrieg allgemein siehe insbesondere H. Buszello, P. Blickle, R. Endres (Hgg.), Der deutsche Bauernkrieg. Paderborn-München-Wien-Zürich 1995.
  • 3) R. van Dülmen (Hg.), Körper-Geschichten. Studien zur historischen Kulturforschung 5. Frankfurt a. M. 1996, S. 9.
  • 4) M. Dinges, Soldatenkörper in der Frühen Neuzeit. Erfahrungen mit einem unzureichend geschützten, formierten und verletzten Körper in Selbstzeugnissen. In: R. van Dülmen, wie Anm. 3, S. 73.
  • 5) Wie es z. B. H. Wunder in ihrem Aufsatz über den Samländischen Bauernaufstand exemplarisch vorgeführt hat, in dem sie zwischen deutschen Bauern, prußischen Bauern und prußischen Freien differenziert, da sie alle unterschiedliche Motivationen und Gründe für ihren Widerstand besaßen, so daß man in den Bauernhaufen keine homogene Gruppe erblicken kann.
  • H. Wunder, Zur Mentalität aufständischer Bauern. Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Geschichtswissenschaft und Anthropologie, dargestellt am Beispiel des Samländischen Bauernaufstandes von 1525. In: H. U. Wehler (Hg.), Der deutsche Bauernkrieg 1524-26. (Geschichte und Gesellschaft, Sonderheft 1) Göttingen 1975, S. 9-37.
  • 6) Zur Struktur, Verfassung und Organisation der Landsknechte: R. Baumann, Landsknechte. Ihre Geschichte und Kultur vom späten Mittelalter bis zum Dreißigjährigen Krieg. München 1994, sowie R. Wohlfeil, Das Heerwesen im Übergang vom Ritter- zum Söldnerheer. In: J. Kunisch (Hg.), Staatsverfassung und Heeresverfassung in der europäischen Geschichte der frühen Neuzeit. (Historische Forschungen 28) Berlin 1986, S. 107-127.
  • 7) Sämtliche Quellen sind dem Quellenband von G. Franz entnommen worden: G. Franz (Hg.), Quellen zur Geschichte des Bauernkrieges. München 1963.
  • 8) G. Franz, folgt der Übersetzung von H. Barge, Der Süddeutsche Bauernkrieg. (Voigtländer Quellenbücher 81) o. J. , S. 121-145.
  • 9) W. Schulze, wie Anm. 2, S. 100.
  • 10) Th. Klein, Die Folgen des Bauernkrieges von 1525. Thesen und Antithesen zu einem vernachlässigten Thema. In: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 25 (1975), S.65-115.
  • 11) H. Gabel, W. Schulze, Folgen und Wirkungen. In: H. Buszello u. a. ,
  • wie Anm. 2, S. 328, 329.
  • 12) M. Bachtin, Rabelais und seine Welt. Frankfurt a. M . 1987, S. 345 ff. Dabei ist zu beachten, daß ein "Künstler wie Rabelais das Einssein des Körpers mit der Erde bejaht und die Überwindung oder das Niederreißen von Grenzen feiert" (S. Greenblatt, Bauernmorden, Genre und Rebellion. In: M. Baßler (Hg.), New Historicism. Literaturgeschichte als Poetik der Kultur. Frankfurt a. M. 1995, S. 188). Die Schreiber erwähnen aber das Verhalten der Bauern, um ihr frevlerisches Verhalten zu beschreiben, das bestraft werden muß. Für die Bauern hingegen besitzt ihr Benehmen eine kathartische Funktion, wie ich sie im folgenden erläutern werde.
  • 13) Die Kleiderbeschreibung der Donauwörther Chronik könnte sich sowohl auf den Adel, als auch auf die Landsknechte beziehen. Dies wird deutlich in der Formulierung "und die Hosen abgeschnitten und allenthalb zerschniten und mit blauem Underfuetert." Die Schwierigkeit bei der Bedeutungszuordnung besitzt ihren Ursprung in der Nachahmung adeliger Kleidung durch die Soldaten. In diesem Fall bezieht sich der Text auf den Adel, da die Bauern ihren "Adel" versuchen zu "meren". Zum Problem der soldatischen Kleidung:
  • M. Rogg, "Zerhauen und zerschnitten, nach adelichen Sitten". Herkunft, Entwicklung und Funktion soldatischer Tracht des 16. Jahrhunderts im Spiegel zeitgenössicher Kunst. In: B. R. Kroener, R. Pröve (Hgg.), Krieg und Frieden. Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit. Paderborn - München - Wien - Zürich 1996, S. 109-135.
  • 14) M. Bachtin, Probleme der Poetik Dostoevskijs, München 1971, S. 137.
  • 15) Ebd., S. 138.
  • 16) M. Dinges, wie Anm. 4, S. 90, 91.
  • 17) Ebd., S. 90.
  • 18) D. Kamper, C. Wulf, Lektüre einer Narbenschrift. Der menschliche Körper als Gegenstand und Gedächtnis von historischer Gewalt. In. Diesselben (Hgg.), Transfigurationen des Körpers. Spuren der Gewalt in der Geschichte. (Historische Anthropologie 6) Berlin - Reimer 1989, S. 2.
  • 19) R. van Dülmen, Das Schauspiel des Todes. Hinrichtungsrituale in der Frühen Neuzeit. In: Ders., Gesellschaft der Frühen Neuzeit. Kulturelles Handeln und sozialer Prozeß. Beiträge zur historischen Kulturforschung. (Kulturstudien. Bibliothek der Kulturgeschichte 28) Wien - Köln - Weimar 1993, S. 106-108, S. 154-156.
  • 20) R. Baumann, wie Anm. 6, S. 190.
  • 21) Ebd., S. 190.
  • 22) M. Dinges, wie Anm. 4, S. 71.
  • 23) B. R. Kroener, "Kriegsgurgeln, Freireuter und Merodebrüder." Der Soldat des Dreißigjährigen Krieges. Täter und Opfer. In: W. Wette (Hg.), Der Krieg des kleinen Mannes. Eine Militärgeschichte von unten. München - Zürich 1992, S. 51-67.
  • 24) M. Dinges, wie Anm. 4, S. 74.
  • 25) B. R. Kroener, wie Anm. 23, S. 55.
  • 26) Ebd., S. 58.
  • 27) M. Dinges, wie Anm. 4, S. 89 ff.
  • 28) R. Baumann, wie Anm. 6, S. 196.
  • 29) B Bei der Wieden, Niederdeutsche Söldner vor dem Dreißigjährigen Krieg. Geistige und mentale Grenzen eines sozialen Raumes. In B. R. Kroener, R. Pröve (Hgg.), wie Anm. 13, S. 93.
  • 30) Zitiert nach Bei der Wieden, S. 94.
  • 31) G. Oestreich, Strukturprobleme des europäischen Absolutismus. In: Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 55 (1968), S. 329-347.
  • 32) M. Rogg, wie Anm. 13, S. 135.
  • 33) Ebd., S. 135.
  • 34) Dazu Bei der Wieden, wie Anm. 29, S. 102 ff.
  • 35) R. Baumann, wie Anm. 6, S. 204.
  • 36) H. Buszello, wie Anm. 2, S. 88. In diese Zahl sind aber auch die Toten der Schlacht von Lupfstein (16. Mai) und der Schlacht zwischen Scherweiler und Kestenholz (20. Mai) mitgerechnet.
  • 37) Zur genauen Chronologie siehe die Zeittafel bei H. Buszello u. a. , wie Anm. 2, S. 383 ff.
  • 38) Z. B. die Schlacht bei Grießen (Klettgau) am 4. Nov. 1525.
  • 39) Dazu R. Baumann, wie Anm. 6, S. 190 ff.
  • 40). H. Buszello, wie Anm., 2, S. 71.
  • 41) R. Endres, Zur sozialökonomischen Lage und sozialpsychischen Einstellung des "Gemeines Mannes". Der Kloster- und Burgensturm in Franken 1525. In: H. U. Wehler (Hg. ), wie Anm. 5, S. 71.
  • 42) Ebd., S. 73.
  • 43) Ebd., S. 75.
  • 44) Beide Quellen sind dem folgenden Quellenband entnommen: Akademie der Wissenschaften der DDR (Hg.), Flugschriften der Bauernkriegszeit. Berlin 1975.
  • 45) R. Endres, Franken. In: H. Buszello u. a., wie Anm. 2, S. 142.
  • 46) W. Schulze, wie Anm. 2, S. 106.
  • 47) Zitiert nach M. Kolueck, E. Müller (Hgg.), Der deutsche Bauernkrieg in Dokumenten. Weimar 1975, S. 138.
  • 48) T. S. Sea, Schwäbischer Bund und Bauernkrieg: Bestrafung und Pazifikation. In: H. U. Wehler, wie Anm. 5, S. 129.
  • 49) Ebd., S. 150.
  • 50) W. Schulze, wie Anm. 2, S. 108. Zu weiteren Zahlenangaben H. Buszello u. a., wie Anm. 2, S. 328 ff. und T. S. Sea, wie Anm. 48, S. 150 ff.
  • 51) W. Schulze, wie Anm. 2, S. 108.

8. QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

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