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http://www.timowendling.de/fl/fl1.htm // http://www.timos.gmxhome.de/fliebe/frliebe.htm Charles Fourier, Der Meisterdenker der Freien Liebe1772 - 1837 Charles Fourier wird dem sogenannten Frühsozialismus zugeschrieben - auch utopischer Sozialismus genannt - der als Vorläufer des Marxismus verstanden werden kann. Im Grunde genommen ist jedoch das libertäre Denken Fouriers in vieler Hinsicht dem anarchistischen Gedankengut näher als den sozialistischen Ideen. Selbst der Sozialist August Bebel nennt ihn in seinem Fourier-Buch den "Vater des Anarchismus". Grundsätzlich geht es dem Anarchismus um die Vorstellung eines selbstgestalteten Zusammenlebens selbstbestimmter Menschen, der zwangs- und herrschaftsfreien Gemeinschaft autonomer Menschen mit direkter Basisdemokratie ohne jegliche autoritäre Herrschaftsstrukturen Die neue Liebeswelt : liberté amoureuse
Die wichtigste Leidenschaft ist für Fourier die Liebe in all ihren Erscheinungsformen. Sie ist für ihn die mächtigste Verbindungskraft und die bedeutenste Triebfeder der menschlichen Evolution. Wie kein anderer fragt Fourier nach den grundlegenden Bedingungen für geglückte Liebe und Sexualität. Wie kann das menschliche Zusammenleben organisiert werden, damit die Liebe in Freiheit und somit das soziale Glück überhaupt an Geltung gewinnen kann? Jeder Fortschritt - der ökonomische, politische, soziale und religiöse usw. hat nur dann einen Sinn, wenn dabei die Liebe in Freiheit vorankommt. Fourier macht deutlich: eine freie Gesellschaft ist eine Gesellschaft der freien Liebe. Die Fesseln der Liebe in der Zivilisation Fourier wagt sich mit einer vielschichtigen und brillanten Analyse zu den damaligen Liebessitten weit in das Thema der "freien Liebe" hinein. Mit Blitz und Donner empört er sich über die Verlogenheit und Falschheit in den Liebesbeziehungen der zivilisierten Menschheit und stöpert ihre Häßlichkeiten in der Liebe scharfsichtig auf. Die menschlichen Grundfragen der Liebe und Sexualität mit Ausschließlichkeit, Monogamie, Puritanismus, Keuschheitsgebärden, moralischen Verboten und Geboten zu beantworten, ist für Fourier der größte Irrtum menschlichen Zusammenlebens. Vor allem die moralischen Gebote und Verbote machen die Liebe häßlich und erzeugen Angst, Lüge, Eifersucht, Egoismus, Zynismus und Arglist. Die Liebe liegt in Fesseln und somit ist aller sozialer Fortschritt behindert:
Fourier ist sich sicher, daß Liebesbeziehungen kaum mit der Ausschließlichkeit einer monogamen Ehe zu vereinbaren seien. Die eigentlichen Liebesbeziehungen fänden vor allem in den versteckten oder geheimen außerehelichen Liebschaften und in der käuflichen Liebe ihren Platz. In 99 von 100 Fällen werde gegen das Gebot der ehelichen Treue verstoßen. Dies war keine Überraschung für Fourier, so sah er die lebenslängliche, ausschließliche Treue im Widerspruch zu den Bedürfnissen des Menschen. Eine falsche und engherzige Sittlichkeit sowie eine ungerechte Gesellschaftsordnung nötige die Menschen zur Lüge und Verstellung:
Mit dem Begriff "Harmonie" versucht Fourier die Möglichkeiten einer zukünftigen Gesellschaft zu beschreiben, die den anarchistischen Vorstellungen einer kommunitären Gesellschaft enstpricht. Eine kommunitäre Gesellschaft ist eine freie Assoziation bzw. Föderation von so weit wie möglich autonomen, autarken, selbstorganisierten Lebensgemeinschaften Zudem kritisiert Fourier immer wieder die bürgerliche Familie und die unauflösliche Ehe, die zur Isolation, Egoismus und Feindschaft führen und somit im Grunde genommen a-sozial sind:
Fourier kritisiert hierbei insbesondere die Unfreiheit der Frau. In Bezug auf die Stellung der Frau dachte Fourier zu seiner Zeit ungemein fortschrittlich:
Bemerkenswert sind auch Fouriers kritische Äußerungen über die gesellschaftlich vermittelte Prüderie im Alter. Er kritisiert vehement die Arroganz, mit der wir annehmen, daß Liebe und sexuelle Lust ein Privileg der Jugend sei:
Fourier kommt zu dem Schluß:
Daraus ergibt sich ein doppelter politischer Widersinn: zum einen wird die Gesetzgebung durch ein System erniedrigt, gegen das sich die übergroße Mehrheit insgeheim auflehnt; zum anderen zeitigt dieses System ganz andere Ergebnisse, als man sich wünschte, denn es erzeugt Armut, Unterdrückung, Betrug und Gemetzel.; Ergebnisse, die dem Willen der Natur geradewegs entgegenstehen. Die Natur hat die Liebe erfunden, um die sozialen Beziehungen unendlich zu vermehren".
In üblicher Manier versucht Fourier die Unfreiheiten in der Zivilisation dadurch zu überwinden, indem er die noch latenten, versteckten Möglichkeiten des sozialen Fortschritts in der gegebenen Gesellschaft aufspürt und herausfordert. Als kritischer Maßstab dienen ihm die Bedürfnisse der menschlichen Leidenschaften, die er genau studiert und sie zu ihrem Lebensrecht verhelfen will. So kommt er schließlich mit seiner gewaltigen Visionskraft zur Idee der freien Liebe. Was Fourier dabei an Ideen hervorgebracht hat, ist derart radikal, daß sie auch heutzutage noch sozialen Sprengstoff enthalten und das zivilisatorische System ins Wanken bringen könnten. Mit ungeheurer Zivilcourage wagt er sich an alle Tabus heran, die bis heute noch unverstanden und somit unerlöst geblieben sind. Und wo Tabus herschen, geht es um essentielle Probleme der menschlichen Gesellschaft. Fourier will diese Probleme nicht mit moralischen Geboten und Verboten angehen, sondern mit Aufklärung, Verständnis und Verständigung. Denn für Fourier ist klar: Erkenntnis und Liebe, erkennende Liebe, ist das, was die Welt im Innersten zusammenhält. Die freie Liebe als Schlüssel zur Harmonie:
Dies gilt besonders für die Leidenschaft der Liebe. Doch was versteht Fourier hier eigentlich unter Liebe? Fourier unterscheidet grundsätzlich zwei Liebesformen: die "geistige Liebe", die "Herzensbindung" und die "materielle Liebe", also die sexuelle Liebe. In der zukünftigen Gesellschaft - der Harmonie - können die beiden Formen der Liebe gleichwertig in Freiheit ausgeübt werden, wobei er die "liberté amoureuse" in Form der freien Sexualität besonders betont. Solange die materielle Liebe - die Sexualität - unerlöst bleibt und herabgewürdigt wird, können die sozialen Tugenden wie Symphatie, Selbst- und Nächstenliebe, Wahrheit, Vertrauen usw., die der geistigen Liebe inne wohnen, nicht voll zur Geltung kommen. Fourier macht deutlich: Ein sexueller Humanismus führt zum Humanismus schlechthin.
Fourier macht immer wieder deutlich, daß die Unterdrückung der Liebe - vor allem der sexuellen Liebe - in ein Fiasko führt: "Nicht die Vergnügungen sind schädlich, vielmehr die Seltenheit der Vergnügungen, woraus der Exzeß entsteht". Gleichzeitig betont er, daß die geistige und sexuelle Liebe in einem dialektischen Spannungsverhältnis stehen. Ohne diese Balance verkommt ein Wert zu seiner entwertenden Übertreibung: Sinnvoll gelebte Sexualität braucht eine geistige Basis wie auch die geistige Liebe ohne die sexuelle Liebe nicht voll zur Geltung kommen kann:
Nach Fourier gilt es, einen "Kultus der Wollüstigen Leidenschaften" zu entwickeln, der die Wollust und somit alle Arten der Lust zu ihrer Freiheit verhilft. In der Zukunft - der Harmonie - werden "alle Formen der Liebe frei sein". In Fouriers Vision bilden alle Leidenschaften, von dem Universum der Planeten und Gestirne auf die Gesellschaft übertragen, "die Elemente eines riesigen Orchesters". Der Mensch darf sie weder mißbilligen noch verwerfen. Ganz im Gegenteil: die Vielfalt der Leidenschaften sind "unendlich kostbar", sie sind "wie die Zapfen und Fugen in einem Gebälk". Fourier ist sich sicher:
Fourier thematisiert die freie Liebe in vielfältigen Variationen. Der Verschiedenheit und Vielfalt in den Liebesbeziehungen gemäß, versucht Fourier ein umfassendes Konzept zu entwickeln, das komplex und flexibel genug wäre, sich den vielfältigen Möglichkeiten und Bedürfnissen in der Liebe anzunähern. So z.B. denkt er an die Möglichkeit, die verschiedenen individuellen Vorlieben im Sexualverhalten über spezielle Korps (Verbände) zu organisieren, zu denen man/frau sich freiwillig zuordnen kann. Fourier beginnt bei den geschlechtsreifen Jugendlichen. Da gibt es die Gruppe der Vestalinen (in Anlehung an die jungfräulichen Priesterinnen im antiken Rom) und der Vestalen (die männlichen Teilnehmer): diese Jungen und Mädchen (bis ca. 21 Jahre) bleiben in der Liebe keusch. Dagegen können die Gruppenteilnehmer Innen? der Damoiselles und Damoiseaux sexuelle Liebesbeziehungen eingehen. Ab dem 21. Lebensjahr geht es dann entsprechend der zunehmenden sexuellen Freizügigkeit weiter: es folgen die Odalisken, die Fakiressen, die Bacchantinnen, die Bayaderen (jeweils auch die männlichen Teilnehmer), die je auf unterschiedliche Art spezielle Vorlieben haben und zudem verschiedene sexuelle Dienstleistungen ausüben. Fourier unterscheidet außerdem noch weitere (sexuelle) Liebesformen: Hétérogamie, Monogamie, Hémigamie, Androgamie, Phanérogamie, Ultragamie usw.. Durch diese Unterscheidungen und Gruppenbildungen will Fourier das Streben nach Klarheit und Transparenz des Verlangens und seiner Befriedigung ermöglichen. Fourier möchte die Idee der freien Liebe jedoch keineswegs normieren oder gar ideologisieren. Er schreibt:
Fourier geht nahezu alle zivilisatorischen Tabus an und plädiert für eine Vielzahl sexueller Lebensstile. Einige Aspekte sollen hierzu im folgenden dargestellt werden: Freie Liebe und Zweierliebe schließen sich nicht aus Fourier setzt sich für eine Partnerschaftskultur ein, in der die Liebesbeziehungen frei und flexibel gelebt werden können. So will er die "unsoziale oder auschließliche Liebe" überwinden. Dabei thematisiert er die zentralen Knackpunkte solcher Liebesformen: Unbeständigkeit, Dauer, Treue, Vertrauen, Eifersucht. Fourier macht deutlich, daß sich freie Liebe (Abwechslung, Unbeständigkeit) und Zweierliebe (Dauer, Kontinuität) nicht ausschließen müssen: Im Feld der freien Liebe kann und wird jedeR Liebende "sich einen oder mehrer 'Drehpunkte' (pirots) in der Liebe schaffen. Mit diesem Begriff bezeichne ich eine Neigung, die sich durch alle Stürme der Unbeständigkeit erhält". Wenn sich z.B. ein Liebhaber,
Die transzendente Treue ist also nicht durch die Ausschließung, sondern durch die Einbeziehung anderer charakterisiert. Zudem betont Fourier immer wieder, daß die Eifersucht nicht zur Liebe gehört. Denn im Zustand der Eifersucht wird man fordernd, unsozial und zerstört somit letztlich die Liebe. In seiner Lieblingsstadt Paris erkennt Fourier bereits schon soziale Fortschritte, die die Eifersucht verändern:
Wenn wir dieser Spur weiterfolgen und für die freie Liebe neue Verhältnisse schaffen, dann ist sich Fourier sicher: "In den Liebesversammlungen der Harmonie, wo kein Mißtrauen, kein Interessenstreit, sondern im Gegenteil innige Freundschaft herrscht, wird man großes Vergnügen daran finden, jede Eifersucht abzulegen". Auch wenn Fourier die Bedeutung der freien Liebe für den sozialen Frieden besonders hervorhebt, will er sie nicht zur Norm setzen. So will er auch nicht völlig die monogame Ehe abschaffen: "Jedes Paar steht es frei, den Ehebund einzugehn". Fourier unterscheidet demnach verschiedene Liebesformen, welche die Dauer und Ausschließlichkeit unterschiedlich betonen. Liebesvielfalt Neben der heterosexuellen Liebe würdigt Fourier auch die gleichgeschlechtliche Liebe in all ihren Variationen. Somit kommt auch die Bisexualität, das zweigeschlechtliche sexuelle Begehren, zu ihrem Recht. Zudem beschreibt Fourier auch sexuelle Liebesformen, für die es auch heute noch gar keine eindeutige Begriffe gibt. Er selbst bekennt sich öffentlich zu seinen homophilen (schwulen) Neigungen und bekundet gleichzeitig, daß er sich von Lesben ("Sapphisten") auf besondere Weise angezogen fühlt. Insgesamt will Fourier die erstarrten monosexuellen Verhaltensformen - ausschließliche Homo- oder Heterosexualität - überwinden. Wenn die Liebe befreit wird, dann bewirken die leidenschaftlichen Anziehungskräfte zwischen den Menschen eine Vielfalt und Verschiedenheit von Beziehungen, die Eindeutigkeiten ausschließen. Sexuelle Minderheiten Fourier setzt sich vehement und unglaublich kenntnisreich für das Recht der sexuellen Vielfalt und Selbstbestimmungsmöglichkeit ein. Dabei berücksichtigt er auch sexuelle Minderheiten und plädiert für Toleranz, Verständnis und Verständigung. So akzeptiert er auch die sado-masochistische Liebe, Voyeurismus, Exibitionismus u.a. als ehrbare Leidenschaften, die nicht von vornherein kritisiert werden sollten. An dieser Stelle muß ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß Fourier sich eindeutig und unmißverständlich gegen alle Formen des Mißbrauch, die das soziale Miteinander brutalisieren und pervertieren könnten, entschieden ausspricht. In Bezug auf die neue Liebeswelt macht Fourier immer wieder deutlich, daß der Weg dorthin langsam beschritten werden muß. Er plädiert für eine stufenweise Entwicklung, für Übergangsphasen, wendet sich also entschieden gegen ein Hau-Ruck-Verfahren, da sonst die Freiheiten in der Liebe auf Kosten der Schwächeren ausgelebt werden würden. Fourier betont, daß die Veränderung der bestehenden Liebesordnung nur von einer Generation vollbracht werden kann, die "..gewissen Gesetzen der Ehre und Rücksichtnahme treu ist... Die Sitten der Zivilisation in der Liebe sind eine Kloake des Lasters und der Falschheit: eine Generation, die durch solche Gewohnheiten geprägt ist, könnte eine Ausweitung der Freiheiten in der Liebe nur mißbrauchen." Auch wenn in der Harmonie alles frei und erlaubt sein soll, so schränkt Fourier diese Freiheit mit einem klaren Vorbehalt ein, der Kantschen Moral verwandt: "alle Neigungen", vorausgesetzt, sie "beeinträchtigen oder kränken keinen anderen, sind wertvoll und in der genossenschaftlichen Ordnung nützlich". Hier wird deutlich: Fourier setzt sich für das sexuelle Selbstbestimmungsrecht ein. Sexuelle Freiheit in diesem Sinne findet erst an den gleichen Rechten anderer Menschen ihre Grenzen. Sexuelles Minimum Neben der für ältere Menschen zwanghaft verordnete Prüderie denkt Fourier auch an behinderte und mißgestaltete Menschen, die für die Liebe und Sexualität weniger attraktiv wirken könnten. Falls diese Menschen keine Partner Innen? finden sollten, so gibt es für diese spezielle Liebesdienste, wo sie in ihren Leidenschaften anerkannt und gewürdigt werden. Fourier thematisiert dies im Zusammenhang mit dem Begriff der "Barmherzigkeit in der Liebe". Doch auch generell will Fourier das Recht auf eine sexuelles Minimum garantiert sehen. In der Harmonie, schreibt er, muß jedem geschlechtsreifen Menschen ein zufriedenstellendes Minimum an sexuellen Vergnügungen garantiert sein. Da die Erfüllung sexueller Bedürfnisse so grundsätzlich wichtig für den sozialen Frieden ist, muß der sexuelle Notstand und die Zwanghaftigkeit in der Liebe durch das Recht auf eine Minimum an sexueller Befriedigung überwunden werden. Sonst würde weiterhin wie in der Zivilisation die Liebe durch Korruption, Mißbrauch und Falschheit beschmutzt werden. Um dies zu erreichen, sollen in Zukunft hierfür spezielle Liebesdienste für die Allgemeinheit eingerichtet werden. In der Harmonie würden dieses Amt und diese Tätigkeit hoch geachtet sein und nur von ehrbaren und speziell ausgebildeten Liebesdiener Innen? vollbracht werden können. Liebe und Religion Liebe und Religion sind für Fourier untrennbar miteinander verflochten. Fourier kennt keinen Gott der Enthaltsamkeit, der Verdrängungen, er kennt auch keine Sünde, nein, für ihn ist das Göttliche und Heilige unauflöslich mit dem Erotischen verbunden. Demnach sollten religiöse Kulte "die Liebe zu Gott mit der Liebe zu den Vergnügungen verbinden". Fourier bezieht sich hierbei häufig auf alte Kulturen, die sich der positiven Vielfalt natürlicher Potenzen gewahr wurden und dabei "die Leidenschaften und die Anziehung vergöttlichen, die von den neuen Kulturen verboten und entehrt werden". Gerade in bezug auf Kulturen vom Alten Orient, der griechischen Mythologie, aber auch in bezug auf Naturvölker, die Fourier untersuchte, erkennt er, daß Sexualität fester Bestandteil religiöser Vorstellungen war. Die ungezwungene Art und die Selbstverständlichkeit, mit der man sie in Mythen als zentralen Wesenszug von Göttinnen und Götter aufnahm als ob die sexuelle Lust das "Natürlichste von der Welt" wäre, faszinierte Fourier. Er ist sich sicher, daß es eine Zeit gab, in der die Menschen "den Geschlechtsakt auf dem Altar vollzogen, zum großen Ruhme Gottes". Dementsprechend greift er die christliche Religion scharf an: "Das Christentum hat gesündigt, indem es einen anderen Weg nahm als die Mythologie". Und weiter:
Ganz anders sieht Fourier hier die Zukunft einer neuen Liebeswelt: "In der Harmonie (...) muß der religiöse Kult die Liebe zu Gott mit der Liebe zur Lust verbinden, die keine Gefahren mehr bergen wird". Die Orgie Die Orgie ist für Fourier das i-Tüpfelchen seiner grandiosen Vision einer neuen Liebeswelt: ein feierliches Ritual, ein großes Liebesfest, an dem alle teilnehmen können, um im gemeinsamen Rausch ihr Gemeinschaftsglück zu zelebrieren, sozusagen ein Triumph des Zusammenspiels aller Leidenschaften. Die Orgie ist für ihn in diesem Sinne eine emanzipatiorische, friedenstiftende Handlung, weil sie die Sympathien zwischen den Menschen verstärken kann und eine ungeheure Verbundenheit schafft:
Die Orgie hat für Fourier eine sozial-integrative Wirkung und ist eine Institution des sexuellen Humanismus in reinster Ausprägung. Entsprechend wird die Orgie sorgfältig durch ein "Ministerium" organisiert. Da der Mensch durch die Orgie in seinen Leidenschaften umfassend befriedigt wird und sich somit generell das soziale Glück verstärken kann, werden sich "die Symphatien häufen und gegenseitig steigern". Der Fourier-Kenner Nicolaus Sombart, der in seinen "Pariser Lehrjahren" in die hohe Kunst der Orgie eingeführt wurde, beschreibt in bezug auf Fourier den "Mehrwert" einer Orgie gegenüber der normalen Zweiersexualität folgendermaßen:
Sombart ist sich sicher: "Wer stirbt, ohne an einer Orgie teilgenommen zu haben, kennt das Leben nicht". Fourier betont immer wieder, daß die "edle Orgie" nichts mit den sozial bedenklichen Ausschweifungen in der durch Puritanismus geprägten Zivilisation zu tun habe. Die sexuell verklemmten und frustrierten Menschen der Zivilisation müssten dafür erst ausgebildet werden. Wohlgemerkt: Die Orgie wie überhaupt die Idee der freien Liebe kann sich nach Fourier in ihrem humanistischen Potential nur unter bestimmten Voraussetzungen und Bedingungen entfalten. Erst wenn sich die gesellschaftlichen Organisationsprinzipien verändern und die Menschen ein anderes sittliches Niveau erreichen, kann die neue Liebeswelt entstehen:
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