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Pattern Gallery

8.12.2004 Jetzt und zehn Jahre davor

Die Berliner "Kunstwerke" vergleichen den Aufbau des New Yorker East Village mit dem von Berlin-Mitte

Von Carsten Probst

Wer sich heute angewöhnt hat, jeden Autoparkplatz und jede Eckkneipe so lässig als "Location" zu bezeichnen, beruft sich damit, vermutlich unbewusst, auf den politischen Aktivismus der siebziger und achtziger Jahre. "Location", das war das Zauberwort, das Manifest der Street Art, Graffiti-Kunst und politischen Performer, die vor rund einem Vierteljahrhundert damit begannen, das New Yorker East Village für sich zu entdecken. Das heruntergekommene Arbeiterviertel bot nämlich zahllose leerstehende Gebäude, die dann von Künstlergruppen besetzt wurden, um dort Ateliers einzurichten. Jede dieser "locations", dieser vormals im Nichts versunkenen Orte, brachte neues Leben hervor, erhielt eine neue Identität. Urbanismus von unten: Man schmückte die Wände mit oft kunstvollen Graffities, die Polizei verfolgte die Sprayer, die in die ganze Stadt ausschwärmten, es kam zu Kämpfen, Demonstrationen, politischen Performaces an öffentlichen Plätzen.

Ein Bauarbeiter passiert ein Kunstobjekt auf dem Hof des Kuenstlerhauses "

Doch diese Szene war insgesamt um einiges "cooler" als ihre Vorläufer der 68er. Sie pflegten von vornherein auch einen ironischen Ansatz, der sich auf alle möglichen Bereiche des täglichen Konsums beziehen konnte. Im East Village entstanden nicht nur Künstlerstudios, nicht nur legendäre Sprayer wie Taki oder Futura waren hier zuhaus, sondern auch Mode-, Film- und Musiklabels, etwa von Mike Bidlo, Bands wie Sonic Youth, Cafés, Läden, Designwerkstätten wie die von Martin Wong, Fotografen wie der androgyne und früh verstorbene Mark Morrisroe. Auch die Filme und Fotografie von Nan Goldin sind ohne diese Szene natürlich nicht denkbar.

Sie einfach "alternativ" zu nennen, griffe zu kurz, denn die Bedeutung der Hausbesetzungen und der künstlerischen Arbeit erschöpfte sich nicht in politischen Botschaften, sondern war raum-kritisch und dabei sozial im weitesten Sinn. Im East Village fanden die Vertriebenen der öffentliche Räume eine Zuflucht, Junkies und Desperados und Obdachlose Unterschlupf.

Irgendwann stellte sich die Presse ein, plötzlich wurde das East Village bekannt, ein Hype setzte ein. Plötzlich wollte jeder, der auf sich hielt im East Village, wohnen. Alteigentümer entdeckten ihre Liebe zu den von ihnen offengelassenen Bauten wieder, ließen renovieren, was sich halbwegs konfliktfrei renovieren ließ, dann kamen die Besserverdienenden, investierten, und heute ist dieses Viertel eine Zone der properen Wohnetagen mit Landrover in der Tiefgarage. "Gentrification" nennt man diesen Prozess der allmählichen Aufwertung eines Viertels, bei dem ganze Bevölkerungsschichten ausgetauscht werden. Die meisten Künstler wanderten ab. Der Raum wurde sozusagen öffentlich zurück-besetzt.

Mit Wehmut rekapituliert die Ausstellung in den Kunstwerken diesen Prozess noch einmal. In der obersten Etage haben die Ausstellungsmacher eine Art Gedenkausstellung für die Szene im East Village der Achtzigerjahre konzipiert, die für die heutige Jugendkultur in Europa so maßgeblich gewesen ist, auch wenn sich kaum mehr jemand daran erinnert. Die beiden Kuratoren Josef Strau und Stefan Dillemuth alias Gertrud Berlin hatten Anfang der neunziger Jahre die kleine "pattern gallery" East Village und gingen 1992 nach Köln, wo sich im Friesenviertel eine vergleichbare Situation anbahnte. Auch hier wurden Häuser von Künstlern besetzt, das New Yorker Vorbild war unübersehbar. Und zur selben Zeit ereignete sich ganz ähnliches auch im wiedervereinigten Berlin, in Mitte rund um jene Kaufhausruine, die heute vor allem unter dem Namen Tacheles bekannt ist, und im Viertel um die Auguststraße und das Postfuhramt herum mit seinen zahllosen neuentstandenen Galerien.

All das ein geradezu städtebauliches Symbol für die völlige Verwirrung, in die die Stadtpolitik jener Jahre gestürzt war. Es taten sich richtige Lücken auf, die man seit Kreuzberg in den Siebzigern gar nicht mehr kannte. Wer heute hier hindurchgeht, ahnt nur noch wenig vom Aussehen und der unerhörten Lebendigkeit der Szene Anfang der neunziger Jahre. Die Kunstwerke Berlin, im Hinterhof einer ehemaligen Margarinefabrik gebaut, und die von ihnen organisierte Berlin Biennale sind selbst ja eine, wenngleich späte, Kreation dieser Zeit.

Heute ist alles einigermaßen veredelt, etabliert, die Mieten sind gewaltig für Berliner Verhältnisse, die Galerierundgänge inzwischen auf Touristenniveau gestutzt. Wehmut ist angebracht. Die mittlere Etage der Ausstellung fördert noch einmal die Künstlernamen dieser Aufbruchsjahre zutage, die wenigsten von ihnen, wie Octavius von Trautmannsdorf oder die Galerie Hoffmann, Amelie von Wulffen und Hennig Bohl, die Gruppen An-Architektur oder Botschaft e.V. und der Dance Club WMF sind heute noch bekannt. Viele Künstler, die heute noch aktiv sind, tummeln sich im Bereich der Berlin Biennale oder einer neu entstandenen Architektur- und Designszene, die sich inzwischen selbst als Label inszeniert und im übrigen nicht zuletzt auf der jüngsten Architekturbiennale in Venedig ihren Auftritt hatte. Unglaublich, wie schnell das alles vergessen ist, dass es bereits nach zehn Jahren einer Erinnerungsausstellung wie dieser bedarf.

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