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Mathias BerntKunst und Kapital Zum Zusammenwirken kultureller und ökonomischer Momente in Gentrificationprozessen Abstract: This text discusses the difficult relationship between economy and culture in processes of neighbourhood upgrading. Based on theoretical models ,that have been applied in Bourdieus "Distinctions" and concepts developed in the context of New Urban Economy, it is argued that neither cultural nor economic factors alone are sufficient to explain the dynamics of Gentrification. Contrary to this Gentrification is understood as a market for those infrastructures that are necessary to realize values of distinctions that are made up in the cultural sphere. However, the relationship between cultural distinction and economic success remains contradictory. This causes both cumulative and circulative effects, so that Gentrifciation has an implicit tendency to expand in time and space. 1. Einleitung Was macht Raum? In der sozialgeographischen Debatte wird diese Frage in einer Art Pendelbewegung beantwortet und nach dem "cultural turn" des letzten Jahrzehnts scheinen gegenwärtig soziale und ökonomische Zusammenhänge wieder stärker in's Licht zu rücken. Diese Wende gibt Anlaß, die Beziehungen von kulturellen, ökonomischen und sozialen Bedingungsfaktoren für die gesellschaftliche Konstruktion von Raum erneut zu hinterfragen. Interessant ist dabei weniger die Glaubensfrage, ob eher kulturelle, ökonomische oder soziale Momente Raum "machen". Vielmehr erscheinen vor allem Bereiche, in denen diese Faktoren zusammenspielen, entscheidende Herausforderungen zu bieten, an denen theoretische Weiterentwicklungen möglich sind. Ein Feld, in dem das besonders deutlich wird, ist Gentrification, seit den späten 70ern ein zentrales Thema der Stadtforschung. Obwohl hier in den vergangenen Jahrzehnten umfangreicher Debatten über die Ursache von Gentrificationprozessen geführt wurden, ist diese Frage nach wie vor ungeklärt und wird, abhängig von der jeweiligen intellektuellen Herkunft der Forscher, , mal mit einem Verweis auf sozialstrukturelle, mal mit ökonomischen, mal mit kulturellen Faktoren beantwortet. Obwohl eine eindimensionale Betrachtungsweise heute allgemein als veraltet gilt und man sich meist bemüht, Ansätze der jeweils "anderen" Schule in die Forschungen zu integrieren, ist es bislang kaum zu einer konzeptionellen Klärung, sondern eher zu einer Vervielfältigung von Erklärungsansätzen gekommen. Ein schillerndes Beispiel ist hierfür die völlig verschiedenartige, zum Teil sogar gegensätzliche Charakterisierung der Rolle von Künstlern und Kulturproduzenten bei der Aufwertung von Wohnquartieren: In einem Teil der gängigen Gentrificationliteratur werden Künstler so als "Pioniere" beschrieben, die heruntergekommene Wohnviertel "entdecken", ihren Ruf wieder aufbessern und damit den Zuzug einer besser verdienenden Klientel motivieren. Sie werden sozusagen als (bewußte oder unbewußte) Speerspitze der Immobilienindustrie konzeptionalisiert, als mitschuldig an der Verdrängung ärmerer Bevölkerungsschichten (Smith 1996, Deutsche; Ryan 1984). In anderen Beiträgen werden Künstler wiederum (aufgrund ihres prekären sozialen Status) eher als tragische Gestalt, als Opfer der Aufwertungsprozesse, denn als Täter charakterisiert (z.B. Häußermann/ Siebel 1987, Bondi 1991, Rose 1984). Sie werden als "marginal gentrifiers" gesehen, die so "marginal" sind, dass sie in der Regel eher zu den Verlierern, als zu den Gewinnern der Gentrification gehören würden. Beklagt wird in diesem Teil von Literatur oft der mit der ökonomischen Aufwertung einhergehende Kollaps der "Off-Szene" und der Verlust an kreativem Flair. In einem dritten Teil von Beiträgen finden sich Künstler sogar in einer Rolle als urbane Heilbringer wieder, als Mustervertreter der "creative class", die die postmoderne Ökonomie vorantreiben (Florida 2002). In dieser Sicht wird das Auftreten von Künstlern als Hoffnungsschimmer für die Revitalisierung von benachteiligten Vierteln angesehen - was in der Praxis z.B. dazu geführt hat, dass in Berliner Problemquartieren Kunstausstellungen in leeren Läden öffentlich gefördert werden. Die wissenschaftliche Behandlung der Rolle von Künstlern in Gentrificationprozessen ist also völlig uneinheitlich. Konsens ist in der Stadtforschung scheinbar nur, dass Künstlern in der Aufwertung innenstadtnaher Wohngebiete eine wichtige Rolle zukommt. Wenn Künstler aber eine derart prominente Rolle in der Aufwertung von Immobilienlagen spielen - was in ihrer Tätigkeit ist es dann, das sie so attraktiv macht? Welche Beziehung besteht also zwischen ästhetischer Produktion und Ökonomie? Warum sind kulturelle Diskurse wichtig für reale, ökonomische Investitionen? Und anders herum: Welchen Einfluß hat die ökonomische Aufwertung von Stadträumen auf die Produktionsbedingungen von Kunst? Allein die Feststellung, dass Gentrification und Kunst etwas miteinander zu tun haben, wirft mehr Fragen als Antworten auf. Die Schwierigkeiten, die es macht, die Rolle von Kunst, bzw. breiter formuliert, von kulturellen Diskursen in innerstädtischen Aufwertungsprozessen, zu erklären, sind weisen dabei eine Reihe von Überschneidungen mit den Problemen auf, die sich bei der Analyse des Zusammenwirkens kultureller, ökonomischer und sozialer Faktoren in der Konstruktion von Raum generell stellen. Im Umkehrschluß bedeutet das aber, dass konzeptionelle Überlegungen in dieser Detailfrage helfen können, im Graubereich der Überschneidung von Kultur und Ökonomie insgesamt weiter zu kommen. Der vorliegende Beitrag greift aus diesem Grund das Thema "Kunst und Gentrification" von Neuem auf und versucht, auf einer eher konzeptionellen Ebene, Vorschläge für ein besseres Verständnis des Zusammenwirkens von Kultur und Ökonomie in der Produktion urbaner Räume zu machen. Ich stütze mich dabei wesentlich auf zwei Zugänge: auf Bourdieus Konzepte zur Stellung des Künstlers im Raum der sozialen Positionen und auf Überlegungen aus dem Kontext der new urban economy (Harvey, Zukin) über die Bedeutung symbolischer Produktion für die Entstehung von Monopolrenten. 2. Kulturelles Kapital im Raum der sozialen Positionen In einem ersten Schritt gilt es dabei, die soziale Position von Künstlern und die Bedeutung ihrer kulturellen Praxis genauer zu verstehen. Dazu ist es hilfreich, auf das Modell des Raumes der sozialen Positionen zurückzugreifen, das Bourdieu in seinem Hauptwerk "Die feinen Unterschiede" (Bourdieu 1982) entwickelt hat. Die Grundidee dieses Modells ist, dass sich soziale Ungleichheit als unterschiedliche Ausstattung mit ökonomischem, sozialem und kulturellen Kapital beschreiben lässt. "Ökonomisches Kapital" ist dabei "unmittelbar und direkt in Geld konvertierbar und eignet sich besonders zur Institutionalisierung in der Form des Eigentumsrechtes" (Bourdieu 1983, 185). Als "soziales Kapital" gilt "die Gesamtheit der aktuellen und potentiellen Ressourcen, die mit dem Besitz eines dauerhaften Netzes von mehr oder weniger institutionellen Beziehungen des gegenseitigen Kennens und Anerkennens verbunden sind" (ebenda, 190). Eher im Bereich der von Lebenstil und Habitus verortet ist schließlich "kulturelles Kapital". Es existiert in Bourdieus Konzept in drei Formen: "(1.) in verinnerlichtem, inkorporiertem Zustand, in Form von dauerhafter Disposition des Organismus, (2.) in objektiviertem Zustand, in Form von kulturellen Gütern, Bildern, Büchern, Lexika, Instrumenten oder Maschinen, in denen bestimmte Theorien und deren Kritiken, Problematiken usw. Spuren hinterlassen haben, und schließlich (3.) in institutionalisiertem Zustand, einer Form von Objektivation (z.B. in Form von Titeln oder Abschlußzeugnissen, MB)" (ebenda, 185). "Gleich Trümpfen in einem Kartenspiel" (Bourdieu 1985, 10) determiniert die Ausstattung der einzelnen Akteure mit den unterschiedlichen Arten und Erscheinungsformen von Kapital ihre Gewinnchancen im sozialen Raum. Die Position von Akteuren bestimmt sich demnach nicht nur durch die individuelle Verfügung über ökonomisches Kapital, sondern sie beinhaltet darüber hinaus eine Vielzahl von kulturellen Praxen, in der um die Aneignung von Distinktionsmerkmalen gerungen wird. Distinktion dient dabei der "symbolischen Transfiguration" (Bourdieu 1985, 22) faktischer Unterschiede. Der Kampf um eine herrschende Position im Raum der sozialen Positonen schließt deshalb den Kampf um "Bennungsmacht" (ebenda, 23) ist ein. Dabei versuchen die Akteure mit Hilfe symbolischer, diskursiver Strategien, ihre Interpretation der Welt durchzusetzen, d.h. "sichtbar zu machen und glauben zu machen" (ebenda, 29). In eben diesem Kontext spielt "Kultur" eine Schlüsselrolle: "Nichts hebt stärker ab, klassifiziert nachdrücklicher, ist distinguierter, als das Vermögen, beliebige oder gar ‚vulgäre' Objekte zu ästhetisieren, als die Fähigkeit, ... in vollkommener Umkehrung der populären Einstellung die Prinzipien einer ‚reinen' Ästehetik spielen zu lassen."(1982, 25) Die Bedeutung der Fähigkeit zur Durchsetzung von Bezeichnungs- und Deutungspraktiken geht damit weit über die Sphäre der Kommunikation hinaus. Kulturelle Diskurse werden direkt zum Mittel zur Durchsetzung einer beherrschenden Position im Raum der sozialen Positionen. Kultur ist damit nicht neutral, sondern Kultur und Ökonomie werden in ihrem Zusammenwirken zu entscheidenden Determinanten sozialer Ungleichheit. Das (ursprünglich in "Die feinen Unterschiede" entwickelte, später stark vereinfachte) Diagramm bildet diese Struktur für verschiedene Berufsgruppe räumlich ab. Diagramm 1: Bourdieus Raum der sozialen Positionen und Raum der Lebensstile (Bourdieu 1998, 19) Das soziale Feld wird hier (unter Außerachtlassung von sozialem Kapital, das eine dritte Achse bilden würde) als zweidimensionaler Raum skizziert, der durch die Verfügung über kulturelles und ökonomisches Kapital strukturiert ist. Rechts der Ordinate sind dabei Positionen abgetragen, die durch einen hohen Bestand an ökonomischem und einen geringen an kulturellem Kapital gekennzeichnet sind; links der Ordinate ist es umgekehrt. Der Gesamtbestand an zur Verfügung stehendem Kapital ist durch die vertikale Achse gekennzeichnet. Die Position verschiedener Berufsgruppen (Hilfsarbeiter, Lehrer, Künstler, Unternehmer) im sozialen Raum und die Wertigkeit verschiedener kultureller Praxen (Bier trinken, Schach spielen, Reiten) für die Herstellung dieser Position wird durch die Lage in diesem Koordinatensystem charakterisiert. Landarbeiter finden sich z.B. sehr weit unten, weil sowohl ihr Bestand an ökonomischem, als auch ihr bestand an kulturellem Kapital niedrig ist. Lehrer finden sich im oberen linken Quadranten, weil sich ihre Position eher durch einen hohen Bestand an kulturellem, als an ökonomischem Kapital bestimmt. Wichtig ist dabei, das Verhältnis verschiedener Positionen nicht statisch, sondern dynamisch - in einem permanenten Kampf um Distinktion - zu sehen. Die Verfügung über kulturelles Kapital steht dabei zwar in einer engen Verbindung zur Verfügung über ökonomisches Kapital - sie geht darin aber nicht auf. Denn kulturelles Kapital kann nicht für sich selbst bestehen, sondern es entwickelt sich erst einem Akt der Anerkennung durch Andere. Was resultiert aus diesen Überlegungen nun für die Stellung von Künstlern im Raum der sozialen Positionen? Zunächst kann festgehalten werden, dass Künstler hier eine ambivalente Position einnehmen. Die sprichwörtliche ökonomische Armut und die mangelnde soziale Sicherheit, unter der viele Kulturschaffende leiden, wird dabei ausgeglichen durch einen Reichtum an kulturellem Kapital, durch eine ästhetische Disposition, d.h. eine Fähigkeit zur Produktion von "Besonderem", zur Herstellung von Distinktion. Diese Fähigkeit zur Transformation von "Bedeutungslosem" zu "Bedeutungsvollem" (z.B. die Verarbeitung von Leinwand und Farbe zu einem Bild) ist die Stärke von Künstlern, die ihre positive Gesamtkapitalbilanz begründet. Gleichzeitig ist die Position von Künstlern außerordentlich fragil. Denn die Wertung der künstlerischen Fähigkeit zur Herstellung von "Besonderem", und damit die Stellung des Künstlers, hängt von einem Akt der Anerkennung seiner Arbeit durch das Publikum ab. Zu fürchten ist dabei nicht nur das Ausbleiben von Anerkennung, sondern, paradoxerweise, auch ein Übermaß an kommerziellem Erfolg, eine Transformation des "Besonderen", welches Kunst ausmacht, zu "Gewöhnlichem". Bücher z.B., die keiner kennt, werden es schwer haben, als "Literatur" anerkannt zu werden - Bücher, die es in jeder Bahnhofsbuchhandlung zu kaufen gibt, gelten aber wiederum leicht als Trivialliteratur. Sowohl ökonomischer Erfolg, als auch ökonomischer Mißerfolg, können also zu einer Abwertung des im Buch objektivierten kulturellen Kapitals seines Autors führen. Einzigartigkeit und Distinguiertheit stehen hier in einem Widerspruch zum ökonomisch wünschenswerten Massenerfolg und infolge dieser paradoxen Situation leben Künstler sozusagen "in einer verkehrten Welt, in der negative zu positiven Sanktionen werden können" (Bourdieu 1998, 183) und umgekehrt. 3. Kunstproduktion und Kunst-Räume Versucht man Bourdieus Überlegungen zur Position von Künstlern im Raum der sozialen Positionen und Lebensstile auf das Thema der kulturellen Transformation von urbanen Räumen auszuweiten, ergeben sich interessante Perspektiven. Zunächst kann man hier eine Verbindung zwischen Mangel an ökonomischem Kapital und Wohnstandort erkennen. Dort, wo die Wohnorte von Künstlern untersucht wurden, konnte man feststellen, dass sich Künstler regelmäßig in preiswerten, wenig renovierten, innenstadtnahen Quartieren konzentrieren (Cole 1987, Ley 1996, Ley 2003). Diese Konzentration ist zum einen Ausdruck des niedrigen ökonomischen Status von Künstlern, der sie zwingt nach billigem Wohnraum zu suchen. Solcher Wohnraum ist in der Regel in unsanierten Altbauvierteln zu finden, so dass eine Konzentration von Künstlern oft mit den Ausgangsbedingungen für das Vorhandensein von rent-gaps (Smith 1979/1996) einher geht. Künstler benötigen zudem einigermaßen zentrale Wohnorte, die sie in räumliche Nähe zu Bibliotheken, Galerien, Universitäten und anderen Kultureinrichtungen bringen. Auch in diesem Punkt ergeben sich Verbindungen zu Gentrification, denn innenstadtnahe Lagen gehören zu den entscheidenenden Vorteilen, die Altbauviertel "reif" für Gentrifizierungsprozesse machen. Neben diesen, aus der ökonomischen Position resultierenden, Faktoren gibt es aber noch weitere Umstände, die unsanierte und sozial gemischte Wohnviertel für Künstler interessant machen. Diese lassen sich sehr gut mit Bourdieus Überlegungen koppeln. Denn aus dem Blickwinkel kultureller Distinktionskalküle sind "authentische", "rauhe", "echte" Orte vorzügliche Objekte für Ästhetisierungsstrategien. Alte Viertel, proletarische Bewohner und bröckelnde Fassaden eigenen sich genau deshalb als Objekt künstlerischen Schaffens, weil sie Images verkörpern, die etwas ungewöhnliches, dem Massengeschmack entgegen Gesetztes ausdrücken. Ihre künstlerische Interpretation bietet die Gelegenheit, "Stil" zu beweisen und dadurch symbolisch aufzusteigen. Alte Viertel, proletarische Bewohner und bröckelnde Fassaden werden damit sozusagen zum Stoff, an dem sich eine ästhetische Disposition materialisieren kann. Sie ermöglichen die Demonstration der Fähigkeit zur Transformation von "Gewöhnlichem" zu "Besonderem", die die spezfische Stärke von Künstlern in Bourdieus Raum der sozialen Positionen begründet. Die erfolgreiche Ästhetisierung eines Viertels "rechnet" sich damit für ihren Produzenten. Sie erhöht seinen Bestand an kulturellem Kapital, seine Position steigt im Diagramm nach oben. Einmal als "kulturelles" Thema etabliert, kann der Bezug auf ein bestimmtes Viertel sogar als Label dienen, die Erkennbarkeit des Kunstproduktes steigern und seinen symbolischen Wert erhöhen. In einem Akt der Transsubstantiatation wird hier ein ästhetischer Habitus auf einen spezifischen Ort übertragen, der im Gegenzug den mit ihm konnotierten Aktivitäten sozusagen "eine höhere Weihe" gibt. Der Ort wird dabei zum Code für einen spezifischen Habitus, zum Objekt, in dem sich der Besitz kulturellen Kapitals manifestiert. Das Montmartre der französischen Bohéme des frühen 20.Jahrhunderts, das Greenwich Village der "Beat Generation", oder die "Prenzlauer Berg- Szene" sind historische Beispiele für dieses Phänomen. Montmartre, Greenwich Village oder Prenzlauer Berg bezeichnen hier nicht mehr konkrete physische Eigenschaften eines Stadtviertels, sondern sie dienen als Medium für die Produktion und Zirkulation habitueller Unterschiede. Mit dieser Transformation sind allerdings weitreichende Folgen - sowohl für den Künstler, als auch für den Ort -verbunden. Denn mit der Verräumlichung von Habitus tritt die Fähigkeit zur ästehtischen Disposition aus dem Körper des Künstlers heraus und wird für breitere Kreise zugänglich. Inkorporiertes kulturelles Kapital wird, in Bourdieschen Termini gesprochen, zu objektiviertem kulturellen Kapital transformiert. Kulturelles Kapital muß nicht mehr über einen langen Zeitraum durch Bildungsleistungen erworben werden, sondern es wird direkt durch den Besuch einer Galerie, das Biertrinken in einer Künstlerkneipe oder den Erwerb von Designermöbeln konsumierbar. Die Verortung dieser Aktivitäten in einem kulturell codierten Raum ermöglicht eine symbolische Identifikation zwischen Akteur, kultureller Praxis und Ort - und damit die Aneignung von Positionsprofiten, die sich aus der symbolischen Überhöhung des betreffenden Raumes ergeben. Indem kulturelle Distinktion an einen allgemein zugänglichen Ort (statt z.B. an ein eigenes Produkt) gekoppelt wird, sinken sozusagen die Transaktionskosten für die normalerweise zeitraubende, lang andauernde und widersprüchliche Aneignung von kulturellem Kapital, so dass breitere Schichten, an ihre Vorteile zu partizipieren können. Der mit der ästhetischen Recodierung eines Raumes verbundene Distinktionsprofit verlangt im Zuge dieses Prozesses weniger eigene, zeitraubende künstlerische Aktivitäten, sondern er lässt sich bereits über den Zugang zu ästhetisch codierten Räumen ausbeuten . Der "Clubeffekt" (Bourdieu 1997), die Möglichkeit, aus dem "kulturellen" Bezug auf einen bestimmten Raum symbolische Gratifikationen zu ziehen, wird damit popularisiert. Im Zuge von Aufwertungsprozessen erfahren Altbauviertel deshalb oft auch eine "symbolische Gentrifizierung", die der Wiederinwertsetzung auf dem Immobilienmarkt und dem Bevölkerungsaustausch vorausgeht: "... bevor neue Mieter und Nutzer ... Einzug halten, wurde und wird ihnen der Bezirk schmackhaft gemacht: die architektonische Aufwertung und ökonomische Umnutzung wird durch eine symbolische Gentrifizierung, d.h. durch medial gefertigte Images, Bilder, Repräsentationen, vorbereitet und begleitet."(Lang 1994, 498f.) Bilder, Codes und Diskurse werden damit zum Schlüsselelement für die Aufwertung. Die Ästhetisierung eines Viertels wirkt dabei sozusagen wie eine "self fulfilling prophecy". Denn die durch sie ermöglichten Distinktionsprofite laden genau die sozialen Gruppen zu ihrer Ausbeutung ein, die aufgrund ihres kulturellen und/ oder ökonomischen Kapitals sowieso schon in einer beherrschenden Position sind. Mit ihrem Zuzug werden die betroffenen Viertel im Verlauf der Gentrification deshalb tatsächlich mit kulturellem und ökonomischem Kapital aufgeladen, sie werden reicher und kulturvoller. Allerdings vollzieht sich die Aneignung von kulturellen Lokalisationsprofiten nicht im Selbstlauf. Um die Transaktionskosten (Zeit, Geld, Kontakte) für die Aneignung der ästhetischen Qualitäten eines Ortes auf ein Maß zu senken, das nicht nur einem äußerst exklusiven Publikum Zugang ermöglicht, benötigt sie vielmehr Vermittler, deren Tätigkeit in der Übersetzung und Vermarktung räumlich gebundener Distinktionsvorteile besteht und die mit ihren kreativen Praktiken neue ästhetische Felder für ein Massenpublikum erschließen können. Die symbolische Aufladung eines Raume wird damit zum Geschäft, das eine Reihe von ökonomischen Transaktionen ermöglicht: Geld kauft sozusagen Stil. 4. Kulturelles Kapital und ökonomische Akkumulation Die Handelbarkeit von Waren und Dienstleistungen, die "Stil" ausdrücken, ermöglicht kommerzielle Aktivitäten von Gastronomiebetrieben, Galeristen, Immobilienunternehmern, Reiseführern und Filmproduzenten. Sie bietet Verdienstmöglichkeiten und eröffnet Kapitalanlagen in der Produktion von Infrastrukturen und Dienstleistungen für "kulturellen" Konsum. Neue Restaurants, Galerien und Clubs werden eröffnet, Häuser saniert, Eigentumswohnungen gekauft. Damit findet ein Übergang von Kultur zu Ökonomie statt, in der Gentrification vom Code zum Markt wird. Räumlich gebundenes kulturelles Kapital wird dabei zum Grund für "reale" Investitionen (vgl. Zukin 1990), es kommt zu einer Verschmelzung kultureller und ökonomischer Akkumulationskreisläufe. "Kulturviertel" werden dabei zu "cultural markers", in denen sich Märkte für Konsumgüter herausbilden, die von hoher Ausdifferenzierung, einer Nachfrage nach Authentizität und lokaler kontextueller Angepasstheit bestimmt sind. Investitionen werden auf diesen Märkten sehr flexibel plaziert und können nur dann auf Erfolg hoffen, wenn sie es vermögen, einen Code anzusprechen, der passgerecht zu den besonderen ästhetischen Qualitäten des betreffenden Ortes ist. Der entscheidende Punkt ist dabei, daß Angebot und Nachfrage auf diesen Märkten zu einem hohen Grad mediatisiert sind. Ähnlich wie die Nutzer von kulturellen Distinktionsangeboten benötigen auch deren Produzenten einen Zugriff hoch qualifizierte Dienstleister, die auf kreative Weise in der Lage sind, "Ort" und "Geschmack" zu definieren. Kulturelles Kapital spielt damit eine "reale" Rolle, indem es Kapitalanlagen an der Verbindungslinie von kulturellen und ökonomischen Kreisläufen steuert. Es bewirkt Investitionen in physische Infrastruktur, bringt neue Formen von Beschäftigung hervor und verändert das Gesicht der betroffenen Viertel. Dieser Zusammenhang kann am Beispiel eines Wohngebäudes an einem zentralen Platz eines beliebigen "Szeneviertels" demonstriert werden. Dieses ist zwar auf der einen Seite nur ein Haus, mit den typischen stofflichen Eigenschaften. Durch seine Lage an einem kulturell aufgeladenen Ort ermöglicht dieses Haus aber andererseits das "Andocken" eine Reihe von speziellen Investitionen: Es kann anspruchsvoll renoviert werden, man kann mit Gewinnaussicht ein Feinschmeckerrestaurant in ihm eröffnen, Reiseführer können es als "typisch" und "interessant" präsentieren. Die physische Qualität (Lage, Bauweise) wird damit zum Knotenpunkt für eine Reihe von wirtschaftlichen Aktivitäten, die Kapitalanleger motivieren, ihr Geld zu investieren. Die Sanierung ist so eventuell von einem Wechsel des Grundbesitzers begleitet, für den "stilvollen" Ausbau des Restaurants wird ein Kredit aufgenommen, für Reiseunternehmen neue Busse gekauft. Diagramm 2 Das Gebäude im "Szeneviertel" wird damit zu einer besonderen Immobilie, die ökonomische Transaktionen ermöglichen, die an anderen Orten nicht möglich wären. Ihre Verwertung basiert auf eine Reihe von spezialisierten Dienstleistungen für besondere, "kulturelle" Produkte (Cuisine, Loft-Innenarchitektur, Restaurantführer) und sie ermöglicht in all diesen Feldern besondere Gewinne und stimuliert so Investitionen in den entsprechenden Branchen. 5. Distinktionsprofite und Monopolrenten Ausschlaggebend für diese kulturökonomische Erfolgsstory ist die Möglichkeit, mit der Ausbeutung von Distinktionsräumen "Monopolrenten" zu erwirtschaften. Um diesen Prozeß zu verstehen, ist es hilfreich, auf Konzepte von David Harvey zurückzugreifen, die im Kontext der new urban economy entwickelt wurde (Harvey 1982 und insbesondere 2001, 394ff.) Sie liefern einen Schlüssel zum Verständnis der besonderen Attraktivität von Investitionen, die durch die ästhetische Redefinition des Raumes angeregt worden sind und erklären die damit einher gehenden Widersprüche. Anknüpfend an Marx gibt Harvey folgende Definition für Monopolrenten:. "Monopoly rent arises because social ators can realize an enhanced income-stream over an extended time by virtue of their exclusive control over some directly or indirectly tradeable item which is in some crucial respects unique and non-replicable." (Harvey 2001, 295) Ein klassisches Beispiel für die Gelegenheit, Monopolrenten einzunehmen, ist ein Weinberg, der eine außergewöhnlich gute Sorte Wein hervor bringt, der zu hohen Monopolpreisen verkauft werden kann. Ein anderes Beispiel sind zentrale städtische Lagen, in denen Monopolpreise nicht für die außerordentliche Qualität des Raumes, sondern für seine Lage (seine geringe Distanz zu den Orten wichtiger Aktivitäten) verlangt werden können. In beiden Fällen ist die Einzigartigkeit des Ortes Voraussetzung, um Extragewinne erwirtschaften zu können. Zugleich können potentielle Monopolrenten nur dann realisiert werden, wenn die betreffende Ware (direkt oder indirekt) handelbar ist. Aus diesem Umstand entwickelt sich eine schwierige Situation, in der - ähnlich wie im Fall des symbolischen Kapitals bei Bourdieu - "Einzigartigkeit" und "Massenerfolg" im Widerspruch zueinander stehen. Denn je erfolgreicher eine Ware gehandelt wird, desto weniger speziell und einzigartig erscheint sie. Sie verliert also im Zuge ihre kommerziellen Erfolgs ihren spezifischen Charakter, der die Möglichkeit, mit ihr Monopolrenten zu erwirtschaften, begründet. Da in einer Konkurrenzwirtschaft das Bestreben, sich über den Durchschnittsprofit hinausgehende Sonderrenten anzueignen, allgemein ist, ist jedes Monopols permanent bedroht. Andere Wettbewerber werden, sofern es irgend möglich ist, immer versuchen, die entsprechende Ware zu kopieren und selbst zu vermarkten - und das bedingt eine immanente Tendenz des Falls der Monolporente. Angewendet auf Gentrificationsprozesse lassen sich aus dieser Konzeption eine Reihe von interessanten Schlußfolgerungen ziehen: Zum ersten kann abgeleitet werden, dass der Schlüssel zum Verständnis des Zusammenwirkens von kulturellen und ökonomischen Momenten in Aufwertungsprozessen in der Möglichkeit der Aneignung von ortsgebundenen Monopolrenten liegt. Diese entstehen aus der ästhetischen Codierung eines Ortes als etwas "Besonderem". Diese ästhetische Redefinition bedarf zu ihrer Materialisierung einer physischen Infrastruktur und dieser Umstand eröffnet die Möglichkeit zur Akkumulation ökonomischen Kapitals. Kunst, Kunstorte und ökonomische Aufwertung können aus diesem Grund zu verschiedenen Seiten derselben Medaille werden: Wo Künstler spezifische Märkte brauchen, um ihre ästhetischen Qualitäten sichtbar zu machen, brauchen spezifische Märkte auch Künstler, um Investitionen zu stimulieren. Zum zweiten kann gefolgert werden, dass die kulturökonomische Aufwertung von Räumen eine kumulative Logik beinhaltet. Da die Möglichkeit zur Aneignung von Monopolrenten nicht auf eine einzelneWare begrenzt ist, sondern aus der Plazierung von Investitionen an einem bestimmten Ort hervorgeht, gibt es ein allgemeines Bestreben, diese Lagevorteile auszubeuten. Auf die Galerie folgt dann ein Club, auf den Club ein Restaurant, auf das Restaurant eine Boutique, auf die Boutique ein Hotelneubau usw. Einmal in Gang gekommen, besetzt Gentrification deshalb eine ganze Reihe von Bereichen, die Infrastruktur, Dienstleistungsangebot und Bausubstanz der betroffenen Viertel umwälzen. Zum dritten liegt genau in dieser Tendenz zur Verallgemeinerung die Möglichkeit des kulturellen Abstiegs gentrifizierter Räume begründet. In dem Maße, wie "besondere" Räume ausgebeutet werden, verlieren sei ihre Potenz zur Herstellung kultureller Distinktion. Der kommerzielle Erfolg nivelliert also die Monopolrenten und damit die Verdienstmöglichkeiten, die in der Vermittlung von Distinktionsvorteilen liegen. Auf Seiten von Kulturproduzenten führt die erfolgreiche Gentrifizierung eines Viertels deshalb regelmäßig zum Katzenjammer über den Verlust der "spezifischen" Qualitäten des jeweiligen Ortes. Um dem tendenziellen Fall der Distinktionsrente entgegen zu treten, müssen daher in regelmäßigen Abständen neue, "heiße" Räume entdeckt werden. Gentrification erhält damit eine zirkuläre Logik. Sie bewegt sich durch die Stadt, getrieben von dem Bemühen, Orte für Distinktionsgewinne zu finden und zu vermarkten. 6. Kultur und/oder Ökonomie Was folgt aus dieser Argumentation generell für das Zusammenspiel von kulturellen und ökonomischen Momenten bei der Konstruktion urbaner Räume? (1) M.E. vor allem die Einsicht, dass eine Tennung von Kultur und Ökonomie in diesem Feld wenig Sinn macht. Kulturelle Diskurse sind bei der ökonomischen Aufwertung heruntergekommener Wohnviertel "part of the game" und vice versa. Kulturell ist Gentrification ein Akt der ästhetischen Redefinition urbaner Räume, ökonomisch der Prozess der kommerziellen Verwertung der dabei entstehenden Distinktionsgewinne. Es handelt sich dabei um zwei Momente derselben Totalität, die ohne den jeweils anderen Part auseinanderfällt. (2) Das Zusammenwirken von Kultur und Ökonomie ist dabei voll von Widersprüchen, die eine kumulative und zirkuläre Tendenz von Gentrificationsprozessen begründen. Aufgrund der Logik kultureller Distinktion kann Gentrification dabei nicht an einem Punkt stehen bleiben, sondern muss sich entweder in den betroffenen Räumen intensivieren, oder neue Räume erschließen. (3) Eine zentrale Rolle spielt in diesem Prozess die "kulturelle" Infrastruktur, ohne die weder eine Popularisierung noch eine Vermarktung von Distinktionsgewinnen möglich ist. Da über diese Seite von Gentrification nur wenig bekannt ist, ergibt sich hier Forschungsbedarf. (4) Sowohl die kulturelle, als auch die ökonomische Seite von Gentrification beinhaltet Machtpositionen, die sich aus der Verfügung über bzw. dem Mangel an ökonomischem und kulturellem Kapital ergeben. Gentrification ist in dieser Hinsicht kollektives Ergebnis des Versuchs, mittels Aneignung von Räumen eine bessere Stellung im Raum sozialer Positionen zu erobern. Raum -"Texte" existieren also nicht für sich, sondern sie machen einen Sinn, der sich aus der Logik sozialer Ungleichheit erklärt. Literatur: Bourdieu, P. (1982): Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt a.M.: Suhrkamp Bourdieu, P. (1983): Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital; In: Kreckel, Reinhard (Hg.): Soziale Ungleichheiten (Sonderheift 2 der Sozialen Welt), Göttingen: 183-198 Bourdieu, P. (1985): Sozialer Raum und "Klassen"; Le Von? sur la leVon. Zwei Vorlesungen: Frankfurt a.M.: Suhrkamp Bourdieu, P. (1997): Ortseffekte, In: ders. et.al. (Hg.): Das Elend der Welt. Zeugnisse und Diagnosen alltäglichen Leidens an der Gesellschaft, Konstanz: UVK Universitätsverlag Bourdieu, P. (1998): Praktische Vernunft. Zur Theorie des Handelns, Frankfurt a.M.: Suhrkamp Bridge, G. (2001): Estate agents as Interpreters of economic and cultural capital: The Gentrification Premium in the Sydney housing market, In: International Journal of Urban and Regional Research, Vol25, No.1 März 2001 Cole, D. (1987): Artisits and urban redevelopment, In: Geographical Review 77: 391-407 Deutsche, R. and Ryan, C. G.(1987): The Fine Art of Gentrification, In: The portable Lower East Side, Volume 4, Number 1, Spring 1987 Florida, R. L. (2002): The rise of the creative class, New York: Basic Books Harvey, D. (1982): The limits to capital, Oxford: Oxford University Press Harvey, D. (2001): Spaces of capital, London u.a.: Blackwell Häußermann, H.; Siebel, W.: Neue Urbanität, Frankfurt a.M. : suhrkamp Jager, M. (1986) "Class definition and the aesthetics of gentrification: Victoriana in Melbourne", in Smith, N.and Williams, P. (Hg.) Gentrification of the City (Unwin Hyman, London). Lang, B. (1994): Mythos Kreuzberg, In: Leviathan, H.4/1994 Ley, D. (1996): The new middle class and the remaking of the central city, Oxford: Oxford University Press Ley, D. (2003): Artists, aestheticisation and the field of gentrification, In: Urban Studies Vol40, No.12/ November 2003: 2527-2544 Smith, N.(1996): The new urban frontier. gentrification amd the revanchist city, London and New York: Rouledge Zukin, S. (1982): Loft Living. Culture and Capital in urban change, Baltimore: John Hopkins Press Zukin, S. (1990): Socio-spatial Prototypes of a new organization of consumption: the role of real cultural capital; In: Sociology, Vol24, No.1: 37-56 Zukin, S. (1991): Landscapes of Power. From Detroit to Disney World. Berkeley: University of California Press Kontakt: Dr. Matthias Bernt UFZ - Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle Department Ökonomie, Soziologie und Recht Permoserstr.15 04318 Leipzig Germany e-mail:matthias.bernt:ufz.de |