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Kein Happy End

Kein Happy End, nirgends

Die Stadt als Brennpunkt und Grenzerfahrung: In Berlin ist die Biennale bb3 f�r zeitgen�ssische Kunst er�ffnet worden

All die g�ngigen Namen, die zurzeit rund um den Kunstglobus geschickt werden, sind in Berlin nicht zu finden. Ausnahmen sind etwa der Turner-Preis-Anw�rter Isaac Julien, der im Film �Baltimore�, einer imposanten Kurzschlaufe zur afroamerikanischen Filmgr�sse Melvin Van Peebles, kritisch �ber geschichtliche Verankerungen von Vorurteilen und Erfolgschancen nachdenkt. Oder Amelie von Wulffen, die zeitgleich in Berlin auch bei der viel beachteten Ausstellung der Ostschweizerin Christiane Rekade �Was ist in meinem Zimmer, wenn ich nicht da bin?� pr�sent ist und deren Foto-Malerei- Collagen eine Stadt zwischen �bergang und Zerbr�ckelung zeigen. Kunst? Musik, Film, Mode ...

Kuratorin Ute Meta Baur interessieren weniger die Sicherheit und Erfolg versprechenden Namen als vielmehr die Suche danach, wie sich in der Kunst sozialpolitische Gef�ge darstellen lassen - wobei die Sparte Kunst gegen�ber den Medien Film, Musik und Mode vollst�ndig ge�ffnet ist. Ihr geht es um Kunst, die sich mit dem auseinander setzt, was rund um sie geschieht. Um Kunst, die Raum bietet, sich auf die Wirklichkeit einzulas- sen - modellhaft, verlangsamt, �bersetzt. Wer von dieser Auseinandersetzung Leichtf�ssigkeit erwartet, wird entt�uscht. Wer seine Erfolgs- und �berw�ltigungsgef�hle auf sicher haben will, findet dies nebenan und bis zum Sommerende bei �Mo MA? in Berlin� in der Neuen Nationalgalerie. Anders als an der ersten Berlin-Biennale 1998, als Spassiges ins Rollen und Rutschen kam und Unterhaltung gross geschrieben wurde, geht es jetzt um Ernsthaftigkeit, die allerdings zeitweilig etwas spr�d und freudlos wird und den Wunsch nach sinnlichem Erleben anstelle von Lesen wachsen l�sst. Die Berlin-Biennale ist trotz internationalem Anspruch ein Spiegel der Stadt, eine Standortbestimmung. Anstrengend und rau sind beide. Die euphorische Aufbruchstimmung von vor 15 Jahren ist dem Alltag mit seinen existenziellen Abm�hungen gewichen. Und statt putziges Wohlf�hlambiente und Koketterien gibts Un�berschaubarkeit, die ein st�ndiges Neupositionieren fordert. Es geht um die anregende Herausforderung einer Stadt zwischen Mythos und Realit�t, zwischen Hoffnung, Forderung und Entt�uschung, einer Stadt im st�ndigen Umbruch.

Kleider machen Politik

Einen stellvertretenden Auftakt macht das multifunktio- nale Tuch des Wiener Kollektivs �a room of one's own�: �Feministische Forderungen sind tragbar� steht darauf, das Tuch ist Rock und Transparent in einem. �Es ist mir ein Anliegen, der Kunst eine relevante Stimme im gesellschaftlichen Diskurs zu geben�, sagt Kuratorin Ute Meta Baur, Professorin f�r Theorie, Praxis und Vermittlung der Gegenwartskunst an der Akademie der K�nste in Wien. Sie war 2002 Co-Kuratorin an der Documenta in Kassel und hat auch schon in der Kunsthalle St. Gallen gewirkt. Zwar bildet die Stadt Berlin, ihre Heterogenit�t und ihre Geschichte den Rahmen. Doch die k�nstlerischen Auseinandersetzungen gehen �ber Ortsbez�ge hi-naus. Das Motiv der Grenze, das Leiden daran und Versuche der �berwindung, zieht sich als roter Faden durch die Werkauswahl. Der Bulgare Ergin Cavusoglu filmt in den dunkeln Bereichen der St�dte. Der Raum ist schwarz und mit Rotationsger�uschen angef�llt. Lichter werfen blendende Scheine und bringen doch keine Helle. Ein Modellhelikopter kreist und bringt doch keine Verspieltheit. Nur Unwohlsein und Beklommenheit. Wir stehen in �Entaglement� in der Dunkelheit eines Dramas, dem wir nicht entkommen k�nnen. Kleider h�ngen an Drahtb�geln, Kleider der amerikanischen Schriftstellerin und Aktivistin Kathy Acker. Fotografin Kaucyila Brooke l�sst �ber die drapierten Hosen, Jacken und R�cke die Leere, den Verlust der fr�h Verstorbenen erleben. Das Spannungsfeld zwischen Mode, soziokultureller Identit�t und Frausein ist ein pr�sentes Thema auf der Biennale. Regina M�ller interessiert dabei die Subversion von Repr�sentation. Ihre Prototypen wie etwa der reversib-le Mantel �Wende� aus kostbarster Seide und grauen Transportdecken oder die Kollektion aus schmutzunempfindlichen Grubent�chern sind zwar tragbar, aber gleichzeitig auch Skulptur und politisches Statement. Im gleichen Raum verweben sich D�fte, die Sissal Tolaas in Kleidungsst�cken verschiedener Gegenden von Berlin gesammelt hat und die erst in der Mischung das richtige Parf�m ergeben. Aber das Parf�m ist unerschwinglich teuer. Auch die in Berlin lebende Amerikanerin Judith Barry geht in �Voice off� den Perspektiven von Trennen und Verbinden nach. Zwei Filme in zwei R�u-men werden im Laufe der Handlung und durch einen Mauerdurchbruch miteinander vern�ht. Trotzdem bleiben die psychische Spannung und das Gef�hl von Unverst�ndnis und Isolation zwischen den Menschen bestehen. Kein Happy End, nirgends. Wohnen im Karton

Eine ungepflegte Dreht�r auf einem Waschbetonplatten-Laufsteg im festlichen Gropius-Bau von _fabrics interseason (Wally Salner und Johannes Schweiger) wirkt wie ein Skulptur gewordenes Bild f�r die Vereinzelung und Vereinsamung, aber auch f�r die Suche nach Gl�ck und Zugeh�rigkeit - Stimmungen, die sich in zahlreichen Arbeiten wiederfinden. Da sind die Fotoarbeiten �Berliner Mauer� (1989) und �Bildnis einer Trinkerin� (1978/ 79) der aus Konstanz stammenden Filmemacherin Ulrike Ottinger, Bilder, die den heutigen Stand der Stadt vor dem Spiegel geschichtlicher Ver�nderungen untersuchen. Aura Rosenberg verbindet die eigene Familiengeschichte mit Walter Benjamins �Berliner Kindheit� von 1933. Sie zeigt wunderbar poetische Farbfotografien und die �berzuckerte Siegess�ule als verstaubtes Objekt. Menschenleere �de herrscht bei Thomas Struths Berlin-Ansichten vor. Eine frappierende Gleichzeitigkeit von Ort und Zeit zeigen die Schwarzweiss-Fotografien des Japaners Ryuji Miyamoto. Der Blick aus dem Fenster des Museumsbaus auf die Brachl�nder zeigt dieselben Papp- und Plastikverschl�ge. Versch�mt und dennoch skulptural behaupten sich die �Cardboard Houses� zwischen Repr�sentationsbauten urbaner Ballungszentren als Hinweis auf Leben. Den einzigen Schweizer Beitrag liefert die Filmemacherin Samira Gloor-Fadel aus Lausanne mit �Berlin Cin�ma� von 1997. Sie erkundet tastend Baustellen und Unterf�hrungen. Stimmen sprechen �ber Architektur und Film, �ber Krieg, Geschichte und Erinnerung - Wim Wenders und Jean-Luc Godard sind mit dabei. Bild und Sprache, Kino, Kunst und Architektur, Denken und Tr�umen verweben sich. Nicht �berall auf der Biennale geschieht dies so selbstverst�ndlich.

Ursula Badrutt Schoch

Aus dem TAGBLATT vom Mittwoch, 18. Februar 2004.

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