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Investigator Berlin

10. Oktober 2004


MATHEW D. ROSE

Der Investigator von Berlin

Von Michael Sontheimer

Seit zehn Jahren müht sich ein Amerikaner in der Hauptstadt, den notorischen Sumpf von Filz und Korruption trockenzulegen. Mathew D. Rose betreibt investigativen Journalismus und hat jetzt sein drittes Buch über die Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft in Berlin vorgelegt.

Berlin - Was auf den ersten Blick an ihm auffällt ist, dass er nicht weiter auffällt. Mittelgroß, schüttere ergrauende Haare, ein braunes Tweedjackett, schwarze Jeans. Mathew D. Rose, 50, kommt dies allerdings gerade recht, denn er legt keinerlei Wert darauf, in der Öffentlichkeit erkannt zu werden. Im Gegenteil, eine wichtige Grundlage seiner Arbeit ist die Diskretion. Lediglich sein Postfach ist in Berlin bekannt. Der freie Journalist konnte es bisher auch verhindern, dass Fotos von ihm in der Öffentlichkeit kursieren.

Gleichzeitig ist Rose in der Hauptstadt keineswegs ein Unbekannter. Seit Mitte der neunziger Jahre geht er in Berlin einer Variante des Journalismus nach, die in den deutschen Medien nach wie vor ein Stiefkind ist. Rose ist das, was man im Englischen Investigator nennt. Mit dem dafür nötigen Starrsinn hat er sich der Aufklärung von Filz und Korruption in der einstigen Mauerstadt verschrieben. In diesen Tagen erscheint sein drittes Buch über den Berliner Sumpf, jenes Feuchtbiotop, in dem regelmäßig öffentliche Gelder spurlos versickern: "Warten auf die Sintflut - Über Cliquenwirtschaft, Selbstbedienung und die wuchernden Schulden der Öffentlichen Hand - unter besonderer Berücksichtigung unserer Hauptstadt" (Transit Verlag Berlin, 240 Seiten, 18,80 Euro).

Mit Akribie hat Rose darin die Ursachen für die Überschuldung des Landes Berlin nachgezeichnet, wobei er zunächst mit der falschen Vorstellung aufräumt, die Zinslasten, die inzwischen bald ein Drittel des Haushaltes ausmachen, seien ein Erbe West-Berlins und der maroden Hauptstadt der DDR. Die interessierte Leserschaft kann vielmehr lernen, dass die Regierungen unter dem Langzeit-Bürgermeister Eberhard Diepgen mit megalomanen Stadtentwicklungsprojekten und der Weigerung, den hypertrophen öffentliche Dienst personell abzubauen, den Weg in die Schuldenfalle wählten.

Das besondere an Rose ist: Wo andere Journalisten aufgeben, recherchiert er weiter. Der Amerikaner ist ein Überzeugungstäter, ein starrsinniger Moralist, von dem der bekannteste Pressanwalt Berlins sagt: "Den möchte man nicht auf den Hacken haben." So hat er auch mit seinem neuen Buch die Korruptionsermittler auf einen Fall gebracht, der zurzeit in den Berliner Zeitungen Schlagzeilen macht: Ein Bauunternehmer, fand Rose heraus, spendete anlässlich eines Fundraising-Dinners der SPD 2500 Euro - konnte kurz darauf seine leer stehenden Büroräume dauerhaft an eine landeseigene Gesellschaft vermieten. Der Schaden für den Steuerzahler geht in die Millionen. Jetzt ermittelt die Kripo.

In New York als Sohn eines Psychoanalytikers geboren und in der Nähe von San Francisco aufgewachsen studierte Rose zunächst in Berkeley Moderne Geschichte, anschließend Opernregie an der Londoner Guildhall School of Music and Drama.

Als er schließlich Ende der siebziger Jahre als Regieassistent in Oldenburg anheuerte, wunderte er sich bald über eigenwillige Usancen am Staatstheater. Der Betriebsbüroleiter hatte für eine überzogene Gage einen Sänger beschäftigt und bekam dafür im Gegenzug eine Provision. Der Intendant wollte sich nicht von einem Greenhorn aus Amerika in die Suppe spucken lassen. Rose ging nach Berlin.

Als Journalist zu recherchieren begann er Anfang der neunziger Jahre über die dilettantische und jämmerlich gescheiterte Bewerbung Berlins für die Olympischen Spiele des Jahres 2000. "Diese sinnlose Verschleuderung öffentlicher Mittel", sagt er, "hat mich einfach als Bürger aufgeregt." Was er herausfand, führte zur Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses und einem kleinen Job als Rechercheur für den SPIEGEL.

Mittlerweile ist Rose in Berlin eine Institution. "Dass Sie mich mal anrufen, darauf habe ich schon lange gewartet", hört er immer wieder, wenn er neue potenzielle Informanten kontaktiert. Regelmäßig kontaktieren ihn Politiker oder Manager aus der Wirtschaft, die brisante Informationen haben, an, entweder direkt oder über Mittelsmänner.

Finanziell besonders einträglich sind seine intensiven Recherchen als freier Journalist nicht. "Meine Arbeit wird wahrgenommen", räumt er ein, "aber sie hat keine durchschlagende Wirkung." Besonders romantisch ist investigativer Journalismus auch nicht. Auf "Fleiß und Handwerk" kommt es seiner Meinung nach an. 80 Prozent seiner Arbeitszeit verbrächte er in Archiven und Bibliotheken, beim Aktenstudium oder am Fotokopierer. Gefragt nach seiner Motivation, erklärt er frei nach Martin Luther: "Hier lebe ich und kann nicht anders."

Was ihn zu einer Ausnahme unter den Berliner Journalisten macht, ist seine sowohl moralische als auch pragmatische Einstellung. "Ich bin eben ein Angelsachse" erklärt er das. "Wir sind so."

Im Vergleich zum englischen und amerikanischen Journalismus mit seiner großen investigativen Tradition sei der Berliner Journalismus "schlicht ein Trauerspiel". Das liegt nach Roses Auffassung daran, dass die Chefredakteure und Herausgeber der Lokalblätter nach wie vor zu sehr in die Politik eingebunden seien. "

Bei letzteren wird der kritische Rose folglich nicht sonderlich geschätzt. "Ich habe seit drei Jahren keinen Artikel in einer Berliner Zeitung untergebracht." Stattdessen veröffentlicht er die Ergebnisse seiner Recherchen im "Handelsblatt" oder "manager magazin".

Als er über die Machenschaften der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Mitte recherchierte, fing er sich seine ersten Ermittlungsverfahren samt Prozesse ein - was ihn finanziell beinahe ruiniert hätte: "Es sind nicht so sehr die Kosten, sondern die Zeit, die man in der Prozessvorbereitung investieren muss." Als er 2003 sein Buch über den Bankenskandal veröffentlicht hatte, versuchte der frühere Immobilienchef der Bankgesellschaft, Manfred Schoeps, das Werk vom Markt zu klagen. Rose obsiegte schließlich auf nahezu ganzer Linie.

Sein nächstes Buch will er zur Abwechslung in seiner Muttersprache schreiben, um seinen Landsleuten und besonders den Briten zu erklären, dass die politische Kultur Deutschlands sich deutlich von der anglo-amerikanischen unterscheidet. "Besonders die Briten", sagt Rose, "sollten sehr vorsichtig sein, wenn sie sich in eine enge Union mit Deutschland und Frankreich begeben." Einen Titel hat er schon: "The German Disease", die "Deutsche Krankheit".

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