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Flick Sammlung

Kunstsammlung

Kunst mit Nebenabsicht

Vom Herbst an wollte Berlin mit der Flick Collection gl�nzen. Doch der Widerstand w�chst � der fiskalische und der moralische

Von Hanno Rauterberg

Alles begann mit der Begegnung zweier Lebem�nner. Rein zuf�llig hatten sie sich auf einer Party getroffen, der Sammler und der B�rgermeister, und auf Anhieb ihre Sympathie f�reinander entdeckt. Noch am selben Abend wurde der spektakul�rste Kunsttransfer auf den Weg gebracht, den Berlin je gesehen hat. Friedrich Christian Flick versprach, der Stadt seine 2500 Bilder und Installationen anzuvertrauen, leihweise f�r sieben Jahre. Und Klaus Wowereit sagte zu, der Sammlung einen stolzen Empfang zu bereiten. Niemand kannte die Kunstwerke, auch der B�rgermeister nicht. Doch der Name Flick verhie� Gro�es und Teures, und so schw�rmte am Ende selbst Klaus-Dieter Lehmann, der Pr�sident der Stiftung Preu�ischer Kulturbesitz, �dass die Sammlung wunderbar nach Berlin passt und wir keinen Pfennig bezahlen m�ssen.� Das war 2002.

Zwei Jahre sp�ter schw�rmen nur noch wenige, statt dessen mehren sich die kritischen Fragen. Aus dem vermeintlichen Gl�cksgriff ist ein �brisantes Danaergeschenk� (art) geworden, das den ohnehin gebeutelten Berliner Museen nun Kosten in Millionenh�he aufb�rdet. Im Haushaltsplan ist laut Lehmann vorgesehen, dass die geplanten sieben Wechselpr�sentationen der Flick Collection jeweils 400000 Euro kosten. Bereits die Auftaktschau wird aber mindestens 1,44 Millionen Euro verschlingen, wie der zust�ndige Kurator Eugen Blume best�tigt. Dem Bundestagsabgeordneten Norbert Geis (CSU) liegen Kalkulationen vor, nach denen f�r die sieben Jahre Laufzeit sogar mit einer Gesamtsumme von �ber sechs Millionen Euro zu rechnen sei. �Der Transport der vielen Werke von Z�rich nach Berlin ist horrend teuer�, sagt er. �Hinzu kommen Lagerung, Sicherheitsleute, Miete f�r die Halle.� In mehreren Anfragen an die Kulturstaatsministerin Christina Weiss hat Geis die genauen Kosten zu kl�ren versucht, bislang vergeblich. �Die Zahlen, die Frau Weiss nennt, stimmen nicht mit meinen �berein.� Fest steht nur, dass alles viel teurer kommt als urspr�nglich gedacht. Erst k�rzlich wurde bekannt, dass nun auch noch eine Br�cke gebaut werden soll, um das Museum Hamburger Bahnhof mit der Flick-Halle zu verbinden. Kostenpunkt: 900000 Euro.

Bezahlt werden muss all dies aus dem laufenden Etat � die Stiftung Preu�ischer Kulturbesitz, getragen vom Bund und von den L�nder, bekommt f�r das neue Museum keine Zusatzgelder. Weiss empfiehlt in ihrer Antwort an Geis denn auch eine �Umschichtung von Priorit�ten� und die �Umverteilung vorhandener Personalkapazit�ten�. Und Stiftungspr�sident Lehmann r�umt ein, dass man die Pr�sentation der Flick-Sammlung aus dem Budget f�r Sonderschauen finanzieren m�sse und es deshalb k�nftig schwieriger werde, andere Ausstellungen zu bezahlen. Die Br�cke lasse sich aus dem Etat f�r Bauunterhaltung bestreiten, andere Museen m�ssten mit der Renovierung halt ein wenig warten. Etwa die in Dahlem, wo es schon jetzt kaum noch genug Geld gibt, um die Vitrinen zu entstauben.

Ist es richtig, der Flick Collection so gro�e Bedeutung beizumessen, obwohl sie nach sieben Jahren die Stadt wieder verlassen soll? �M�zenatentum, das den Namen verdient, bedarf immer der Schenkung�, sagt Christoph St�lzl, der Vizepr�sident des Berliner Abgeordnetenhauses. �Unsere Museen sind ein zu kostbarer Platz, als dass sie Herberge sein d�rfen f�r Saisong�ste.� Flick indes machte in mehreren Interviews unmissverst�ndlich klar, dass f�r ihn eine Schenkung nicht infrage komme: �Zu meinen Lebzeiten wird es keine Stiftung geben, in die meine Kunstwerke eingehen. Ich m�chte die Kontrolle �ber meine Sammlung nicht verlieren.� Deshalb hat er sich vertraglich ein Vetorecht ausbedungen, das ihm Mitsprache bei den Ausstellungen sichert. Zudem beh�lt er einen erheblichen Teil der Collection, jener, der im Anhang des Leihvertrags als Familiensammlung bezeichnet wird, in Z�rich. Gleiches gelte f�r alle Neuank�ufe w�hrend der siebenj�hrigen Laufzeit in Berlin, best�tigt Flick auf Anfrage.

Wer verdient an der Sammlung?

Immerhin beteiligt er sich aber an einem Teil der Kosten und zahlt die 7,5 Millionen Euro f�r die Renovierung der ehemaligen Rieck-Speditionshalle, in der seine Werke von September an gezeigt werden. Allerdings war er zun�chst bereit, eine weit h�here Summe auszugeben, damals in Z�rich, als er ein eigenes Museum plante, f�r 15 bis 20 Millionen Euro, und alle Ausstellungskosten �bernehmen wollte. Im Vergleich dazu muss ihm Berlins Angebot wie ein Schn�ppchen vorkommen. Die unter Spardruck stehende Preu�en-Stiftung hat Flick � gesch�tztes Verm�gen 500 Millionen Euro � ausgezeichnete Konditionen einger�umt, dank deren er nun noch reicher werden d�rfte.

Flick sammelt nicht deshalb Kunst, weil er Geld damit verdienen will; viel wichtiger ist ihm die Freundschaft mit den K�nstlern. Doch d�rfte er, der �Meister der Rosinenpickerei� (das Schweizer Magazin Cash) nicht ganz ungl�cklich dar�ber sein, dass ihm der Vertrag mit Berlin auch materielle Vorteile verspricht. Bekanntlich steigt der Wert einer Sammlung betr�chtlich, wenn sie die Weihen eines �ffentlichen Museums erf�hrt. F�r manche K�nstler der Flick Collection, f�r Bruce Nauman oder Martin Kippenberger, mag dies nicht gelten, weil sie schon heute schier unbezahlbar sind. Aber f�r die Unbekannteren wie Urs Fischer, Gerold Miller oder Etienne Lincoln verspricht Flicks Deal mit Berlin einen Karriere- und Preissprung.

Der Abgeordnete Geis fordert denn auch eine �Teilhabe der �ffentlichen Hand an diesen Vorteilen�. Und der Vorsitzende der j�dischen Gemeinde zu Berlin, Albert Meyer, beschwert sich in der Rheinischen Post dar�ber, dass Flick, der vor 30 Jahren mit seinem Verm�gen in die Schweiz zog, die deutsche Steuergerechtigkeit aushebele. �Wir m�ssen doch wohl jetzt nicht zusehen, wie dieser Herr sein Verm�gen auf unsere Kosten vermehrt.�

Vehement bestreitet Flick, er wolle Teile der Sammlung verkaufen und sich so bereichern, auch wenn ihm dies der Vertrag gestatte � er ver�u�ere nur einzelne Werke, die nicht in die Sammlung passten. Allerdings ist es schon vorgekommen, dass er sich von einem Kunstkonvolut getrennt hat. Erst hatte er eine ganze Ausstellung von Becher-Sch�lern aufgekauft, wenige Jahre sp�ter stie� er zahlreiche Fotos wieder ab, etwa die von Andreas Gursky. Nur ein Bild von ihm, den Rhein, behielt er, weil es ihn an seine Kindheit in D�sseldorf erinnerte.

Abgewickelt wurden diese Gesch�fte �ber die Flick Kunstverwaltung Gmb H? in Z�rich, als deren Gesellschafter die Pilatina Consultancy von den britischen Jungferninseln auftritt ebenso wie die Contempory Art Ltd. von der Steuersparinsel Guernsey, der Flick alle seine Kunstwerke �bertragen hat. Gesch�ftszweck der Gmb H? ist laut Handelsregisterauszug unter anderem der �Handel mit eigenen und fremden Kunstwerken�. Dieser Passus soll nun, sagt Flicks Sprecher Tyll Sch�nemann, gestrichen werden. Doch merkw�rdig bleibt es, dass die Gmb H? �ber lange Zeit ausgerechnet einen Galeristen als Gesch�ftsf�hrer hatte, den Z�richer Iwan Wirth. Auch wenn man Flick abnimmt, dass er keine finanziellen Interessen mit seiner Kunst verfolgt � Wirth tut dies sehr wohl, schon berufshalber. Er gilt als enger Freund des Sammlers und schrieb 1997 mit Stefan Banz das Konzept f�r die Kollektion, in dem Bruce Nauman zu einer der Leitfiguren erkl�rt wird. Viele K�nstler der Galerie Hauser& Wirth sind in der Sammlung Flick sehr gut vertreten, die An- und Verk�ufe werden �ber sie abgewickelt.

�Letztlich ist es aber ganz gleich, ob Kunstwerke verkauft werden oder nicht�, sagt Lothar Binding, SPD-Abgeordneter im Bundestag. �Steuern sind in jedem Fall f�llig.� Binding hat das deutsche Au�ensteuerrecht intensiv durchforscht und festgestellt, dass die Ausstellung der Flick Collection in Berlin nichts anderes bedeutet als die Betriebsst�ttengr�ndung einer ausl�ndischen Kapitalgesellschaft. Weil die Kunstwerke Flick nicht selbst geh�ren, sondern der Contemporary Art Ltd. auf Guernsey, handele es sich bei der Sammlung um Betriebsverm�gen. Dessen Vermehrung, auch wenn es nur um Buchwerte gehe, m�sse versteuert werden, sagt Binding. Er hat deshalb den Berliner Finanzsenator aufgefordert, der Contemporary Art Ltd. eine Steuernummer zuzuteilen. Schlie�lich sei es ungerecht, dass Kanzler Schr�der jene Unternehmen, die ins Ausland abwanderten, als unpatriotische Gesellen beschimpfe � w�hrend nun der Steuerfl�chtling Flick im Kanzleramt hofiert und seine Sammlung mit Staatsmillionen beg�nstigt werde.

Der eigentliche Grund f�r die vielen unwirschen Nachfragen der j�ngsten Zeit liegt allerdings tiefer � in der Familiengeschichte des Kunstkenners. �Die materielle Wertsteigerung ist ja nur das eine�, sagt Salomon Korn, der Vizepr�sident des Zentralrats der Juden in Deutschland. �Die ideelle Wertsteigerung wiegt viel schwerer.�

Flicks Gro�vater war Hitlers wichtigster R�stungsindustrieller und hatte in seinen Fabriken etwa 40000 Kriegsgefangene und KZ-H�ftlinge ausgebeutet. Von diesem blutig erworbenen Reichtum profitierte sp�ter der Enkel Friedrich Christian, der sich �ber 100 Millionen Mark auszahlen lie�, weitere Millionen erbte � und nicht die kleinste Summe in den Zwangsarbeiterfonds einzahlte.

Die Kritiker milder stimmen

Damit mochten sich viele Z�richer nicht abfinden: Als Flick in ihrer Stadt sein Museum plante, gab es laute Proteste, auch von K�nstlern wie J�rgen Flimm, Gy�rgy Konr�d und Christoph Marthaler. Emp�rt waren sie vor allem �ber einen Brief, den Flick 1997 an seinen Onkel Friedrich-Karl geschrieben hatte: Die Kunstkollektion werde, hei�t es da, �meinen Kindern und Nachkommen eine konstruktive und sinnvolle M�glichkeit zur neuen Identifikation mit unserem Namen aufbauen�; Ziel sei es, dass �der Name Flick auf eine neue und dauerhafte positive Ebene gestellt� werde. Der Historiker Thomas Buomberger sprach von �Ablasshandel�.

In Berlin wollte man von solchen Nebenabsichten nichts wissen. Die kritischen Stimmen blieben in der Minderheit, zumal sich Flick irgendwann auf den �ffentlichen Druck hin entschlossen hatte, in Potsdam eine Stiftung gegen Rassismus zu gr�nden. �Ich k�nnte mir vorstellen, dass dies meine Kritiker etwas milde stimmen wird�, sagte er damals der Neuen Z�rcher. Damit war f�r ihn offenbar der historischen Verantwortung Gen�ge getan, und f�hrende Politiker Berlins schlossen sich diesem Gef�hl dankbar an. Neuerdings aber wird das Rumoren lauter, selbst aus dem Ausland vernimmt man Kritik. Die amerikanische Holocaust-Forscherin Deborah Lipstadt beklagte vor ein paar Wochen in einem Brief an die deutsche Regierung die Rehabilitierung Flicks und merkte s�ffisant an, die Verschleierer der Geschichte seien oft schlimmer als die Verleugner. Auf eine Antwort wartet sie bis heute.

�Entscheidend ist, dass diese Sammlung mit Geld aus tr�ben Quellen gekauft wurde�, schlie�t sich Korn der Kritik an. �An der Kunst kleben die blutigen Fingerabdr�cke der Geschichte.� Nie habe sich die Familie Flick bem�ht, diese Geschichte aufzuarbeiten. Stattdessen suche man nun, auf dem Wege der Kunst ein �G�tesiegel der �ffentlichkeit� zu erlangen, und die Bundesregierung mache dies Spiel auch noch mit. �Das ist ein Projekt forcierter Normalisierungspolitik.�

Tats�chlich kann man sich dar�ber wundern, dass in der Ausstellung mit keinem Wort an den famili�ren Hintergrund des Sammlers erinnert werden soll. �Wir wollen Kunst und Politik klar voneinander trennen�, sagt der Kurator Blume. Und auch Wowereit w�nscht sich eine Vers�hnung mit der Geschichte, damit die �Verkn�pfung der gesammelten Kunst mit der Geschichte des Sammlers inhaltlich aufgehoben werden kann�.

Dass die Zwangsarbeiterschicksale in den Flick-Unternehmen nicht g�nzlich von der Flick Collection �berstrahlt werden, daf�r m�ssen nun Privatleute wie Armin Huttenlocher sorgen. Er geh�rt zu den Mitbegr�ndern des F�rdervereins Dokumentation Zwangsarbeiter, der in einer Parallelausstellung die Geschichte der Flicks ausleuchten will. Die Stadt wird dies Vorhaben nicht unterst�tzen, der Sammler, sagt sein Sprecher, w�rde gern helfen. In Wahrheit allerdings hat er bislang alle Einladungen des Vereins klar zur�ckgewiesen � mit dem Hinweis, er sei �ein in �ffentlichen Auftritten dieser Art nicht gerade ge�bter Mensch�. Dies gilt wohl aber nur f�r Auftritte, bei denen er auf skeptische Fragen treffen k�nnte. Einer Einladung zur Plauderei vor geladenem Publikum im Kanzleramt folgte er gern.

So fragt man sich verwundert, warum Flick ausgerechnet jene K�nstler besonders liebt, die nach den Schnittstellen von Politik, Geschichte und �sthetik suchen � wo er selber doch die Sph�ren strikt trennen will. �Das Kunstwerk steht f�r sich�, erkl�rt er sein Verhalten; seine Sammlung habe nichts mit seiner Familiengeschichte zu tun. Und Kulturministerin Weiss best�tigt ihn in dieser Auffassung, wenn sie behauptet, das Museum k�nne die Werke der Collection �in seine Arbeit so einbeziehen, wie wenn es eigener Museumsbestand w�re�. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Die Bilder und Skulpturen werden keineswegs mit den Best�nden der Berliner H�user frei durchmischt, vielmehr bekommen sie ein eigenes Haus und erscheinen dort unter Flicks Namen � als seine Werke und als sein Werk. Die Kunst ist nicht nur Kunst, sondern vor allem Teil einer Sammlung, deren Logik sie folgt. Und dessen Besitzer sie r�hmt.

(c) DIE ZEIT 07.04.2004 Nr.16

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Page last modified on May 31, 2005, at 12:03 AM