Selbstorganisierte (Neben-)Schauplätze

Ein Rundgang durch die Wiener »Off-Space«-Szene

 Christa Benzer

»Neue Räume – Neue Kunst?« titelte im Jänner dieses Jahres eine Veranstaltung im Wiener Depot, wo man mit einer Gesprächsrunde auf das verstärkte Aufkommen kleiner Ausstellungsräume und Projektinitiativen in Wien reagierte. Eingeladen waren Dana Charkasi, die ihre ehemalige »Plattform – Raum für Kunst« im letzten Jahr in eine Galerie umwandelte, Mario Grubisic, der Leiter der heuer zum zweiten Mal stattfindenden Viennabiennale, und die australische Künstlerin Marita Fraser, die gemeinsam mit Alex Lawler im zweiten Bezirk ein kleines Ausstellungslokal namens »bell street« betreibt. In der Diskussion stand die Frage im Zentrum, was an dem jeweiligen Ausstellungsraum überhaupt im »Off« wäre und was die Bezeichnung »Off Space« im Speziellen eigentlich meint. Als Neogaleristin, die ihre »Plattform« auf Wunsch der von ihre repräsentierten KünstlerInnen in einen kommerziellen Raum umgewandelt hat, war Dana Charkasi am »Off«-Status verständlicherweise nur noch begrenzt interessiert, während Mario Grubisic mit seiner selbst initiierten Low-Budget-Biennale die Dezentralisierung der Ausstellungsorte vorantreiben will und dabei nicht zuletzt auf den Hippness- und Eventcharakter von Off Spaces setzt: Neben Galerien wird die Viennabiennale auch heuer wieder über 30 Orte bespielen, die Kunstinstitutionen ebenso umfassen wie Ateliers, Lokale, »New Spaces« und diesmal auch den öffentlichen Raum. Der ohnehin sehr vagen Definition eines Off Space am nahesten kam Marita Fraser, die ihre Tätigkeit als Organisatorin von wöchentlich wechselnden Präsentationen mit den Worten »unabhängig«, »nicht-kommerziell« und »temporär« beschrieb und so die Diskussion zumindest in die Nähe eines institutionskritischen Diskurses brachte. Ausschlaggebend für die Eröffnung eines eigenen Präsentationsraumes war aber auch für sie viel weniger der Widerstand gegen die etablierten Institutionen als die Ergänzung der offenbar immer enger werdenden Distributions- und Präsentationssysteme von Kunst. Dass dieser Ansatz als kleinster gemeinsamer Nenner die vielen unterschiedlichen neuen Initiativen miteinander verbindet, zeigte sich auch bei einem Ausstellungsrundgang (die Ziffern vor den Namen bezeichnen die Wiener Bezirke), der nur eine Auswahl der jüngsten Initiativen erfasst.

2., bell street project space

Seit 2006 betreiben Marita Fraser und Alex Lawler in einem kleinen Gassenlokal im 2. Bezirk ihren temporär angelegten Projektraum, der programmatisch auf die »internationale Vernetzung von in Wien lebenden KünstlerInnen« hin ausgerichtet ist. Die Auswahl der beiden Zobernig-Student Innen? ist dabei wie in jedem anderen Project Space stark personengebunden und weist deswegen auch eine hohe Dichte an Zobernig-Studierenden und künstlerischen Auseinandersetzungen mit konzeptuellen Fragestellungen auf. Neben Einzel- und Gruppenausstellungen, die unter anderem aus Austauschprojekten hervorgegangen sind, wurden in den letzten beiden Jahren auch befreundete KünstlerInnen als Gastkurator Innen? geladen. Weit entfernt vom Schick des Selbstgestrickten setzt man auf professionelle Präsentationen von jungen KünstlerInnen und bleibt damit offenbar auch für diejenigen Kunstschaffenden interessant, die bereits in Wiener Galerien und anderen Kunstinstitutionen (unter anderem Gilbert Bretterbauer, Volker Eichelmann, Sonia Leimer, Nadim Vardag, Lone Haugaard Madsen) ausgestellt haben. http://www.bellstreet.net

2., Open Space – Zentrum für Kunstprojekte

Der von Gulsen Bal Anfang des Jahres eröffnete »Open Space« gehört zu den jüngsten »nicht-kommerziellen« Ausstellungsräumen der Stadt. Er ist in einem kleinen Souterrain-Raum in der Taborstraße untergebracht und hat sich zur Aufgabe gestellt, die mit der europäischen Erweiterung einhergehenden Veränderungen und Neuordnungen in Ausstellungen, Vorträgen, Screenings und Podiumsdiskussionen kritisch zu beleuchten. Zudem hat man sich laut Website das ambitionierte Ziel gesetzt, als ein Forum zu fungieren, das über diverse Austauschprogramme auch neue Formen interkultureller Kooperationen initiiert, die über den kleinen Raum abgewickelt werden sollen. Noch ist die Entwicklung dieser langfristig anvisierten Ziele kaum absehbar, aber dafür hat die engagierte Leiterin seit Jänner 2008 bereits zwei Ausstellungen realisiert: »The Temporary Zones« versammelte mit den Arbeiten von Ergin Çavusoglu, Peter Mörtenböck & Helge Mooshammer und Nada Prlja drei künstlerische Projekte, entlang derer sich die politische Programmatik des Raumes sehr schön ablesen ließ. Denn erstens umfasste Europa mit der Arbeit von Ergin Çavusoglu in der Ausstellung ganz selbstverständlich auch die Türkei, und zweitens wurden mit den Arbeiten globalisierte Abläufe fokussiert, die von den konfliktreichen Neuordnungen in Kroatien bis hin zum Boom der Schwarzmärkte in Moskau reichten. Mit der von Gastkurator Juraj Carny konzipierten Ausstellung »Interface« ging in dem jungen »Zentrum für Kunstprojekte« die zweite Präsentation künstlerischer Arbeiten zwar erst kürzlich zu Ende; durch den spezifischen geografischen und gesellschaftspolitischen Fokus hat Gulsen Bal innerhalb der Wiener Projektraum-Landschaft aber schon jetzt eine wichtige Lücke gefüllt. http://www.openspace-zkp.org/

4., dreizehnzwei

Nachdem David Komary den Betrieb seines nichtkommerziellen Ausstellungsraums Anfang des Jahres eingestellt hat, sei hier zumindest auf seine Kataloge verwiesen. Als wesentlicher Aspekt seiner Ausstellungsstrategie erschien seit 2003 zu jeder Ausstellung eine kleine Publikation, die die Arbeiten der von ihm meist in thematischen Gegenüberstellungen präsentierten KünstlerInnen in einen diskursiven Kontext einbettete und mit Abbildungen dokumentierte. Neben bildenden KünstlerInnen präsentierte David Komary in seinem slicken White Cube auch die Arbeiten von Filmemacher Innen?, MedienkünstlerInnen und Musiker Innen?, mit denen er die Ausstellungen in enger Zusammenarbeit entwickelte. http://www.dreizehnzwei.cjb.net

6., swingr – Raum auf Zeit

Von einer mehrköpfigen Gruppe junger KünstlerInnen als »Kommunikations- und Ausstellungsplattform« initiiert, wurde der Institutionalisierung des Ortes schon mit dem Namen »Raum auf Zeit« entgegengewirkt. Mittlerweile sind einige der Initiator Innen? an der Programmgestaltung auch nicht mehr beteiligt, aber dennoch werden seit der Eröffnung im April 2006 noch immer regelmäßig Ausstellungen präsentiert. Dass großer Bedarf nach Ausstellungsräumen besteht, spiegelt sich schon in dem alternierenden Ausstellungskonzept: Beide Räume der ehemaligen Werkstatt werden nämlich insofern laufend genutzt, als dass in dem einen Raum eine Ausstellung aufgebaut wird, während man in dem anderen eine Ausstellung präsentiert. Am Eröffnungsabend überschneiden sich dann mit einer Vernissage und einer Finissage genau jene zwei Termine, an denen ein Off Space in der Regel sein Publikum hat. Trotz der Konzentration auf Einzelpräsentationen – mittlerweile auch durch eine Publikation dokumentiert – stellte man im März 2008 mit einem von Stefan Glettler und Bernhard Rappold organisierten Ausstellungsprojekt mit Häftlingen der Justizstrafanstalt Hirtenberg hinsichtlich der künstlerischen Ausrichtung auch Offenheit unter Beweis. http://www.swingr.be.tt/

7., Salon für Kunstbuch

Wie alle anderen Projektraum-Betreiber Innen? verfügt auch Bernhard Cella in seinem »Salon für Kunstbuch« über sehr wenig Raum. Noch werden die von ihm ausgewählten Kunstbuch-Projekte zwar sehr großzügig präsentiert, aber weil das Prinzip seines Salons ein anwachsendes ist, werden sich die Regale wohl bald mit ausgewählten Kunstbüchern füllen. Zu diesen zählen unter anderem frühe Ausstellungskataloge von Fabrice Hybert oder Bas Jan Ader, eine um 29 Euro zu erwerbende Ausstellungsedition von Lucy Mc Kenzie? und viele andere Fundstücke, die es vor allem durch Stöbern und Schmökern zu finden gilt. Im Austausch mit internationalen Kunstinstitutionen nimmt Bernhard Cella zudem deren aktuelle Ausstellungskataloge und Publikationen in Kommission, die wie alle anderen Bücher auch käuflich zu erwerben sind. Kunsttheorie bildet derzeit mit einer kleinen Auswahl von Büchern (unter anderem Sabeth Buchmann, Alain Badiou) noch eine Nische, aber dafür werden diese wie im Fall von Sabeth Buchmanns »Denken gegen das Denken« im Rahmen des Veranstaltungsprogramms manchmal auch von den Autor Innen? selbst präsentiert. http://www.ostblick.at

7., das weisse haus

Geht man davon aus, dass ein Off Space unabhängig und strukturell experimentell angelegt sein sollte, fiele »das weisse haus« aus dieser Liste heraus. Es befindet sich in einem von einem Immobilienhändler zur Verfügung gestellten Haus, und der Ausstellungsbetrieb wird mit zusätzlichem Sponsoring finanziert. Dadurch kann man sich sogar eine In-Residence-Wohnung leisten, die internationalen KünstlerInnen und Kurator Innen? zur Verfügung steht. Dass der Ort dennoch an einen Off Space erinnert, mag mit den beiden Initiatorinnen, Alexandra Grausam und Elsy Lahner, zusammenhängen, die sich mit ihren kuratierten Projekten bislang eher in Off-Bereichen (siehe unten) bewegten. Für das Ausstellungsprogramm im weissen haus ist eine mehrköpfige Jury verantwortlich, die die KünstlerInnen aufgrund ihrer Einreichungen ausgewählt hat. Während die Eröffnungsausstellung Ende letzten Jahres von einigen spannenden künstlerischen Projekten (unter anderem Daniel Hafner, Judith Fegerl oder Christoph Weber) profitierte, fiel die (noch?) fehlende inhaltliche Ausrichtung in der zweiten Ausstellung jedoch ziemlich stark auf. http://www.dasweissehaus.at/

7., WOLKE 7

Um die »Konzeption, Entwicklung und Umsetzung innovativer Projekte im Bereich des lokalen Stadtteilmanagements und der Stadtentwicklung« ging es einer Reihe von interdisziplinär orientierten Wiener Büros, die sich 2002 zum Verein »Wolke 7« zusammenschlossen. Zwischen 2004 und 2006 haben sie im Rahmen eines mehrjährigen EU-Pilotprojekts in leerstehenden Geschäftslokalen in der Kaiserstraße mehrer Ausstellungen, ein Kurzfilmfestival, Hoffeste, Podiumsdiskussionen, Workshops und Vorträge organisiert. Um sowohl die maßgeblichen Organisator Innen? der öffentlichen Verwaltung als auch Kunstschaffende und Anrainer Innen? anzusprechen, wird auf vielen Ebenen agiert. In den Ausstellungen selbst werden jedoch weniger Fragen der Stadtentwicklung thematisiert, vielmehr soll durch die in den verschiedenen Gassenlokalen stattfinden Events eine Grätzel-Belebung bewirkt werden. http://www.wolke7.at/

8., Space Invasion

Die temporäre Belebung verschiedener Stadtviertel war auch das erklärte Ziel der Gruppe »Space Invasion«, die seit Frühjahr 2006 leerstehende Orte mit jungen künstlerischen Projekten bespielt. Nach einem Geschäftslokal in der Nähe des Südbahnhofs und einer kleinen Passage am Bauernmarkt im ersten Bezirk werden derzeit die Räumlichkeiten der ehemaligen Portierwohnung im Volkskundemuseum von den beiden Kurator Innen? Herbert Justnik und Elsy Lahner für drei Einzelpräsentationen genutzt. http://www.spaceinvasion.at

15., Galerie aRtmosphere

Seit ihrer Gründung im Jahr 1999 hat die Galerie aRtmosphere weniger durch Ausstellungen als durch Vorträge von feministischen Künstlerinnen und Theoretikerinnen auf sich aufmerksam gemacht. Von unterschiedlichen Gruppen rund um die Initiatorin Manuela Schreibmaier wurde unter anderem ein Vortrag der Queer-Theoretikerin Judith Jack Halberstam, ein Screening der Videokünstlerin Emma Hedditch und die Präsentation der New Yorker KünstlerInnengruppe LTTR organisiert. Weil man die Vortragenden aus budgetären Gründen nicht selbst einfliegen kann, dockt man sich spontan an die Programme größerer Institutionen an und akquiriert das Publikum kurzfristig über Mundpropaganda. http://www.artmosphere-vienna.net/