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http://morgenpost.berlin1.de/content/2004/12/02/feuilleton/719815.html Berlin-Mitte trifft East Village NYEine Ausstellung zu Kunst und Stadtraum Von Gabriela Walde Die Städte verändern sich rasant. In "Shrinking Cities" lotsten die Kunstwerke (KW) erst kürzlich die Besucher durch Grafiken, Zahlenkolonnen und historische Dokumentationen, daß die Augen vor Bildermacht zuckten. Nun wird wieder nachgedacht in den KW: "Jetzt und zehn Jahre davor" lautet der Titel der Ausstellung, die sich mit dem "Verhältnis von Kulturproduktion und Stadtentwicklung" beschäftigt. Das New Yorker East Village in den Achtzigern und Berlin-Mitte als Hot Spot der Neunziger stehen exemplarisch für die Aufwertung von Stadtvierteln durch Kunst, Bohème und alternative Lebenskonzepte. Gentrifikation heißt das Schlagwort dieser urbanen Auseinandersetzung. Und doch geht es vor allem um eines: um die alte Sehnsucht nach kreativer Improvisation, das heißt um künstlerische Nischenbesetzung, um Subkultur und Lebensgefühle, temporäre Galerien, um verschiedene experimentelle Rollenspiele. So erfährt man auf einem welligen Fototableau etwas über die zehnte Geburtstagsfeier des Kulturprojektes k77 in der Kastanienallee, blickt in feuchte, putzbröckelnde Zimmer mit großen Matratzen, vollgestopfte WG-Küchen und auf Fassadentransparente mit Sprüchen wie "Besetzen: keine Kunst!". Im Juni 1992 wurde das Haus von der Gruppe "Vereinigte Varben Wawavox" in einer Kunstaktion besetzt. Die Gruppe wollte Leerstand beseitigen und Wohn- und Arbeitsraum für künstlerische Tätigkeiten schaffen, inspiriert von Beuys' Gedanken der "sozialen Plastik". Heute ist das Gebäude saniert, es leben dort 21 Erwachsene und fünf Kinder zusammen. Die Fassade des k77 fungierte als Informationsfläche zwischen Bewohnern, Passanten und öffentlichem Raum. Wer über diese Hintergründe allerdings nichts weiß, bleibt hilflos vor den Fotos stehen. Dabei ist der Geist des Besuchers willig. Er versucht, alle Ausstellungsstationen zu studieren, quält sich durch Fotos, Diazirkulationen, Videoinstallationen, alte Flügeltüren und Schautafeln. Doch er wird bald merken: zu spröde, zu unsinnlich, zu kontextlos bleibt das Ganze, auch wenn einzelne Arbeiten durchaus interessant sind. Die Bewertung fehlt. Wo bleibt die politisch-kritische Aufarbeitung, die die Ausstellung ankündigt? In einem Video wird über das legendenumwobene Tuntenhaus in der Mainzer Straße berichtet, das 1990 geräumt wurde. Da ahnt man, worum es geht: im "Neuen Berlin" übernahmen Immobilienhaie langsam die letzten Nischen, die noch Freiraum versprachen. Die Schau ist da gut, wo sie direkt Geschichte in einzelnen Kunstwerken als Erinnerung transportiert. Wie Wolfgang Tillmans mit seiner Großfotografie vom U-Bahnhof Samariterstraße, dort, wo der Hausbesetzer Silvio 1992 von Neonazis ermordet wurde. Oder die "Revolutionsfahrräder" gegen "Faschismus und Krieg" von Rupert Altenburger, typische, rauhe Nachwende-Skulpturen im öffentlichen Raum Berlins. Freilich hat sich Mitte und mit diesem Bezirk die Auguststraße verändert, nach und nach zogen hier die Kreativen ein, unter ihnen Architekten, Designer und die etablierten Galerien. Das Image wuchs. Heute sind viele dieser Galerien Richtung Zimmerstraße oder Jannowitzbrücke gezogen. Das ist der Gang der Zeit. Die Bohème ist nun anderswo. Kunstwerke, Auguststraße 69, Mitte. Tel.: 243 45 90. Bis 9. 1., Di-So 12-18 Uhr |