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URL: http://www.fr-aktuell.de/ressorts/kultur_und_medien/feuilleton/?cnt=470243

Flugzeugträger Kunst

Berliner Ortstermin: Die "Friedrich Christian Flick Collection"

VON THOMAS MEDICUS

Weit gähnt das Berliner Sommerloch. Zur Begehung der Rieckhallen hinter dem Hamburger Bahnhof, wo am 21. September die Flick Collection eröffnet wird, war dennoch mächtig Auftrieb. An die hundert Journalisten kamen der Einladung Klaus-Dieter Lehmanns nach, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Schwarze Limousinen, dunkle Anzüge, Blitzlichter, wichtig, wichtig. Mitten in der Sommerpause war Berlin angesichts von Sensation und Skandal gewohnt hektisch-hysterisch.

Das Ausstellungsgebäude des Hamburger Bahnhofs und die Rieckhallen würden durch eine Brücke verbunden, so Lehmann, "wären Sie gestern gekommen, wären Sie im Sumpf gestanden." Dort gar nicht erst hineinzugeraten, schien angesichts der jüngsten Diskussion um Flick - "Blutgeld", "Göring Collection" - Zweck der Einladung. Sekundiert wurde Lehmann dabei von Peter-Klaus Schuster, Generaldirektor der Staatlichen Museen, Eugen Blume, Direktor des Hamburger Bahnhofs sowie dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit.

Industriecontainer Bescheidenheit lautete die Parole, in Berlin keine leichte Sache, wo fast jedes Understatementunweigerlich auf das Gegenteil hinausläuft. Nicht monumental gehe es in den Rieckhallen zu, so Architekt Kühn, vielmehr halte man es mit einer der "Kunst dienenden, technisch optimierten Hülle", einem "Industriecontainer" ohne "repräsentatives Umfeld". Auf 250 Meter Länge sind fünf bis zu 740 Quadratmeter große Hallen entstanden, deren Trapezblechfassade insgesamt 13 000 Quadratmeter birgt, in wechselnden Ausstellungen werden im Lauf von sieben Jahren 2 000 bis 2 500 Sammlungsobjekte gezeigt. Wie sich dieser Flugzeugträger der Gegenwartskunst am Ende präsentieren wird, bleibt abzuwarten. Bei der Begehung machten die einzelnen mit Oberlicht versehenen, recht schmalen Hallen mit einer Höhe von 4, 80 bzw. 6, 30 Metern keinen weitläufigen Eindruck. Das mag sich ändern, wenn erst einmal die ganze Fülle der Sammlung präsent ist. Erst dann wird auch Gelegenheit sein, die von den Verantwortlichen als exzellent beschworene Qualität der Flick-Sammlung endgültig zu beurteilen.

Für den "Regierenden" ist der Erfolg keine Frage. Die Ausstellung, so Wowereit, sei nicht nur in Deutschland und Europa einmalig, sondern "in der Welt". Peter-Klaus Schuster, gehsicher auf Berliner wie internationelem Kunstparkett, freute sich bereits darauf, dass, wenn im September Mo Ma? ende, Flick gleich anschließe, "ohne Glanz, bescheiden und low budget".

An der Vergangenheit führte auch gestern kein Weg vorbei. Klaus-Dieter Lehmann bestritt erneut einen direkten Zusammenhang zwischen den Kunstwerken und der Familiengeschichte Flick, hob die Zustimmung durch Heinz Berggruen wie des Zentralrates der Juden in Gestalt von dessen Vorsitzenden Paul Spiegel hervor. Anspruch auf "Glaubwürdigkeit" und "Unabhängigkeit" bestimmten die Ausführungen Lehmanns. Die Sammlung sei erstens von unabhängigen Kuratoren beurteilt worden, glaubwürdig mache sich das Unternehmen zweitens durch Berücksichtigung des durch den Namen Flick geweckten "sozialen Konfliktpotentials". Genau deshalb sei man eine doppelte Partnerschaft eingegangen.

In Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung käme es zwischen September dieses und Januar nächsten Jahres zu verschiedenen Veranstaltungen. Einer der Themenkomplexe etwa frage, ob es nach 1945 in Deutschland zu "einer unzureichenden Entnazifizierung" gekommen sei. Bis in den Juni 2005 gebe es überdies eine Vortragsreihe, die die Bedeutung der Sammler für die Staatlichen Museen Berlins in Vergangenheit wie Gegenwart untersuche. Zum Thema "Glaubwürdigkeit" vermeldete Lehmann schlussendlich eine kleine Sensation: im Auftrag des Preußischen Kulturbesitzes werde das Institut für Zeitgeschichte in München die Familiengeschichte des NS-Rüstungslieferanten Flick untersuchen und in noch nicht festgelegter Form öffentlich zugänglich machen. Jeder Ausstellungsbesucher erhalte überdies eine kostenlose Zeitung, in der Flick Rede und Antwort stehe.

Öffentlichkeit, Öffentlichkeit, Öffentlichkeit lautet offensichtlich das Rezept, mit dem die Ausstellungsmacher den geringsten Zweifel an der Redlichkeit wie am Aufklärungswillen ihres Projektes zerstreuen wollen. Einen Tag nach der Eröffnung wird eine Podiumsdiskussion mit Vertretern großer Museen, aus Politik und Kunst sowie den "Debattenteilnehmern" stattfinden. Ob dann Friedrich Christian Flick auf seine schärfsten Kritiker, Salomon Korn und Michael Fürst, Mitglieder im Zentralrat der Juden, treffen wird, ließ Lehmann offen. Dass die Ausstellungshalle ab sofort Friedrich Christian Flick Collection statt wie bisher Flick Collection heiße, und diese Änderung auf Wunsch der Geschwister des Sammlers erfolge, konnte er hingegen bestätigen.

[ document info ] Copyright © Frankfurter Rundschau online 2004 Dokument erstellt am 13.07.2004 um 16:56:03 Uhr Erscheinungsdatum 14.07.2004

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