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Flick, der Kunstheld

Die Museen sitzen in der Falle. Sie wollen nicht nur das Längstbewährte ausstellen, die Kunst der großen und verblichenen Meister. Auch die Jungen will man zeigen. Doch fehlt das Geld, um einen Gursky oder Rauch zu kaufen. Und so kann man von Glück sprechen, dass reiche Sammler einspringen und ihre Schätze der Gegenwart in die Kunsthallen tragen. Allerdings ist dies Glück nicht ungetrübt. Viele Sammler verlangen Einfluss und Ehrerbietung, sie drängen die Direktoren an den Rand und verbitten sich kritische Einwände und Nachfragen.

Auch Friedrich Christian Flick, Enkel des großen Rüstungsindustriellen, der viele tausend Zwangsarbeiter schändlich ausbeutete, wurden die Türen weit aufgetan. Ohne Bedenken nahm die Stiftung Preußischer Kulturbesitz das Angebot des Sammlers an, seine Kunst von September an in Berlin auszustellen. Man war froh, den Sammler in der Stadt zu haben, und wollte von Moral und Geschichte und von der unheilvollen Symbolkraft des Namens Flick nichts wissen. Schweigen herrschte.

Doch jetzt hagelt’s plötzlich Kampfbegriffe, von Blutgeld ist die Rede, vom Fluch des Namens, von Kriminalisierung. Vor allem Salomon Korn, der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Juden, erinnert an die dunkle Herkunft der Werke: „An der Kunst kleben die blutigen Fingerabdrücke der Geschichte“ (ZEIT Nr. 16/04). Deshalb müsse der Sammler, so Korns jüngste Forderung, seine Werke unverzüglich zurückziehen.

Natürlich verbittet sich Flick alle Ratschläge. Dass die Sammlung in Sippenhaft genommen werde, dafür habe er kein Verständnis, sagt er. Die Kunst sei die Kunst, und seine Familiengeschichte sei seine Familiengeschichte – das müsse man streng trennen.

Ja, wenn er es nur täte. Leider handelt Flick anders, als er spricht. Es gehe ihm nicht um seine Person, sagt er, sondern allein um die Werke, die endlich der Öffentlichkeit gezeigt werden sollten. Doch ist dies nur die halbe Wahrheit, denn zugleich verfolgt Flick auch eine private Absicht: Er möchte mit der Ausstellung „der dunklen Seite meiner Familiengeschichte eine hellere hinzufügen“. Er belegt deshalb die Bilder und Skulpturen mit seinem Namen, lässt sie als Flick Collection vermarkten – und unterläuft so die selbst gesetzte Grenze zwischen Kunst und Familiengeschichte.

Etwas anderes wäre es gewesen, wenn Flick seine Sammlung den Museen zur freien Verfügung gestellt hätte. Diese hätten die schönsten Ausstellungen arrangieren können, frei kombiniert mit eigenen Beständen. Das aber will Flick nicht. Er möchte als Sammler hofiert werden, wie alle Sammler heute hofiert werden. Statt deren Schätze sinnvoll in die Museen einzugliedern, baut man ihnen stolze Häuser und betreibt unverdrossen Heldenverehrung.

Mehr noch als den eigennützigen Hintergedanken des Sammlers muss die Kritik also den Berliner Museen gelten. Ohne Zögern haben sie das fragwürdige Geschenk akzeptiert, ohne Not spielen sie nun Flicks Spiel, in dem es angeblich nur um Kunst geht, das aber unweigerlich den Sammler feiert. Und dessen Familiennamen.

Hanno Rauterberg

(c) DIE ZEIT 27.05.2004 Nr.23

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