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Kuratorenmacht

11. Mai 2004 Adrienne Göhler, kurzzeitig Kultursenatorin in Berlin, sodann auf der Suche nach anderen Einflußmöglichkeiten erfolgreich als Kuratorin beim opulent ausgestatteten Hauptstadtkulturfonds gelandet, ist empört. Sie, die bisher unangefochtene Herrin über mehr als zehn Millionen Euro (im Jahr), soll sich jetzt kontrollieren lassen. Sie behandelt den Fall als Einmischung in fremde Angelegenheiten, glaubt, nun säße gar außer der Kulturstaatsministerin und dem Berliner Kultursenator auch noch die "Opposition im Bundestag gedanklich mit am Tisch". Seit Wochen geht das hin und her, ein Machtkampf der besonderen Art, nur ist nicht ganz klar, worauf das Ganze zielt: auf die freien Künste, wie Frau Göhler behauptet, oder doch eher auf die Trennung von politischer Ebene und Fachjury, wie Christina Weiss argumentiert. Für Nichteingeweihte: Das Geld gibt der Bund, über die Auswahl der zu fördernden Projekte, die Glanz in die Hauptstadt bringen sollen, entscheidet eine politisch unabhängige Jury, der Adrienne Göhler vorsteht. Das soll auch so bleiben, "staatsfern" und "kunstnah". Ändern wird sich lediglich die Kontrollinstitution, in der Frau Göhler bisher eine von fünf Stimmen hielt. Eine ungewöhnliche Konstruktion, ohne Beispiel, weder in der Bundeskulturstiftung noch in ähnlichen Institutionen ist so etwas üblich. Daß Politiker verschiedener Parteien, Fraktionen, der Städtetag oder auch Ministerien ihre Vertreter in Stiftungsräte oder in Beiräte entsenden, um den Vorschlägen der Kuratoren zuzustimmen oder sie abzulehnen (was selten geschieht), gehört dagegen zur üblichen Praxis in einem demokratischen Staat. Die Kommission, nun nur noch vierstimmig, berät zudem über alles, was im Hauptstadtkulturvertrag steht: über das Jüdische Museum, die Akademie der Künste, die Opernreform. Trotzdem ging ein Aufschrei durch die Szene. Die Lobby der Zuwendungsempfänger und Fördergeldspezialisten spricht von Mobbing, von stiller Machtübernahme durch den Staat, der bestimmen wolle, was Kunst sei und was nicht. Die "taz" spricht gar vom "Aufstand der Unbotmäßigen" und berichtet von "Unterstützung für Adrienne Göhler weltweit". Die Liste der eingesammelten Unterschriften ist lang, wer sich in Berlins Kulturförderdschungel etwas auskennt, wird viele vertraute Namen entdecken. Die "Staatskunst", so wird geraunt, bedrohe den freien Geist der Avantgarde, deren weite Schwingen nun Christina Weiss und Thomas Flierl beschneiden könnten, so oft sie nur wollten. Ein Stück aus dem Tollhaus, möchte man meinen. Während andernorts Kulturdezernenten um die Rettung ihrer Museen, Theater, Orchester und Ausstellungshäuser kämpfen, bellt in der Hauptstadt am lautesten der Hund der mächtigen Kuratorin. Ohne mich, so die Botschaft, läuft hier nichts. Doch nicht die Künste stehen hier zur Disposition, sondern nur der Einfluß von Adrienne Göhler. Im Streit mit der Kulturministerin hat sie schon eines erreicht: Wann immer in Zukunft ein von ihrer Jury vorgeschlagenes Projekt hintangestellt wird, worauf der gepeinigte Zuschauer verblasener Hochstapeleien lieber nicht hoffen sollte, wird der Staat, dieser pingelige Geldgeber, der Schuldige sein.

Rh

Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.05.2004, Nr. 110 / Seite 37

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