Re Contruction Comparative Studies . . . . . . Hilfe |
15.05.2004 „Ich will die Verbrechen meines Großvaters nicht vergessen machen“ Friedrich Christian Flick antwortet auf den Vorwurf, mit seiner Kunstsammlung „Blutgeld“ aus der NS-Zeit reinzuwaschen Mit dem Vorwurf, „Blutgeld“ in Kunstbesitz verwandelt zu haben, hat Salomon Korn, Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, am 7. Mai im „Handelsblatt“ die ab September in Berlin geplante Präsentation der Kunstsammlung von Friedrich Christian Flick kritisiert. Flick, Enkel des Rüstungsindustriellen und NS-Wehrwirtschaftsführers Friedrich Flick, hat auf die Vorwürfe jetzt mit einem (hier leicht gekürzten) Brief an Korn geantwortet. Tsp --- Sehr geehrter Herr Korn, irritiert und schockiert habe ich Ihre Sätze im „Handelsblatt“ gelesen. Sie sind der Meinung, dass es sich bei meiner Sammlung „um eine Art moralische Weißwäsche von Blutgeld in eine gesellschaftlich akzeptable Form des Kunstbesitzes“ handelt. Blutgeld, Geldwäsche, Unmoral – das sind schon Vorwürfe, die unter die Haut gehen. Und es sind Vorwürfe, denen ich wohl entgangen wäre, wenn ich nicht Kunst gesammelt hätte, die ich der Öffentlichkeit präsentieren will, sondern Autos, Yachten oder Flugzeuge zum Privatvergnügen. Es sind Vorwürfe, die ich nicht hinnehmen will. Blutgeld – die Einführung dieses Wortes in die Debatte bedeutet ja, wenn man bis zum Ende denkt, dass ich Blut an den Händen habe. Mehr noch: Auch meine Kinder und Kindeskinder, jeder meiner Angestellten, der von mir Gehalt bezieht, und sogar der Kellner, dem ich ein Trinkgeld zustecke. Blutgeld – dieses Wort nimmt mich in Haft für Taten, die mein Großvater begangen hat, für die er in Nürnberg verurteilt wurde, für die auch ich ihn verurteilt habe, für die ich aber nicht schuldig gesprochen werden kann. Dieses Wort – so empfinde ich es – soll mich außerhalb der Gemeinschaft stellen, mich kriminalisieren. Man kann über mein Verhalten – auch darüber, dass ich nicht in den Zwangsarbeiterfonds einbezahlte, sondern stattdessen eine Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz gründete – unterschiedlicher Meinung sein. Aber warum diese wütende, vernichtende Wortwahl? Und: Ist die Stiftung nun auch blutbefleckt, weil mit Blutgeld finanziert? Ich habe in den Zwangsarbeiterfonds aus zwei Gründen nicht eingezahlt: Die Flick-Firmen hatten ihren Beitrag schon geleistet, waren zum Teil sogar Gründungsmitglieder des Fonds. Und eine Zahlung der Privatperson Flick hätte den Fonds nicht erhöht, sondern lediglich die Garantiezahlungen großer deutscher Konzerne um diesen Betrag gemindert. Wenn man meine Entscheidung, stattdessen eine Stiftung zu gründen,kritisieren will, kann man das tun, sollte die Beweggründe aber zumindest kennen. Ich nehme an, Ihre Empörung wird hauptsächlich von meiner Aussage gespeist, was denn falsch daran wäre, wenn die Ausstellung meiner Sammlung auch dazu führen würde, dass der dunklen Seite meiner Familiengeschichte eine hellere hinzugefügt wird. Das habe ich gesagt, und dazu stehe ich auch. Aber gerade wegen der Opfer der Gewaltherrschaft und deren Nachkommen habe ich immer betont, dass ich die Verbrechen meines Großvaters damit nicht relativieren oder gar vergessen machen will.Ich glaube allerdings, dass ich – vor allem mit der Arbeit meiner Stiftung – als Privatperson etwas anstrebe, was Deutschland als Staat seit über 50 Jahren anstrebt: besser zu sein als die Vergangenheit. Ein Staat übrigens, dem man, angesichts der Millionen von Zwangsarbeitern zu Kriegszeiten, ebenso wie mir vorwerfen könnte, heute noch mit „Blutgeld“ umzugehen. Natürlich ist mit dem Namen Flick eine besondere Verantwortung verbunden. Zumal der Einzelne die Verantwortung, die sich aus der Familiengeschichte ergibt, nicht auf die Gemeinschaft delegieren kann. Umgekehrt aber kann die Gesellschaft die Verantwortung, die sich aus der deutschen Geschichte ergibt, auch nicht auf Einzelne übertragen. Ich jedenfalls habe mich mit meiner Familiengeschichte beschäftigt. Ich weiß, was mein Großvater getan hat. Die Deutschen wissen, was die Deutschen getan haben. Aber die Enkel haben kein Blut mehr an den Händen. |