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Engagement und Image
Die Deutsche Bank will ihren Gesellschaftsbezug neu definieren
VON PETER MICHALZIK
CSR - "Corporate Social Responsibility" setzt sich als Fachausdruck für das freiwillige soziale und kulturelle Engagement, das ein Unternehmen eingeht, mehr und mehr durch. Aber ist mit dem neuen Begriff auch wirklich ein neues Denken verbunden? Wir wollen dem am Beispiel der Deutschen Bank nachgehen. alz
"Gesellschaftliche Verantwortung" nennt die Deutsche Bank einen ihrer Berichte über das Jahr 2003. Vom silbern gebundenen Geschäftsbericht unterscheidet er sich äußerlich nur durch den Titel und die bunte Banderole, auf der Sir Simon Rattle, Kinder aus einem SOS-Kinderdorf und eine Museumsszene zu sehen sind. Eine solche Broschüre zur "Gesellschaftlichen Verantwortung" liegt jetzt zum zweiten Mal vor. Gemeint sind damit die Ausgaben für nicht unmittelbar auf Gewinn gerichtete Tätigkeitsfelder, soziales und kulturelles Engagement also. Früher sprach man von Spenden oder "Sponsorship". Letzteres war damals eher eine Sache des Marketings, sagte Tessen von Heydebreck, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, bei einer Pressekonferenz vor ein paar Wochen, bei der auch die neue Broschüre überreicht wurde. Noch früher sprach man von "Mäzenatentum". So mag mancher Etikettenschwindel wittern, wenn jetzt aus schlichtem Sponsoring "Gesellschaftliche Verantwortung", oder besser noch "Corporate Social Responsibility" (CSR), so der sich seit ein paar Jahren in der Wirtschaftswelt durchsetzende Begriff, geworden ist. Aber das wäre zu kurz gedacht: Weiter kommt man, wenn man es sich zunächst so vorstellt, dass die Bank das Gefühl (jawohl, das Gefühl!) hat, dass sie etwas tun muss, aber bis heute noch nicht so richtig weiß, was das sein könnte. CSR - die neuen Worte eröffnen ein Feld, auf dem man sich sukzessive auf einen neuen Entwurf von sich selbst zubewegen kann.
Dass Selbstvergewisserung und Imagekorrektur für die Deutsche Bank dringend geboten sind, überrascht niemanden. Ungefähr zeitgleich mit Deutschland musste die Deutsche Bank erleben, wie sie auf globales Mittelmaß zurückfiel. Woran die Deutschen sich jahrzehntelang gewöhnt hatten, selbst wenn sie die Deutsche Bank misstrauisch ansahen, ist vorbei: die Zeiten, als sie eines der größten Geldhäuser der Welt war, der Inbegriff der Deutschland AG. Dazu kommen der "Selbstbedienungs"-Prozess, den von Heydebreck bei der Pressekonferenz nur "das Geschehen da in Düsseldorf" nannte und der ihn jetzt dazu veranlaßsse, die Staatsanwaltschaft zu kritisieren. Die offensichtlichen Probleme der Deutschen Bank mit ihrer Rolle beim Börsengang der Post lassen ebenfalls auf eine unbewältigte Identitätskrise schließen. Außerdem kommt die Deutsche Bank nur schwer damit klar, dass sie globaler werden, aber deutsch bleiben muss.
Seriöser Dialog
Wenige Konzerne veröffentlichen die Gesamtaufwendungen, mit denen sie ihrer "gesellschaftlichen Verantwortung" gerecht werden wollen. Die Deutsche Bank gehört dazu. Aber so eine Pressekonferenz, wo ein Vorstand wie bei einer Bilanzpressekonferenz über die Aktivitäten berichtet und Rede und Antwort steht, gab es noch nicht. Da steht man schnell am Pranger der Frage: Haben Sie genug getan? Knapp 68 Millionen haben sie "in die Gesellschaft investiert", das kann man für viel, das kann man für wenig halten. Aber die für Image und Intelligenz des Engagements wichtigere Frage ist doch, wofür das Geld ausgegeben wird. "Wir wollen in einen seriösen Dialog mit den Kunden treten", sagt von Heydebreck dazu. Irgendwie scheint die Bank also verstanden zu haben, dass sie etwas von der Gesellschaft bekommt und dass sie in ihrem eigenen Interesse davon etwas zurückgeben sollte. Sie weiß nur nicht genau, was das sein könnte, damit sie dann auch so wahrgenommen wird, wie sie es gerne hätte. Stehen sich Engagement und Image selbst im Weg?
Seit ein paar Monaten leitet Frank Trümper den Bereich CCA, "Corporate Cultural Affairs", den der Vorstandsvorsitzende Josef Ackermann bei seinem Amtsantritt vor zwei Jahren gegründet hat. Trümper teilt den Eindruck, dass die Bank nicht genau weiß, wie sie sich orientieren soll, zwar nicht, kann ihn aber gut nachvollziehen. "Das hat drei Gründe. Erstens ist CSR ein sehr neues Thema. Vor fünf Jahren wusste mit CSR noch niemand etwas anzufangen, da unterscheiden wir uns nicht von unseren Peers. Dann ist unser Unternehmen naturwüchsig heterogen. Wir haben ganz unterschiedliche Kulturen im Haus, amerikanischen Liberalismus ohne Wohlfahrtsstaat, angelsächsischen Liberalismus kombiniert mit dem Wohlfahrtsstaat, und das kontinentaleuropäische Modell. Und drittens fällt es anderen Unternehmen, egal ob sie Waschmittel oder Turnschuhe produzieren, viel leichter, ihr Geschäft mit gesellschaftlichem Engagement zu verbinden, zum Beispiel für die Umwelt oder gegen Kinderarbeit." Letztlich geht es also vor allem darum: Die Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung muss mit den Geschäftsfeldern in einer engen, nachvollziehbaren Beziehung stehen.
Dass sich das doch auch bei der Deutschen Bank quasi von selbst ergebe, dass Kompetenz und Intelligenz doch das Feld ist, mit dem man die Bank am ehesten verbindet oder verbinden möchte, und dass da das große Thema, das sich wie von selbst aufdrängt, die Bildung ist, reagiert Trümper angesichts des breit diversifizierten Engagements der Bank überraschend zustimmend. Zwar habe jede Führungskraft eine andere Vorstellung davon, wo sich die Bank engagieren müsse. Zwar sagen sie zum Beispiel beim "Private Wealth Management" - da geht's um "Kunden mit sehr komplexen Vermögen", dazu gehören auch Stiftungen - die Bank solle sich natürlich auf die Kunst konzentrieren. Zwar sei das alles in der Bank auch ein Ringen um Ressourcen. "Über die Jahre gewachsene Förderungen kann man nicht von heute auf morgen ändern. Aber, ja, Bildung wird mittlerweile ganz groß geschrieben. Das ist ein dominanter Focus des Engagements", sagt Trümper. "Eigentlich müsste der Spruch der Finnen, Keiner darf verloren gehen, der Slogan aller Unternehmen sein."
Vergegenwärtigt man sich, dass das Image der Deutschen Bank jahrzehntelang durch das Engagement bei Bildender Kunst und Musik bestimmt war, zeichnet sich nun ein echter Wandel ab. Man stellt sich Fragen wie: Lässt sich das Engagement für die Musik auch sonst so gestalten, wie das bei den Berliner Philharmonikern geschieht, wo das Geld, das die Deutsche Bank ausgibt, in ein Ausbildungsprogramm für Kinder und Jugendliche gesteckt wird? Als Ende letzten Jahres die Asia-Foundation gegründet wurde, meinten alle Mitarbeiter vor Ort, sie müsse sich um Gesundheit kümmern. Das sei das Thema. Heraus kam dann ein Ausbildungsprogramm für Aidswaisen. Und dass die Deutsche Bank in einem Pakt für Ausbildung zusätzlich 110 Azubis eingestellt hat, rechnet Trümper ebenfalls der neuen Richtung zu.
Wille zum Stolz
Deutet sich hier ein wirklicher Wandel an? Letztes Jahr, als auch die Deutsche Bank Entlassungen für nötig hielt, gab es eine Umfrage zum gesellschaftlichen Engagement der Bank unter den Mitarbeitern. In dieser Umfrage kommen Ergebnisse vor, die sie seitdem beschäftigen, die aber nicht nach außen gegeben werden. Etwa wie die Mitarbeiter das gesellschaftliche Engagement der Bank einschätzen. Anderes wird veröffentlicht: "Ich bin stolz, dass die Deutsche Bank Verantwortung in der Gesellschaft übernimmt und eine Reihe von Projekten unterstützt", war einer der Sätze, zu dem 6000 Angeschriebene Stellung nehmen sollten. 1262 antworteten. Nur sechs Prozent waren der Meinung, dass es ihnen egal ist, was die Bank unterstützt. Aber genau zwei Drittel der Befragten wollten unabhängig vom Ertrag des Unternehmens genau darauf stolz sein, sie wollen, dass ihre Bank sowohl langfristige Engagements eingeht als auch kurzfristig reagiert.
Das gab zu denken und kontrastierte mit einem anderen Ergebnis. Bei einer Untersuchung unter Endverbrauchern der Deutschen Bank in Deutschland ergab sich ebenfalls, dass CSR für den "brand impact" (den Einfluss auf die Wahrnehmung der Marke) eine hohe Bedeutung hat. Nur das Vertrauen, das eine Bank genießt, ist wichtiger. Dass aber ihr Engagement für das Image der Deutschen Bank bisher keine Rolle spielt, treibt die Bank um: "Wir werden nicht dafür wahrgenommen, obwohl wir doch so viel tun!" Wir tun etwas, der Kunde bekommt es nicht mit, da muss sich etwas ändern. Es erinnert an die Bundesregierung und deren vielzitierte "Vermittlungsprobleme".
Hinzu kommt eine Tendenz, die sich seit ein paar Jahren abzeichnet. Ratingagenturen und Analysten interessieren sich für das Thema CSR. In der amerikanischen Finanzwelt ist es seit etwa zehn Jahren ein Thema. Es werden Fragen gestellt wie: Ist Nachhaltigkeit mit dem Unternehmenenserfolg korreliert? Die Antwort scheint: Ja! Unternehmen, um deren soziales Engagement es schlecht bestellt ist, haben auch weniger Erträge. Trümpers Kollege Hanns Michael Hölz, zuständig für Sustainability und Microfinance, wird immer wieder von Analysten eingeladen. Die interessiert dann zum Beispiel, ob ein Unternehmen auch gegen reputationelle Risiken, wie sie etwa Shell erlebte, abgesichert ist.
Während der Pressekonferenz sagte Tessen von Heydebreck es so: "Im Dow Jones werden auch CSR-Aktivitäten geratet. Das unterstreicht, dass es ein Business-Case ist." Jetzt muss man also nur noch etwas an der Sprache arbeiten, dann sollte auch mit dem Dialog klappen, den er erhofft. Und das wäre doch in beiderseitigem Interesse. Auch das Land hätte etwas davon, wenn sich einer seiner Leuchttürme bei einem zentralen Zukunftsthema, der Bildung, endlich intelligent und kreativ engagieren würde. Und den Imagegewinn würde der Deutschen Bank dann sicher jeder gerne gönnen.
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Dokument erstellt am 09.07.2004 um 16:44:22 Uhr
Erscheinungsdatum 10.07.2004