Im Wolken- Guggenheim

Spätestens am 12. Dezember war die Sache gelaufen: Als an jenem Tag Bürgermeister Michael R. Bloomberg der Öffentlichkeit sein städtebauliches Konzept „New York City´s Vision for Lower Manhattan“ vorstellte, war auf den Planskizzen schon nichts mehr von jenem Gebäude zu sehen, das noch vor gut zwei Jahren als „einzigartiger architektonischer Solitär“ gefeiert wurde. Einen Tag vor Jahresende verkündete nun der Direktor der Guggenheim-Stiftung, Thomas Krens, ganz offiziell: Das von Frank Gehry geplante Guggenheim-Museum am East River, auf drei Piers südlich der Brooklyn Bridge gelegen, wird definitiv nicht gebaut.

Mit der Entscheidung, auf das prestigeträchtige 950-Millionen-Dollar- Projekt zu verzichten, das vier Mal so groß werden sollte wie Frank Lloyd Wrights spektakuläre Guggenheim-Spirale an der Fifth Avenue, hat die Guggenheim-Krise ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Er war schließlich unausweichlich. Schon das ganze Jahr über jagte eine Hiobsbotschaft die nächste (SZ vom 19.Dezember): Rund sieben Millionen Dollar beträgt das Defizit im aktuellen Geschäftsjahr, fast die Hälfte des Personals wurde bereits entlassen. Krens entschied außerdem, Kunstwerke im Wert von mehr als 15 Millionen Dollar zu verkaufen. Von Guggenheim-Kuratoren organisierte Ausstellungen haben mangels finanzieller Mittel nicht mehr in New York ihre Weltpremiere, sondern in diversen Partnermuseen: Matthew Barney in Köln, Malewitsch in einigen Tagen in der von der Deutschen Bank am Leben gehaltenen winzigen Berliner Guggenheim-Filiale, James Rosenquist in der Menil Collection in Houston. Die mit Pomp eröffnete Guggenheim-Filiale in Las Vegas, ein Bau von Rem Koolhaas, wurde zum Jahreswechsel geschlossen; von den Kooperationen mit der Eremitage und dem Rijksmuseum spricht niemand mehr. Ausstellungen von Motorrädern und den Kleidern von Präsidentengattinnen zogen nicht die erwarteten Massen an.

All dies nun ausschließlich auf den Besucherrückgang nach dem 11. September 2001 zu schieben, wäre falsch: Tatsächlich hat sich Thomas Krens mit seiner Idee vom weltumspannenden Kunstkonzern vergaloppiert: Wer auf zu vielen Hochzeiten tanzt, muss zu viele Musiker bezahlen. Krens´ Aufsichtsratsvorsitzender, der Versicherungsmillionär Peter B. Lewis, zog deshalb Anfang Dezember die Notbremse: Er drohte dem Direktor mit Entlassung, falls der den Haushalt 2003 nicht ausgleiche.

Der Verzicht auf den Gehry-Bau ist nun eine erste Reaktion darauf. Das von Hilmar Hoffmann vor einigen Jahren angstvoll beschriebene „Guggenheim- Prinzip“ hat sich somit als Rohrkrepierer erwiesen. Die von ihm prophezeite „McDonaldisierung der Kunstwelt“ funktioniert offenbar nicht. Was bleibt, ist auch für deutsche Kunstpolitiker ein Signal: Quantität und Populismus vermögen Qualität nicht zu ersetzen. Immer noch nicht.

skoh
  
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