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Schamoni: Majestät brauchen Sonne
Majestät brauchen Sonne
Ein Film von
Peter Schamoni
Sprecher: Mario Adorf, Otto Sander
BRD/NL 1999, 105 Min
Jochen Müter, http://www.satt.org/film/00_11_wilhelm_1.html schreibt:
Alle überschlagen sich. Alle jubilieren. So schreibt zum Beispiel "Neues Deutschland": "Filmmaterial, das die deutsche Geschichte dieses Jahrhunderts auf eine Weise erhellt, wie man es nicht für möglich gehalten hätte."
Fragt sich nur: Warum eigentlich? Knapp 1 1/2 Stunden sehen wir den Kaiser - hoch zu Roß, begleitet von trommelnden Garnisonen, auf seinem "Lieblingsschiff", im heimischen Garten, auf der Jagd, vor der Jagd, nach der Jagd. Jaja, er war der erste "Filmstar"! Erhellend daran ist eigentlich gar nichts. Eher langweilig. Und hätte der Herr Schamoni nicht an mancher Stelle des Filmes mit einem sehr merkwürdigen Brummeln die Mundbewegungen des großen Willi unterlegt, wäre dieser Film nicht mal amüsant. Die aufgebauschte Sensation, hier erstmalig noch nie gezeigtes Filmmaterial zu Gesicht zu bekommen, entpuppt sich als total unspektakulär: Wäre dieses Filmmaterial in irgendeiner Weise - auch geschichtlich - von Bedeutung, dann wären vor Herrn Schamoni schon cleverere Leute auf die Idee gekommen, es aneinanderzuschneiden.
Keine Frage: Wilhelm II an sich ist noch heute von enormer Bedeutung im Rückblick auf die deutsche Geschichte. Als Wegbereiter für den letzten Reichskanzler, den späteren GröFaZ, hat er sich wirklich "verdient" gemacht. Es war fast schon eine hohe Kunst, die mehr oder weniger ausgeklügelte Bündnispolitik Bismarcks in kürzester Zeit in Schutt und Asche zu legen und Deutschland in die Isolation zu führen. Vielleicht findet sich hier auch das einzige erhellende Moment des Filmes: Willi war so sehr mit Reisen und Auspannen beschäftigt, daß ihm eigentlich keine Zeit für wirkliches politisches Handeln blieb.
Dabei wäre es sehr leicht gewesen, dem Film eine tiefere Bedeutung zu verleihen. Ein paar ausgegrabene Bilder von Lothar von Trotha und seinem Kampf gegen die Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika um 1904 hätten Willis Prunksucht gleich in ein deutlicheres Bild gesetzt. Willi träumte von "Weltpolitik" - und leistete es sich, hunderttausende "unproduktive" Afrikaner zum Verdursten in die Omaheke-Wüste zu schicken. Das ist doch erhellend.
So bleibt ein Film für Fans monarchistischer Absurditäten. Als Sponsor wäre die Klatschzeitung GALA durchaus denkbar gewesen.
www.homepages.compuserve.de/WunderlichDieter/Schamoni_Wilhelm.htm#cont
Kaiser Wilhelm II. (1859 - 1941) folgte seinem nach 99 Amtstagen gestorbenen Vater Friedrich III. im Dreikaiserjahr 1888 auf den deutschen Thron. 1890 zwang er Bismarck zum Rücktritt und übernahm das "persönliche Regiment". Damit begann das Wilhelminische Zeitalter.
Der deutsche Kaiser verband eine preußisch-militärische Gesinnung mit romantischer Fantasterei. Wie ein Pfau präsentierte er sich der Öffentlichkeit, und seine peinliche Geschwätzigkeit brachte die Reichsregierung oft genug in Verlegenheit. Nicht nur den Kaiser störte es, dass die politische Stellung des Deutschen Reiches in der Welt seiner Wirtschaftmacht nicht zu entsprechen schien. Besonders in rechtsgerichteten Kreisen machte sich die Auffassung breit, das Deutsche Reich müsse sich gegen die älteren Weltmächte behaupten. "Wir wollen niemand in den Schatten stellen", sagte Fürst von Bülow 1897, "aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne."
Die deutsche Anmaßung gipfelte in der "Hunnen"-Rede, die Kaiser Wilhelm II. am 27. Juli 1900 in Wilhelmshaven hielt, als er dort das Expeditionskorps verabschiedete, das den Boxeraufstand in China niederschlagen sollte: "Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter König Etzel sich einen Namen gemacht haben, der sie noch jetzt in Überlieferung und Märchen gewaltig erscheinen lässt, so muss der Name Deutscher in China auf tausend Jahre durch euch in einer Weise bestätigt werden, dass niemals wieder ein Chinese es wagt, einen Deutschen auch nur scheel anzusehen."
Am 14. November 1906 klagte Reichskanzler von Bülow vor dem Reichstag über die "planmäßige Einkreisung" des Deutschen Reiches. Der am 5. März 1904 verstorbene preußische Generalfeldmarschall Alfred Graf von Waldersee hatte schon gemeint, das Deutsche Reich könne nicht überleben, wenn es seine Gegner nicht kurz entschlossen nacheinander vernichte ("wenn wir nicht laufend rechts oder links einen totschlagen"), ehe diese ihre Kräfte vereinten.
Das angespannte Verhältnis zur britischen Regierung vergiftete Kaiser Wilhelm II. durch ungeschickte und taktlose Äußerungen in einem Interview, das am 28. Oktober 1908 im "Daily Telegraph" erschien. Er verglich die Engländer mit "verrückten Märzhasen", konstatierte, dass seine englandfreundliche Haltung von wenigen Deutschen geteilt werde, prahlte damit, den Briten während des Burenkrieges einen Lagebericht zugespielt zu haben, verärgerte Russland und Frankreich durch Enthüllungen über deren angebliche Interventionsabsichten zugunsten der Buren und verwirrte die Leser mit dem Einfall, die deutsche Flotte könne Seite an Seite mit der britischen im Fernen Osten eingesetzt werden. Als die "Daily-Telegraph-Affäre" auch in Deutschland hohe Wellen schlug, rückte Bülow gleich von den unbedachten Bemerkungen des Kaisers ab -- dabei hatte der Text des Interviews dem in Norderney kurenden Reichskanzler und einigen Beamten des Auswärtigen Amtes ordnungsgemäß vor der Veröffentlichung vorgelegen.
Auf dem Balkan, wo das serbische Königreich dominierte, prallten die österreichischen und die russischen Interessen aufeinander: Die Habsburger Monarchie -- die ohnehin zu zerreißen drohte -- sah sich durch den südslawischen Nationalismus und dessen serbische Machtbasis ernsthaft bedroht. Die Russen dagegen unterstützten die nationalistischen Bewegungen und betonten, dass sie selbst zu den Slawen gehörten, weil sie glaubten, dadurch ihren Einflussbereich ausweiten zu können. Jede militärische Intervention auf dem Balkan beschwor einen russisch-österreichischen und -- infolge der Bündnissysteme -- einen europäischen Krieg herauf.
In dieser kritischen Lage wirkte das Attentat auf Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gemahlin Sophie am 28. Juni 1914 in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo wie ein Zündfunke.
In Wien wollte man es zum Anlass nehmen, gegen Serbien loszuschlagen. Auf dieses Wagnis konnte sich die österreichische Regierung nur einlassen, weil sie von der politischen und militärischen Führung in Berlin unterstützt wurde: Wilhelm II. schrieb an den Rand seines Berichtes vom 30. Juni: "Mit den Serben muss aufgeräumt werden, und zwar bald. -- Jetzt oder nie." Am 5. Juli sagte der Kaiser die deutsche Rückendeckung auch für den Fall einer Ausweitung des Konflikts zu ("Blankoscheck"), und der Reichskanzler bestätigte dies am folgenden Tag.
Die deutsche Staatsführung sorgte sich, dass ihr einziger verlässlicher Bundesgenosse durch die nationalistischen Bewegungen zerbrechen könnte und sie dann vollends isoliert der feindlichen Allianz gegenüberstünde. Ein Krieg werde sich ohnehin nicht auf Dauer vermeiden lassen; es gehe letztlich um den Aufstieg des Deutschen Reiches zur Weltmacht oder den Niedergang zum ohnmächtigen Staat dritter Ordnung. Die Zeit arbeitete gegen die Mittelmächte: zusehends wuchs die feindliche Übermacht. Die deutschen Militärs glaubten, dass die in Sarajevo ausgelöste Krise die letzte Gelegenheit bot, den Zusammenbruch des Partners zu verhindern, die Einkreisung zu durchbrechen und einen Krieg zu gewinnen. Die Berliner Regierung meinte, der Krieg werde sich auf dem Balkan lokalisieren lassen, weil weder Russland noch Frankreich kriegsbereit seien und Grossbritannien nicht eingreifen werde.
Mit der Beschießung der serbischen Hauptstadt Belgrad begann am 29. Juli 1914 der Erste Weltkrieg.
„Ich kenne keine Parteien mehr, kenne nur noch Deutsche!”, rief Kaiser Wilhelm II. am 1. August vom Balkon des Berliner Stadtschlosses. Eine Welle der Solidarität, die alle sozialen Schichten und politischen Gruppierungen erfasste, schuf ein neues deutsches Nationalgefühl.
„Ausflug nach Paris”, hatte im Sommer 1914 ein deutscher Soldat mit Kreide an den Eisenbahnwaggon geschrieben, mit dem er zur Front gebracht wurde. Eine böse Fehleinschätzung.
Am 28. September 1918 kamen Hindenburg und Ludendorff -– die 1916 die Oberste Heeresleitung übernommen hatten -– zu der Auffassung, der militärische Zusammenbruch an der Westfront stehe unmittelbar bevor; ein Waffenstillstandsgesuch sei deshalb unumgänglich. „Mitten im Siegen” erfuhren die Deutschen, dass der Krieg verloren war.
Als die Admiralität der Hochseeflotte Ende Oktober 1918 trotz der aussichtslosen Lage befahl, gegen England auszulaufen, meuterten die Matrosen. Die deutschen Könige und Fürsten dankten lautlos ab. Kaiser Wilhelm II., der am 29. Oktober ins Hauptquartier nach Spa gereist war, ließ Reichskanzler Max von Baden am 9. November wissen, dass er zwar preußischer König zu bleiben beabsichtige, jedoch bereit sei, als deutscher Kaiser abzudanken. Das Telegramm traf nachmittags in Berlin ein. Zu spät! Angesichts der bis ins Regierungsviertel vordringenden Demonstranten hatte Max von Baden um die Mittagszeit eigenmächtig Wilhelms Verzicht auf beide Kronen verkündet. Nachdem er den sozialdemokratischen Partei- und Fraktionsvorsitzenden Friedrich Ebert in einem revolutionären Akt zum neuen Reichskanzler ernannt hatte, trat er selbst von diesem Amt zurück. Jetzt überstürzten sich die Ereignisse. In Berlin trat der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann beherzt an ein bodentiefes Fenster des Reichstagsgebäudes und rief die Republik aus.
Der entmachtete Kaiser verließ am 10. November frühmorgens Spa, begab sich zur holländischen Grenze und bat Königin Wilhelmina um Asyl. Nach 24 Stunden Wartezeit durfte er einreisen. Den Rest seines Lebens verbrachte er im Haus Doorn bei Utrecht.
Wilhelm II., den König Georg V. als den "brillantesten Versager der Weltgeschichte" bezeichnete, war eine bizarre Persönlichkeit. "Unnahbar und doch leutselig, fürsorglich, aber in schimmernder Wehr wollte der Kaiser für alle Vorbild spielen -- ohne zu merken, dass sein Selbstbild aus Preußengloria und Gottesgnadentum von Anfang an eine Karikatur war." (Johannes Saltzwedel in "Der Spiegel", 43/1999, S. 334)
Dem Hang Wilhelms II. zur Selbstinszenierung kamen Filmaufnahmen entgegen, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufkamen. Die älteste erhaltene Filmaufnahme zeigt den Kaiser bei der Enthüllung eines Denkmals seines Großvaters Wilhelm I. im Mai 1896 auf dem Opernplatz in Frankfurt am Main. Fortan ließ er sich nicht nur bei Staatsbesuchen filmen, sondern auch bei Paraden und Grundsteinlegungen, beim Stapellauf von Kriegsschiffen, auf der Jagd und bei gymnastischen Übungen.
Eine besondere Rarität ist der Film über eine Parade im Jahr 1913 anlässlich der Hochzeitsfeier von Wilhelms Tochter Viktoria Luise: Das gleichzeitig von drei Kameras aufgenommene Material wurde durch Filter übereinander projiziert, um einen Farbeffekt zu erzeugen.
Aus Zitaten, Tondokumenten, alten Fotos, historischen Filmaufnahmen und aktuellen Bildern von historischen Schauplätzen montierte Peter Schamoni ein Porträt des letzten deutschen Kaisers.
Peter Schamoni zeigt vor allem das Bizarre des letzten deutschen Kaisers. Weder verunglimpft er ihn, noch verherrlicht er ihn. Es handelt sich eher um einen kritiklosen Bilderbogen, nicht um eine psychologische oder historische Auseinandersetzung mit Wilhelm II. Und die historischen Hintergründe werden ohnehin nur angedeutet.
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