Revolution statt Reformen - Haut's die Unis zamm!



Heute über Hochschulen zu schreiben ist kein dankbares Unterfangen. Zum einen hat man das Bild von smarten Jünglingen und Mädels vor Augen, die ihren Bildungsvorsprung in bare Münze oder zumindest gesellschaftliche Anerkennung umgesetzt sehen wollen, von intellektueller Verantwortung oder gar Emanzipation keine Rede. Andererseits bedeuten Aufrufe wie "Pfeif' auf die Karriere!" (Roth 1976), wenn sie denn ernst gemeint sind und nicht nur linker Koketterie entspringen - was zumeist der Fall ist - heute eine Manifestation für die Verelendung.
Hochschulpolitik und auch Kritik spielt sich immer zwischen diesen Polen - Karrierismus und Verelendung - ab, wobei Verelendung nicht unbedingt mit dem völligen Entzug materieller Grundlagen einhergehen muß. Es reicht schon, wenn sich die StudienabbrecherInnen, bzw. viele AbsolventInnen in die Schlange der ungeschützten Lohnabhängigen ohne soziale Absicherung und Perspektiven einreihen müssen.

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Doch soll hier nicht die Etablierung einer Zweidrittel-Gesellschaft beschrieben werden, sondern die Reform, bzw. Restauration der Hochschulen als akademische Institutionen an sich. Dazu muß einmal gesagt werden, daß Hochschulen noch niemals etwas anderes waren, als Institutionen der Restauration. All das Gerede von Selbstverwirklichung im Seminar und damit verbundener Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen mutet geradezu esoterisch an, wenn wir bedenken, in welcher Weise und zu welchem Zweck Kritik geübt wird. Der Charakter von Wissenschaft und Ausbildung war in neuerer Zeit immer schon durch die kapitalistische Gesellschaft bestimmt, das gilt ebenso für konkrete Studieninhalte, deren universitäre Vermittlungsformen und einzelne repressive Ausformungen, die nie überwunden und neuerdings eher verfestigt, denn abgeschwächt werden, und dies gilt eben auch für universitäre Kritik, die sich niemals außerhalb gesellschaftlicher Realitäten verorten kann. Auch dann nicht, wenn sie den "Kampf gegen die bürgerliche Hochschule und Gesellschaft" verspricht und die ProponentInnen dieser Kritik sich nach Jahren der Suche wieder in jenen kritisierten Institutionen wiederfinden, um sie dann von innen zu bekämpfen oder letztendlich mit Hilfe von "Sachzwangtheorien" zu legitimieren.

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Kritik zu üben bedeutet innerhalb einer kritischen Wissenschaftstradition, von einer anderen will ich hier gar nicht sprechen, immer die Entlarvung der Trennung vom Schein der Werte und dem Sein der Macht: "vom Ideal und Leben in dem parlamentarischen Verfassungsstaat: das Auseinanderklaffen von Verfassungsnorm und Verfassungswirklichkeit, von Proklamation und Exekution." (Agnoli 1990). Oder, in anderen Worten, die Enttarnung der bürgerlichen Gesellschaft, mitsamt ihrer kulturellen, politischen, ökonomischen und bürokratischen Apparate, als ideologisch und repressiv wirkendes Zwangssystem.
Das Problem besteht nun darin, daß die kritische Wissenschaft dabei stehen bleibt. Sie begibt sich in das bekannte Spiel vom Suchen nach den guten und schlechten Seiten der bürgerlichen Gesellschaft, des kapitalistischen Staates. "Der entdeckte Widerspruch gerät ins Mechanisch-Moralische und in die Abhängigkeit jeweils guter oder weniger guter Macht- und Kraftkonstellationen. Im Schlußakkord heißt es dann: Gute Politikerinnen und Politiker braucht das Land, im Grunde also eine Herrschaft mit menschlichem Gesicht." (ebd.) Statt PolitikerInnen ließen sich hier auch Intellektuelle ganz allgemein einsetzen: AkademikerInnen, KünstlerInnen, SportlerInnen.., also all jene, die zur Hegemonie von Normen beitragen.

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Kritische Wissenschaft läßt sich somit mühelos in die restaurative Hochschule integrieren. Ihr kommt darin sogar eine besondere Aufgabe zu, indem sie aufmüpfige Geister domestiziert. Denn das bloße Wissen um gesellschaftliche Widersprüche und Normen, innerhalb und außerhalb universitärer Anstalten, führt zu keiner Umwälzung der Verhältnisse. Im Gegenteil, es führt zur Verunsicherung und Vereinzelung von StudentInnen, es fördert die Ellbogenmentalität der angehendenden Eliten und wird somit auch geduldet.
Kaum anders ist es zu verstehen, daß eine der Hauptforderungen von StudentInnengruppen darin besteht, daß die individuelle Studiensituation verbessert gehört, mehr Raum in den Hörsälen, bessere Ausbildungsstätten, sowie neue Laboreinrichtungen, Werkstätten oder Bibliotheken. Dafür sind dann viele auch bereit, Einschränkungen im sozialen Bereich ohne größeres Murren hinzunehmen. Dies gilt um so mehr für die Ausrichtung zu sozial vollkommenen angepaßten Fachidioten, die durch Selektionsmechanismen noch funktionaler gemacht werden.

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Die Hoffnung und der Wille einiger StudentInnen der siebziger Jahre war es, sich nicht länger als Elite für das kapitalistische System produzieren zu lassen ("Marx an die Uni", "Kampf der bürgerlichen Gesellschaft und Uni"): Dieser Protest mitsamt seinen Scheinerfolgen mißlang. Dies lag "gerade an der gesellschaftlichen und politischen Durchdringung der Hochschulen". (Mohr 1978). Die politische Verfaßtheit der Gesellschaft und die Möglichkeiten emanzipatorischer Wissenschaft haben sich seitdem durch "Wende" und "Rechtsruck" eher verschlechtert, somit blieb und bleibt die Utopie einer Veränderung der Hochschulen hin zu sozialistischen und feministischen Wissenschaftsansätzen auf der Strecke. Selbstbehauptung und Nischendasein (in wohligen warmen Stuben und Werkstätten), lautete die Parole der Achtziger; in den Neunzigern wird wohl auch dies kaum mehr realisierbar sein. Die Kämpfe scheinen endgültig verloren, an die Reformierbarkeit universitärer Strukturen glauben eigentlich nur noch ein paar wenige PhantastInnen, bzw. diejenigen, die sich von diesen Strukturen nicht befreien können oder wollen.

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Was bedeutet das nun für Menschen, die dennoch daran festhalten, sich als Intellektuelle Wissen anzueignen? In der Weiterentwicklung sozialistischer Hochschulkritik müßte die Form und der Ort von Wissenschaftlichkeit hinterfragt werden. Es kann nicht darum gehen mit Reformen die Welt und die Hochschule zu verändern, sondern es geht um die Etablierung von "subversiver Wissenschaft, die zwecks Umkehrung der schiefen Wirklichkeit nicht nur Tabus verletzt und zerstört, Wertsysteme systematisch auseinandernimmt und auf ihre materielle Interessiertheit zurückführt; sondern die geheiligsten Formen aller gesellschaftlich ökonomischen und politischen Konservation und Restauration anzugreifen bereit ist. Dazu sind Vernunft und Wissenschaft vonnöten, da Emotionen, Gefühle und sonstige Betroffenheiten bekanntlich seit jeher zugleich Adressaten und Mittel der Eroberung und der Stabilisierung der Herrschaft dienlich sind." (Agnoli S.19) Linke Hochschulkritik kann also nur mit der Parole enden: Haut's diese Unis zusammen!

Literatur:
Johannes Agnoli: Die Transformation der Demokratie und andere Schriften zur Kritik der Politik, Freiburg 1990;
Reinhard Mohr: Zerschlagt die Universität, Frankfurt/Main 1978/in: Redaktion diskus: Küss den Boden der Freiheit, Berlin 1991;
Karl Heinz Roth: Pfeif' auf die Karriere, Frankfurt/Main 1976/in: s.o.


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